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Musik öffnet Türen, wo Worte Versagen

Musik öffnet Türen, wo Worte Versagen

Die Luzernerin Ursula Zihlmann verknüpft musikalische und soziale Arbeit auf innovative Weise. Die Absolventin des CAS Musikgeragogik erklärt, wie Musikgeragogik das Leben älterer Menschen und insbesondere von Menschen mit Demenz verbessern kann.

1. Ursula Zihlmann, was hat Sie dazu bewogen, Musik und Soziale Arbeit zu verbinden und in diesem Zusammenhang auch das CAS Musikgeragogik zu absolvieren?

Ich bin in einer Familie von Musikerinnen und Musikern aufgewachsen und habe schon in jungen Jahren Blockflöte und Klavier gespielt sowie in einem Jugendchor gesungen. Später lernte ich zwei Jahre an der Jazzschule Luzern. Beruflich habe ich zunächst jedoch einen anderen Weg eingeschlagen: Ich habe eine Ausbildung zur Pflegefachfrau absolviert und nach einigen Jahren Berufstätigkeit Soziale Arbeit studiert. Anschliessend war ich unter anderem in der Jugend- und Familienberatung sowie bei der Stadt Luzern im Bereich der frühkindlichen Bildung und Betreuung tätig. Irgendwann wuchs der Wunsch, Musik in meine berufliche Tätigkeit zu integrieren. Das CAS Musikgeragogik bot eine ideale Möglichkeit, meine musikalischen Fähigkeiten mit den vorhandenen Kompetenzen aus der Sozialen Arbeit zu kombinieren. Der rote Faden in meinem beruflichen Werdegang ist die Arbeit mit Menschen.

2. Heute begleiten Sie unter anderem ältere sowie an Demenz erkrankte Personen. Wie kann der Ansatz der Musikgeragogik zur Verbesserung der Lebensqualität der Betroffenen beitragen?

Viele ältere Menschen wollen ihre kulturellen Interessen bis ins hohe Alter pflegen, weiterhin mit anderen zusammen singen und musizieren. Aus gutem Grund: Musik löst Glückshormone aus und bringt Farbe ins Leben. Gemeinsames Singen entspannt, sorgt für eine bessere Durchatmung, stärkt das kardiopulmonale System und weckt Erinnerungen. Bei Menschen mit Demenz gilt dies besonders. Musik spricht zudem emotionale Bereiche an, die oft gut erhalten bleiben. Menschen mit Demenz verlieren ihre kognitiven Fähigkeiten, doch das musikalische Gedächtnis ist üblicherweise erst spät von einer Demenz betroffen. Selbst wenn das Sprechen und Spielen nicht mehr möglich ist, bleibt Musik damit ein wertvolles Kommunikationsmittel.

3. Inwiefern profitieren Sie bei Ihrer Arbeit von Ihren Erfahrungen aus dem CAS Musikgeragogik?

Durch das CAS selbst kam ich überhaupt erst auf die Idee, dass ich diese verschiedenen Angebote anbieten könnte. Die projektbezogenen Arbeitsmethoden, die im Rahmen der Weiterbildung gefordert und gefördert werden, haben mir gezeigt, dass mir diese Tätigkeit liegt und dass ich diese Fähigkeit auch in meinem Berufsalltag umsetzen möchte. Hinzu kommt, dass in der Musikgeragogik wichtige Erkenntnisse aus Nachbardisziplinen wie der Alterspsychologie, der Sozialen Arbeit sowie aus dem Bereich der Gerontologie zum Einsatz kommen. Ein wichtiger Teil sind zum Beispiel die Gespräche, die ich mit Betroffenen und deren Angehörigen führe. Der Aufbau von Beziehungen ist das A und O – das gilt nicht nur für die Soziale Arbeit, sondern auch für die Musikgeragogik. Fazit: Wer sowohl ein Herz für die Musik als auch für die Soziale Arbeit hat, ist in diesem CAS genau richtig.

