Devianz, Gewalt und Opferschutz,

Studium

Angebote für Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt

Angebote für Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt

Häusliche und sexualisierte Gewalt sind immer noch Tabuthemen und sie erhalten wenig Aufmerksamkeit. Deshalb ist die Arbeit der verschiedenen Fachorganisationen so wichtig. Am 28. Mai 2024 stellten Organisationen bewährte und neue Konzepte für Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt vor.

Der Event fand in Luzern im Rahmen des Kooperationsmasters in Sozialer Arbeit statt. Studierende des Masters haben bereits mit Projekten im Auftrag von Fachorganisationen und Masterthesen Beiträge zur Weiterentwicklung von Angeboten für Betroffene häuslicher und sexualisierter Gewalt beigetragen. Bei diesem Event standen die Angebote für Opfer häuslicher und sexualisierter Gewalt sowie die Bedeutung der Arbeit von Fachorganisationen im Zentrum. Das grosse Interesse am Event mit knapp 70 Teilnehmenden zeigte sich auch beim informellen Austausch am anschliessenden Apéro.

Die aktuelle professionelle und disziplinäre Debatte

Rebecca Mörgen, ehemalige Standortleiterin Luzern des Kooperationsmasters der BFH – HSLU – OST, ging bei ihrer Begrüssung auf die Meldungen über häusliche und sexualisierte Gewalt, u.a. in Einrichtungen der Sozialen Arbeit, ein. Wie auch die Schweizerische Gesellschaft für Soziale Arbeit fordert, muss die Profession und Disziplin Soziale Arbeit fachliche Standards mittels Qualitätssicherung einhalten und bei der politischen, fachlichen und wissenschaftlichen Aufdeckung und Aufarbeitung missbräuchlicher Praxen ihren Beitrag leisten. Dies geschieht aktuell im Rahmen von Arbeitsgruppen und wissenschaftlichen Berichten.

Darüber hinaus ist die Soziale Arbeit gefordert, häusliche und sexualisierte Gewalt zu thematisieren, zu deuten sowie intra- und interprofessionell Angebote für Betroffene zur Verfügung zu stellen und diese weiterzuentwickeln.

Die Arbeit im Frauenhaus

Silvia Vetsch, Leiterin des Frauenhauses St. Gallen und Vorstandsmitglied der Dachorganisation der Frauenhäuser Schweiz, berichtete im ersten Fachvortrag von der Arbeit im Frauenhaus. Sie schilderte die äusserst prekäre Situation der Opfer und oftmals auch deren Kinder, die verschiedenen Formen von Gewalt und deren physischen und psychischen Folgen sowie die finanziellen und strukturellen Herausforderungen der Frauenhäuser. Eindrücklich wurde zudem der Ablauf von der Kontaktaufnahme über den Treffpunkt, Eintritt, Aufenthalt und Alltag im Frauenhaus erläutert.

Fachinput «Die Arbeit im Frauenhaus» von Silvia Vetsch
Fachinput «Die Arbeit im Frauenhaus» von Silvia Vetsch

Die Arbeit der Opferberatungsstelle des Kantons Luzern

Eliane Tschümperlin und Tobias Frank stellten das Angebot der Opferberatungsstelle des Kantons Luzern vor. Eliane Tschümperlin ist Juristin und für die Beratung von Betroffenen häuslicher Gewalt sowie die Chatberatung und Beratung von Kindern und Jugendlichen zuständig. Tobias Frank ist Alumi des Kooperationsmasters in Sozialer Arbeit, wo er im Auftrag der Opferberatungsstelle Luzern bereits ein Studierendenprojekt realisiert hatte. Er ist heute stellvertretender Abteilungs- und Fachleiter der Opferberatungsstelle.

Nach der Vorstellung der Organisation, des Auftrags, den Grundlagen wurden statistische Zahlen der Neumeldungen 2023 erläutert. Letztere betreffen überwiegend häusliche und sexuelle Gewalt. Anhand eines Fallbeispiels wurde dem interessierten Publikum eindrucksvoll der Beratungsablauf exemplarisch aufgezeigt.

