Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung,
Das Projektteam Meike Müller, Caroline Näther und Mario Störkle hat Soziokulturelle Animator:innen zu ihren Berufsverläufen befragt. Die Untersuchung erfolgte nach 2016 zum zweiten Mal und es zeigt sich erneut: Die Zufriedenheit ist hoch und die Berufsaussichten gut. Dies bestätigt Projektleiterin Meike Müller im Interview.
1. «Was machst du dann damit?» So nannten Sie eine Ihrer früheren Publikationen zum Thema Berufsverläufe in der Soziokultur. Wie bekannt ist das Berufsfeld der Soziokultur aus Ihrer Sicht?
Meike Müller (MM): Wenn jetzt jemand gar keinen Bezug zur Sozialen Arbeit hat, sind einem die Begriffe Sozialarbeit oder Sozialpädagogik wohl geläufiger. Besonders erklärungsbedürftig könnte auch die Bezeichnung Soziokulturelle Animation sein, bei der einige vielleicht zunächst eher an Filmanimation oder sogar an Ferienanimation denken. Innerhalb der Sozialen Arbeit muss man sich jedoch nicht erklären.
Der Titel war eher als witziger Aufhänger gemeint. Denn, dass man sich manchmal bei Familienfeiern oder so erklären muss, habe ich als Soziologin auch erlebt. Bei Fächern, die man von der Schule her nicht kennt, ist das halt manchmal so.
2. Sie haben die Berufsverläufe von Soziokulturellen Animator:innen nun zweimal untersucht. Worin unterscheiden sich die beiden Studien?
MM: 2016 wollten wir herausfinden, wo unsere Absolvent:innen «landen» bzw. tätig sind. Beim zweiten Mal haben wir uns gefragt: «Hey, wie sieht es jetzt aus? Lassen sich die Ergebnisse von damals bestätigen oder hat sich etwas verändert?»
Methodisch ist der grosse Unterschied, dass wir diesmal nicht nur ehemalige HSLU-Studierende befragt haben, sondern generell Fachpersonen der Soziokultur – unabhängig davon, wo sie sich ausbilden liessen. Daher waren nun Absolvent:innen von Fachhochschulen, Hochschulen oder Höheren Fachschulen aus der ganzen Deutschschweiz beteiligt.
3. Wie sich herausstellt, arbeitet über die Hälfte der Befragten mit Jugendlichen. Woran liegt das?
MM: Aus meiner Sicht daran, dass der Ursprung der Soziokulturellen Animation in der Deutschschweiz in der Jugendarbeit zu verorten ist. Auch unsere Vorgängerinstitution hiess «Jugendarbeiter-Ausbildung Luzern», bevor sie 1992 in «Höhere Fachschule für Soziokulturelle Animation» umbenannt wurde. Von daher überrascht mich dieser grosse Anteil nicht. Aber: In den letzten 20, 30 Jahren haben sich – neben der Jugendarbeit – viele weitere soziokulturelle Handlungsfelder etabliert mit vielen unterschiedlichen Zielgruppen. Denken wir an Kinder, Erwachsene, Quartierbewohnende oder Institutionen.
Es gibt eine grosse Vielfalt und Dynamik in der Soziokultur.
Meike Müller
Allerdings ist es möglich, dass in diesen neueren Bereichen zunächst weniger gezielt nach Fachpersonen der Soziokultur gesucht wird. Das haben wir in einer anderen qualitativen Studie festgestellt. So kann es vorkommen, dass sich eine Animatorin beispielsweise auf eine Stelle in einem Altersheim bewirbt, die eigentlich für eine Aktivierungsfachperson ausgeschrieben war. Wird die Organisation durch die neue Mitarbeiterin für den Mehrwert soziokultureller Methodik und Haltung sensibilisiert, ist es später gut möglich, dass die Stelle explizit als Soziokultur-Stelle ausgeschrieben wird, wenn sie neu besetzt wird.
4. Was meinen Sie mit soziokultureller Haltung?
MM: Damit meine ich die Art und Weise, wie die Fachpersonen soziokulturelle Projekte begleiten, wie sie dieses Handwerk, etwa die integrale Projektmethodik, beherrschen, wie sie auftreten und ein professionelles Verständnis von Freiwilligenarbeit, Mitwirkung, Partizipation und Empowerment mitbringen. Aus meiner Sicht ist diese Haltung, die man im Lauf der Ausbildung entwickelt, spürbar.
5. Verändern sich die Tätigkeiten im Laufe der beruflichen Laufbahn?
MM: Da wir nicht nur abgefragt haben, wo man direkt nach dem Abschluss beschäftigt ist, sondern auch bei der zweiten und dritten Stelle, wissen wir, dass eine Ausdifferenzierung stattfindet. Über die Hälfte der Befragten startet in der Jugendarbeit. Dieser Bereich nimmt dann tendenziell ab, während andere Bereiche wie die Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung (GSR), die Quartierarbeit und das Arbeiten mit älteren Menschen zunehmen. Manche Fachpersonen decken mit der Zeit auch mehrere Bereiche gleichzeitig ab. Damit liess sich zeigen: Es gibt eine grosse Vielfalt an Möglichkeiten und Handlungsfeldern für Soziokulturelle Animator:innen.
