Kindes- und Erwachsenenschutz,

Weiterbildung

«Wir müssen das Bild der Beistandsperson positiv verändern»

«Wir müssen das Bild der Beistandsperson positiv verändern»

Das Delegieren von Aufgaben ist für Berufsbeistandspersonen mit Chancen aber auch enormen Risiken verbunden, wie Sandra Hämmerlis Masterarbeit deutlich aufzeigt. Ihre Arbeit ist ein überzeugendes Plädoyer, den Beruf mit Haltung anzugehen und ihn dadurch in einem neuen Licht zu präsentieren.

Mit elf Jahren im Job, gehört Sandra Hämmerli bereits zu den erfahrensten Berufsbeiständinnen der Stadt Bern. «Unsere Profession hat leider seit Jahren eine sehr hohe Fluktuationsrate», weiss Hämmerli. Stress, Politik und hohe Anforderungen tragen dazu bei. «Anspruchsvoll war der Beruf schon immer. In den vergangenen Jahren habe ich mich aber immer mehr mit der Frage beschäftigt, welche konkreten Anforderungen an Beistandspersonen bestehen und ob man diesen Anforderungen in der Praxis gerecht werden kann.»

Solche und weitere Fragen haben Sandra Hämmerli dazu bewegt, eine Weiterbildung in Angriff zu nehmen und sie absolvierte den MAS Sozialarbeit und Recht an der Hochschule Luzern. «Bei der Masterarbeit war mir wichtig, dass diese für den Praxisalltag einen Gewinn darstellt.» Ihre Arbeit «Mandatsführung im Erwachsenenschutz – Chancen und Risiken der Delegation von Aufgaben der Beistandsperson an Dritte», wird diesem Anspruch definitiv gerecht.

Gesetz lässt Spielraum zu

Zur Erinnerung: Eine Beistandschaft wird von der Erwachsenenschutzbehörde (KESB) angeordnet, wenn eine Person aufgrund eines Schwächezustandes ihre Angelegenheiten nicht ausreichend selbst erledigen kann. Im Grundsatz müssen Beistandspersonen die ihnen übertragenen Aufgaben selbst wahrnehmen. Das Gesetz lässt jedoch einen gewissen Ermessensspielraum zu.

In der Praxis ist es denn auch üblich und teilweise unumgänglich, dass manche Aufgaben an Drittpersonen delegiert werden. Dies, weil für gewisse Aufgabenbereiche spezifische Fachkenntnisse notwendig sind – etwa bei einem Rechtsstreit, wo die Hilfe einer Anwältin oder eines Anwalts notwendig wird. «Im Fokus steht immer die Frage, wie der betroffenen Person am besten geholfen ist.»

Effizienter und besser betreuen

Aus Effizienzgründen können aber auch administrative Aufgaben an Dritte delegiert werden. Dies kann eine Chance für Beistandspersonen sein, sich zeitliche Ressourcen zu verschaffen. Die Delegation von Aufgaben kann somit zu einer effizienteren Arbeitsweise führen, die Fachlichkeit garantieren und eine ganzheitlichere Hilfe ermöglichen, wie Hämmerlis Arbeit aufzeigt.  

Ein Allheilmittel ist der Einbezug von Dritten jedoch nicht, betont Sandra Hämmerli: «Als Beiständin kann man vieles – die Verantwortung abgeben gehört aber nicht dazu.» Die Beistandsperson ist es letztlich, die gegenüber der KESB Rechenschaft ablegen muss. In der Praxis bedeutet dies, immer wieder hinzuschauen und sich selber ein Bild von der Situation der betroffenen Person zu machen.

Ein Beispiel: Bei einem Aufenthalt in einer Klinik, ist die Beistandsperson klar auf die Fachkompetenz der Klinikbelegschaft angewiesen. Da die Beistandsperson aber letztlich in der Verantwortung steht, muss diese zu jederzeit wissen, wie es der betroffenen Person dort geht. «Diese Formen des Austausches und der Kontrolle sind Teil der sozialarbeiterischen Berufsbeziehungen, die gepflegt werden müssen», erklärt Hämmerli.

«Schleichende Verwaltung» als Gefahr

Eine der grössten Gefahren beim Delegieren von Aufgaben identifiziert Hämmerli darin, dass Beistandspersonen zu sehr in eine koordinierende Rolle rutschen. Die Folge:  Klientinnen und Klienten werden verwaltet, statt betreut. «Das kann soweit führen, dass der Mensch nicht mehr als Subjekt, sondern als Objekt behandelt wird. Das wäre eine Verletzung der Menschenwürde und somit auch des Gesetzes.» 

Um diesem «schleichenden Verwalten» entgegenzuwirken, brauche es – sowohl von den Beiständinnen und Beiständen wie auch von deren Arbeitgeber – einen Effort. «So sollte zum Beispiel noch viel mehr in Weiterbildungen investiert werden», sagt Sandra Hämmerli. «Für mich war es ein enormer Gewinn, meinen Beruf aus einer anderen Perspektive zu analysieren. Ich kam definitiv gestärkt und motiviert aus dem Studium.»

Auch eine gewisse Haltung ist für in dem anspruchsvollen Umfeld unabdingbar, ist Hämmerli überzeugt. Das Augenmerk liege aktuell zu stark auf dem administrativen Teil des Berufs. «Ich wünsche mir einen Paradigmenwechsel, der den Fokus wieder verstärkt auf den Menschen rückt.» Dies würde dazu beitragen, den Beruf als Beiständin oder Beistand in neuem Licht zu präsentieren. «Wie wir Mandate führen, beeinflusst wie wir wahrgenommen werden. Das Bild von Beistandspersonen ist leider noch immer negativ behaftet», sagt Hämmerli. «Dies, obwohl wir viel Positives bewirken können. Wir müssen das Bild der Beistandsperson verändern – und dazu will ich meinen Teil beitragen.»

Von: Ismail Osman
Bild: Kelly Sikkema auf Unsplash
Veröffentlicht: 6. Februar 2024

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