Die Schweiz hat 2016 gerade mal 2.1 Prozent aller Zuflucht-Suchenden aufgenommen. Das ist der tiefste Stand seit Jahren. Die meisten Vertriebenen haben in Nachbarregionen oder Nachbarländer Zuflucht gesucht. Migration findet trotz aller Mauern statt und verändert die Gesellschaft bzw. hat diese bereits verändert. Deshalb spielt es keine Rolle, ob wir dafür oder dagegen sind, denn die Struktur besteht und darüber müssen wir uns unterhalten. Wichtig ist zu wissen, dass nicht die Zuflucht-Suchenden das Problem sind. Kriege und unmenschliche Grenzregime sind die Ursachen, die sie zur Flucht zwingen.
Wir haben die Aufgabe aus der Schweizer Fluchtgeschichte zu lernen. Als 1984 die Tibeter zu uns kamen, wurden ihnen spontan Arbeitsplätze und Firmenwohnungen zur Verfügung gestellt und ein kulturelles Zentrum für sie erbaut. Dieses Zentrum ermöglichte interessierten Einheimischen einen Einblick in die tibetische Lebensführung und -gestaltung und führte zu gegenseitigem Verständnis sowie Akzeptanz. Die Integration von Menschen aus Italien, Ungarn, Tibet und anderer Herkunftsländer war erfolgreich. Fallen sie dir heute unangenehm auf? Im Gegenteil, sie tragen zu unserem wirtschaftlichen Wohlstand bei. Auch wenn es Menschen gibt, die bei uns Probleme verursachen, ist es wichtig daran zu denken, dass es sich oft um Einzelfälle handelt.
Als Soziokulturelle Animatorin baue ich – im beruflichen sowie im privaten – Brücken über Grenzen. Denn ich sehe jeden Menschen mit seiner Biografie als Individuum und glaube an seine mitgebrachten Talente. Auch ich habe ab und an Vorurteile, jedoch ist es mir wichtig, meine eigene Einstellung immer wieder zu überdenken beziehungsweise zu reflektieren.
Unsere Asylpolitik hat bereits Gutes geleistet. Jedoch ist zu bedenken, dass Zuflucht-Suchende vor der Arbeitsintegration oftmals erst psychisch zu Kräften finden müssen. Therapiemöglichkeiten werden beispielsweise im Gravita Zentrum für Psychotraumatologie des Schweizerischen Roten Kreuzes in St. Gallen angeboten. Mit 12 Therapieplätzen und ambulanter Behandlungen können nur sehr wenige Personen abgedeckt werden. Auch im Kanton Zürich warten Zuflucht-Suchende sechs bis achtzehn Monate bis sie im Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer (AFK) behandelt werden können. Hier besteht noch ein grosser Handlungsbedarf zur Ausweitung solcher Angebote, um dem aktuellen Bedürfnis gerecht werden zu können und einen Grundstein für die Arbeitsintegration zu legen.
Flucht nach Europa – Ein neues Leben in der Fremde
Während der internationalen Blockwoche vom 30. Januar bis 3. Februar 2017 blickten rund 150 Studierende der Sozialen Arbeit über die eigenen Grenzen hinaus. Gäste aus dem In- und Ausland haben Berichte, Forschungen, Projekte und Programme vorgestellt. Sie haben dargelegt, wie sich Zuflucht-Suchende in der Aufnahmegesellschaft organisieren, zurechtfinden und mit welchen Herausforderungen sie sich in diesem Kontext konfrontiert sehen. Mit welchen Erfahrungen kommen Zuflucht-Suchende in Europa an? Wie ist es ihnen möglich, ein neues Leben in der Fremde aufzubauen? Mit welchen Intentionen können Aufnahmeländer dabei unterstützend wirken? Was sind hinderliche Aspekte im Aufbau neuer Perspektiven?
Vier Studierende haben zu dieser Blockwoche eine Blogreihe verfasst und erläutern unterschiedliche Perspektiven.
von: Jasmin Berth
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