Die Arbeit der Opferberatungsstelle - Eliane Tschümperlin und Tobias Frank
Die Arbeit der Opferberatungsstelle – Eliane Tschümperlin und Tobias Frank

Das Potenzial von Restorative Justice

Petra Baumann, ebenfalls Alumna des Kooperationsmasters und Leiterin der Koordinationsstelle Häusliche Gewalt und Menschenhandel des Kantons St. Gallen, untersuchte in ihrer Masterarbeit das Potenzial von Restorative Justice bei sexualisierter Gewalt im Erwachsenenbereich. Sie berichtete in ihrem Fachinput von den zentralen Ergebnissen und Erkenntnissen der empirischen Untersuchung bei Opferberatungsstellen in der Deutschschweiz. Die Befunde zeigten, dass Restorative Justice eher bei leichten Straftaten als geeignet erachtet wird, schwere Delikte aber nicht gänzlich ausgeklammert werden. Für Fachberatende ist es denkbar unter bestimmten Bedingungen in Restorative Justice-Verfahren mitzuwirken und sie äussern Interesse an entsprechenden Weiterbildungen.

Was ist Restorative Justice?

Restorative Justice ist ein Ansatz im Strafrechtssystem, der auf die Wiedergutmachung von Schaden, die Heilung von Beziehungen und die Rehabilitation von Straftätern abzielt. Im Gegensatz zum traditionellen strafrechtlichen Ansatz, der sich hauptsächlich auf die Bestrafung des Täters konzentriert, legt Restorative Justice den Schwerpunkt auf die Bedürfnisse der Opfer, die Verantwortung des Täters für sein Handeln und die Wiederherstellung der betroffenen Gemeinschaft. Interventionen in diesem Rahmen sind partizipative Prozesse, die neben Opfer und Täter auch Bezugspersonen und Fachpersonen einbeziehen.

Die Arbeit des Vereins Swiss Association Forensic Nursing Schweiz

Valeria Kägi, Co-Leiterin der Forensic Nurses des Instituts für Rechtsmedizin der Universität Zürich und Mitbegründerin des Vereins Swiss Association Forensic Nursing Schweiz, führte in ihrem Vortrag in die Prävention sexualisierter Gewalt und die Betreuung von Gewaltbetroffenen sowie das «Zürcher Modell» ein. Ein wesentlicher Mehrwert des neuen Angebots des Aufsuchenden Dienstes Forensic Nurses im Kanton Zürich für Opfer von sexueller und häuslicher Gewalt stellt die Optimierung des gesamten Betreuungsprozesses für Gewaltbetroffene dar. Zentral für diesen Opferschutz ist die Stärkung forensischer Kompetenzen bei der Spurensicherung. Dabei werden insbesondere die Einsatzgebiete und Schnittstellen zwischen der Sozialen Arbeit und Pflege deutlich, wozu bereits Weiterbildungen angeboten werden und künftig Kooperationen bedeutsam sind.

Fachinput «Forensic Nursing» von Valeria Kägi
Fachinput «Forensic Nursing» von Valeria Kägi
Fachinput Restorative Justice von Petra Baumann
Fachinput Restorative Justice von Petra Baumann
Podiumsdiskussion zu «Häusliche und sexualisierte Gewalt»
Podiumsdiskussion zu «Häusliche und sexualisierte Gewalt»
Fachinput «Forensic Nursing» von Valeria Kägi
Fachinput «Forensic Nursing» von Valeria Kägi
Fachinput Restorative Justice von Petra Baumann
Fachinput Restorative Justice von Petra Baumann
Podiumsdiskussion zu «Häusliche und sexualisierte Gewalt»
Podiumsdiskussion zu «Häusliche und sexualisierte Gewalt»

Podiumsdiskussion

An der abschliessenden Podiumsdiskussion wurden von den Referent:innen Fragen aus dem Publikum diskutiert und beantwortet. Hierbei wurden aktuelle Herausforderungen, die Arbeit mit Opfern und Täter:innen, die Gestaltung der interprofessionellen und interdisziplinären Kooperation sowie die Aus- und Weiterbildung von Fachpersonen diskutiert. Der Eingang von Restorative Justice in der Praxis und innovative Gehalt des Zürcher Modell für andere Kantone bildeten einen abschliessenden Ausblick vor dem Übergang zum Apéro.

Von: Aaron Rhyner
Bilder: Roger Ettlin
Veröffentlicht: 18. Juni 2024

Master in Sozialer Arbeit

Je stärker der gesellschaftliche Wandel, desto komplexer die Soziale Arbeit. Deshalb braucht es Fachpersonen, die diesen Wandel aktiv gestalten wollen. Der Master in Sozialer Arbeit der BFH, HSLU und OST befähigt dazu, die Komplexität zu meistern. Aus der Kooperation der drei Hochschulen ergeben sich besonders viele Optionen, sowohl in der Studienplanung als auch in der beruflichen Entwicklung nach dem Master-Abschluss.

Weitere Informationen: www.masterinsozialerarbeit.ch

Infoveranstaltungen: Hier anmelden

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