4. Gibt es bestimmte Erlebnisse oder Erfolgsgeschichten, die Sie mit uns teilen können?

Oh, davon gäbe es zahlreiche. Obwohl sich Menschen mit Demenz oft in ihre eigene Welt zurückziehen, sind sie beim gemeinsamen Singen emotional völlig im Hier und Jetzt. Das zu erleben, finde ich immer wieder schön und bereichernd. Neulich haben wir zum Beispiel mit einer Gruppe das Volkslied «Mir Senne heis loschtig» gesungen. Eine Teilnehmende mit Demenz begann daraufhin kurzerhand, zum Stück zu jodeln. Ein anderes Mal begleitete ein demenzerkrankter Mann die Lieder mit spontan seiner Mundharmonika – solche Momente sind einmalig. Ein Highlight sind für mich zudem auch die Rückmeldungen von Angehörigen.

5. Können Sie noch etwas näher auf die Rolle der Angehörigen eingehen?

Angehörige sind oft stark gefordert, wenn ihre Partnerin oder ihr Partner, ein Elternteil oder sonst eine nahestehende Person an Demenz erkrankt. Durch das gemeinsame Singen können sie etwas Schönes gemeinsam erleben. Angehörige berichten mir regelmässig, dass die Teilnehmenden während und auch nach dem Singen viel zufriedener sind. Zudem besteht vor und nach den Veranstaltungen immer auch die Gelegenheit, sich mit Menschen auszutauschen, die sich in ähnlichen Situationen befinden. Ich lege auch selber grossen Wert auf einen engen Austausch mit den Angehörigen. Eine wichtige Rolle spielen zum Beispiel die sogenannten Biografiegespräche, in denen wir gemeinsam klären, welche Musik die Menschen mit Demenz früher gehört haben. Darüber hinaus stehe ich den Angehörigen nach meinen Möglichkeiten bei Fragen Red und Antwort und mache sie auf weiterführende Informationen und Unterstützungsangebote aufmerksam.

Von: Daniel Schriber
Bild: Daniel Schriber
Veröffentlicht: 6. August 2024

Ursula Zihlmann Portraits

Ursula Zihlmann

Nach ihrer Ausbildung als Pflegefachfrau und einem Studium der Sozialarbeit, war Ursula Zihlmann während vieler Jahre in der Sozialen Arbeit tätig. Sie arbeitete unter anderem sieben Jahre auf einer Jugend- und Familienberatung; zwischen 2007 und 2023 war sie bei der Stadt Luzern im Bereich Frühkindliche Bildung und Betreuung tätig. 2018 absolvierte sie das CAS Musikgeragogik an der HSLU – Soziale Arbeit. Heute leitet sie Veranstaltungen, bei denen sie gemeinsam mit Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen singt und musiziert. Darüber hinaus leitet sie zwei Chöre und unterrichtet an der Schule für Lebensbegleitung im Alter. Weitere Informationen unter: www.ursulazihlmann.ch

CAS Musikgeragogik – Musikalische Arbeit mit älteren Menschen

Seit 2016 bietet die Hochschule Luzern den CAS Musikgeragogik an. Als bislang schweizweit einzigartiges, interdisziplinäres Kooperationsmodell zwischen den beiden Departementen Soziale Arbeit und Musik der Hochschule Luzern, richtet sich die Weiterbildung sowohl an Musikerinnen und Musiker als auch an Fachpersonen aus der Kulturarbeit mit älteren Menschen, aus Sozialer Arbeit, Altenhilfe und Pflege sowie Senioreneinrichtungen.

Anmeldeschluss: 1. Oktober 2024

Programmstart: Frühlingssemester 2025

Mehr Informationen: Webseite CAS Musikgeragogik

Kommentare

1 Kommentare

Simone Gretler Heusser

Vielen Dank für diesen tollen Beitrag! Ich freue mich immer wieder, von den vielfältigen Erfolgen der Musikgeragogik zu lesen und finde es schön, dass es den CAS Musikgeragogik gibt.

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