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Action, Kompetenz, Dynamik – Ricarda Hess und ihre grosse Leidenschaft

Action, Kompetenz, Dynamik – Ricarda Hess und ihre grosse Leidenschaft
Powerchair Hockey Spiel: Red Eagle Basel gegen Iron Cats Mai 2022

Ricarda Hess ist neu als Dozentin für Sozialpädagogik am Departement Soziale Arbeit tätig. Daneben geht sie mit Fingerspitzengefühl, Know-how und Ausdauer einem Hobby nach. Über eine Frau, die sich in exponierter Position engagiert für eine intensive Sportart einsetzt.

Am Departement Soziale Arbeit sind die Menschen sehr aufgeschlossen. Probleme werden offen diskutiert und Lösungen gemeinsam gefunden. Alle dürfen ihren Standpunkt vertreten und ist man nicht der gleichen Meinung, dann sagt man es. Es braucht keine Person, die die Regeln durchsetzt. Und doch gibt es seit dem 1. Juni eine Schiedsrichterin am Departement – Ricarda Hess.

Wobei sie natürlich nur in ihrer Freizeit als Schiedsrichterin waltet. Dann leitet die neue Dozentin für Sozialpädagogik nämlich Spiele im Powerchair Hockey. Die Begeisterung für diesen Sport hat im weitesten Sinn auch mit ihrer beruflichen Laufbahn zu tun. Als sie 2009 ein Praktikum bei der Stiftung Rodtegg für Menschen mit körperlicher Behinderung absolvierte, besuchte sie als Zuschauerin ein Powerchair-Hockey-Turnier. Zwei Spiele reichten – und Ricarda Hess war vollends von der Sportart beeindruckt und eingenommen.

Powerchair Hockey – was ist das?

Powerchair Hockey ist eine Hockeysportart für Menschen mit einer körperlichen Einschränkung. Mit Powerchair bezeichnet man einen elektrischen Rollstuhl. Analog zu Unihockey wird auf einem Feld mit Banden gespielt. Das Ziel des Spiels? Mehr Tore zu erzielen als das gegnerische Team.

Die unterschiedlichen Beeinträchtigungen werden in einem Punktesystem berücksichtigt. Die Spielenden erhalten je nach stärke der Einschränkung eine Punktzahl von eins bis vier. Insgesamt dürfen fünf Teammitglieder mit einer maximalen Punktzahl von zwölf Punkten auf dem Feld stehen.

Powerchair Hockey kurz erklärt

Vom Fan zur WM-Observerin

Auch nach ihrem Praktikum in der Rodtegg blieb Ricarda Hess dem Powerchair Hockey als Fan treu. Sie begann ihr Studium in Fribourg in Sozialpädagogik. Trotzdem besuchte sie weiterhin die Spiele der «Lucerne Sharks». «Der Sport hat mich von Anfang an gepackt. Die Spielerinnen und Spieler machen trotz Einschränkungen so viel möglich und überwinden so viele Hürden.»

Als im Jahr 2014 Spielleitende gesucht werden, meldet sie sich als Schiedsrichterin an. Sie freut sich, ihren Teil beizutragen. Der Job als Schiedsrichterin ist jedoch nicht immer einfach. Es wird mit viel Ehrgeiz gespielt. Als Schiedsrichterin gerät man rasch in die «Schusslinie der Emotionen». Und das bekommt sie auch bald selbst zu spüren.

In einem Spiel steht es kurz vor dem Abpfiff unentschieden. Die letzten Minuten brechen an. Das Spiel ist schnell. Ein indirekter Freistoss. Ricarda ist einen kurzen Moment unkonzentriert. Und dann … Tor! Sie aberkennt das Tor. Grosse Proteste. War es ein direkter Freistoss? Die Entscheidung steht. Auch nach dem Abpfiff sind Spielende und Zuschauende aufgebracht. Sie bespricht die Szene mit beiden Trainern. Es stellt sich heraus, dass es ein Fehler war. «Ich habe die falsche Entscheidung lange mit mir herumgetragen. Trotzdem hat mich dieses Ereignis menschlich und als Schiedsrichterin weitergebracht.»

Dennoch überwiegen für Ricarda die schönen Momente klar. Die grosse Freude der Spielerinnen und Spieler. Der super Austausch und die vielen positiven und konstruktiven Rückmeldungen. Und begeistert ergänzt sie: «Ich durfte bereits an nationalen und internationalen Turnieren dabei sein und habe viele grossartige Menschen kennengelernt. Das Schönste ist, dass wir wie eine kleine Familie sind.»

WM in der Schweiz

Und noch etwas macht Powerchair Hockey einzigartig. Sogenannte Observer schauen das Spiel genau an und beraten die Spielleitenden im Anschluss ans Spiel. So erhalten alle Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter ein persönliches Feedback. Ob das von der Pädagogik kommt? Vor vier Jahren durfte Ricarda Hess als Observerin an der Weltmeisterschaft in Italien teilnehmen. Dieses Jahr findet die WM in der Schweiz statt und Ricarda ist wiederum als Observerin im Einsatz.

Begeistert erzählt sie: «Vom 9. bis 14. August 2022 findet die WM in Sursee und Nottwil statt. Ich freue mich riesig.» Auch für Laien heisst es: Zuschauen und Mitfiebern! Action, Emotionen und Dynamik im Elektrorollstuhl – etwas, das man sich nicht entgehen lassen sollte. «Das Spiel ist sehr schnell und es ist geprägt von verschiedenen Taktiken im Angriff und in der Verteidigung.» Am besten lässt man sich also vor Ort überzeugen und taucht in diese aussergewöhnliche Atmosphäre ein.

Hier gibt’s einen Einblick: Video vom Swiss Powerchair Hockey Verband anschauen:

Powerchair Hockey WM in Sursee (Youtube)

Von Roger Ettlin
Bild: Ricarda Hess
Veröffentlicht: 5. August 2022

Ricarda Corina Hess

Ricarda Hess ist dem 1. Juni 2022 Dozentin und Projektleiterin am Institut für Sozialpädagogik und Bildung an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Sie ist in der Aus- und Weiterbildung tätig. Ricarda Hess hat ihren Master an der Universität Fribourg in Sonderpädagogik abgeschlossen, wo sie seit 2018 auch doktoriert.

Vom 9. bis 14. August 2022 findet in Sursee und Nottwil die Powerchair Hockey Weltmeisterschaft statt. Am Dienstag, 9. August, bestreitet die Schweiz ihr erstes Spiel gegen Italien. Ein Besuch lohnt sich. Hier finden Sie alle aktuellen Informationen.

Die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit bietet Bachelor- und Master-Studiengänge sowie Weiterbildungsangebote in den Richtungen Sozialpädagogik, Soziokultur und Soziale Arbeit.

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