6. Sind auch die Zukunftsaussichten somit gut?
MM: Ja. In der aktuellen Studie liess sich eine erfreulich hohe Beschäftigungsquote von 96 Prozent bei den Befragten feststellen. Auch 2016 lag die Quote schon bei über 90 Prozent. Dazu haben wir auch die Zufriedenheiten erhoben. Der Punkt «Sicherheit der Arbeitsstätte» wird mit über 4 bewertet auf einer Skala von 1 (gar nicht zufrieden) bis 5 (sehr zufrieden). Man scheint also wenig Angst zu haben, eine Arbeitsstelle zu finden oder zu verlieren.
Wir haben eine erfreulich hohe Beschäftigungsquote von 96 Prozent bei den Befragten feststellen können.
Meike Müller
7. Wie werden andere Aspekte bewertet?
MM: Generell ist zu sagen, dass die Befragten mit inhaltlichen Aspekten zufriedener sind als mit strukturellen. Punkte wie Verantwortungsniveau, Arbeitsinhalte oder Arbeitsklima schneiden daher ein wenig besser ab als Aufstiegsmöglichkeiten, Einkommen oder Status. Aber alle Aspekte bewegen sich auf einem guten Niveau. Einzig die Arbeitsbelastung sollte man im Auge behalten. Dies gehörte zu den Kriterien, die am schlechtesten bewertet wurden.
8. Alles in allem ist man aber zufrieden?
MM: Ja. Das sieht man auch daran, dass der Bezug zur Soziokultur häufig bestehen bleibt, wenn die Ausbildung länger zurückliegt. Fast 80 Prozent arbeiten bei ihrer dritten Stelle nach dem Abschluss noch in diesem Bereich. Vier von fünf Personen bleiben der Soziokultur treu, könnte man sagen.
9. Liessen sich die soziokulturellen Angebote aus Sicht der Fachpersonen ausbauen?
MM: Mehr als die Hälfte sieht Potenzial in den Bereichen Zwischen- und Umnutzung, politisches Engagement, Alter, Flucht, Migration und Integration sowie Klima und Umwelt. Fast ebenso häufig spricht man auch Wohnen, Gesundheit oder den Kampf gegen Armut und Diskriminierung an. Die Soziokultur zeichnet sich somit sowohl durch ein breites Themenspektrum als auch eine grosse Dynamik aus. Wichtig dabei: Diese Handlungsfelder stehen nicht in Konkurrenz zueinander. Im Gegenteil, sie können sich gegenseitig sehr ergänzen und bereichern.
Von: Anette Eldevik
Veröffentlicht am: 13. September 2024
Steckbrief Befragung
Die Studie Berufsverläufe in der Soziokultur widmet sich den Fachpersonen der Soziokultur in der Schweiz und wurde nach 2016 zum zweiten Mal durchgeführt. Die Fachpersonen wurden u. a. zu ihrer aktuellen beruflichen Tätigkeit, zu ihrer Erwerbsbiografie sowie zu potenziellen Weiterentwicklungen in der Soziokultur befragt. Die aktuelle Studie bezieht Fachpersonen der ganzen deutschsprachigen Schweiz mit ein – unabhängig von deren Ausbildungsstätte. Insgesamt haben sich 311 Personen an der Studie beteiligt. Mehr zum Projekt hier.
Die Soziologin Meike Müller leitete das Projekt und ist Dozentin am Institut für Soziokulturelle Entwicklung der Hochschule Luzern. Ihre Kompetenzschwerpunkte umfassen Themen wie Stadt- und Quartierentwicklung, Öffentliche Räume, Urbanität, Stadt- und Raumsoziologie, Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung sowie Evaluationen.
Caroline Näther war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziokulturelle Entwicklung. Zu den Kompetenzschwerpunkten der Soziologin zählen die Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung, Sozialräumliche Entwicklung, Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung und Wissenschaftssoziologie.
Mario Störkle ist Dozent und Projektleiter am Institut für Soziokulturelle Entwicklung. Die Schwerpunkte des Soziologen umfassen Themen wie Alter(n) und demografischer Wandel, Freiwilliges Engagement, Qualitative Methoden der Sozialforschung, Stadt-, Gemeinde-, Quartierentwicklung, Sozialraum.
Aus- und Weiterbildungen
Kommentare
1 Kommentare
Rolf Vollenweider
Vielen Dank für die interessante und aufschlussreiche Studie. Sie bestätigt meinen Eindruck, dass Soziokulturelle Animator*innen eine sehr hohe Identifikation mit ihrem Beruf haben und sie fachliche und gesellschaftspolitische Entwicklungsfelder sehen. Sie bringen eine grosse Bereitschaft mit, unser Berufsfeld laufend und selbstverständlich voranzubringen.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.