Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung,

Soziokultur,

Weiterbildung

Bespielbare Städte und Gemeinden

Bespielbare Städte und Gemeinden

Früher verbrachten die Kinder noch viel mehr Zeit draussen. Dies ist auch auf die Tatsache zurückzuführen, dass heute weniger Freiräume vorhanden sind, in denen Kinder spielen können. Die neue Idee der «bespielbaren Stadt» möchte dieser Entwicklung entgegenwirken und den Kindern wieder mehr Freiraum bieten, um draussen zu spielen und zu lernen. Dies bringt nicht nur ihnen, sondern auch den Gemeinden und Städten zahlreiche Vorteile.

Eine Stadt, in der Kinder den öffentlichen Raum spielerisch mitgestalten und sich sicher bewegen können, bietet nicht nur Kindern, sondern auch Erwachsenen ein lebenswertes Umfeld. Die Idee der bespielbaren Städte und Gemeinden stammt aus der Soziokultur und integriert das Wissen rund um Raum- und Stadtplanung. Die Idee ist neu und wird von verschiedenen Akteur*innen im Bereich der Verkehrsplanung, Stadtentwicklung und Raumplanung vorangetrieben. Pro Juventute fungiert dabei als zentrale Kraft.

Der Grundgedanke hängt eng mit einer Wende hin zu fuss- und velofreundlichen Städten zusammen, die den Fokus auf die Steigerung der Aufenthaltsqualität im öffentlichen Raum legt. Wege, Strassen und kleine Plätze sind nicht mehr nur zum Durchqueren da, sondern sollen der Bevölkerung als Erholungsraum, Spielplatz oder Treffpunkt dienen. Durch die Umnutzung von Räumen entstehen so bespielbare Orte mit Aufenthaltsmöglichkeiten für Kinder und Erwachsene.

Vision der «Bespielbaren Stadt»

Die Vision «Bespielbare Stadt» oder «Bespielbare Gemeinde» von Pro Juventute lautet: Kinder sind mit ihrem Bedürfnis nach Spiel überall in die Stadtgestaltung einbezogen. Dafür soll die Stadt aus einem Netzwerk von Räumen, Strassen, gestalterischen und soziokulturellen Interventionen bestehen, die das Spiel als grundlegendes Bedürfnis ins Zentrum stellen. So etablieren sich über alle Generationen hinweg Möglichkeiten zur Nutzung, Aneignung und Mitwirkung im öffentlichen Raum.

Der Nutzen der Umnutzung

Die Idee der bespielbaren Städte und Gemeinden verfolgt das Ziel, öffentliche Räume so zu gestalten, dass Menschen zusammenkommen und sich bewegen können. Dabei ist es wichtig, dass alle gleichermassen mitwirken und teilhaben können. Das bringt für Gemeinden, Städte und deren Bewohner*innen verschiedene Vorteile:

  • Belebte Orte erhöhen die Attraktivität von Gemeinden und Städten
  • Sie haben einen positiven Einfluss auf die Entwicklung und Gesundheit von Kindern
  • Sie regen den Austausch in der Bevölkerung an

Um Städte und Gemeinden neu zu beleben und zu gestalten, sind kreative Ideen gefragt. Es ist wichtig, dass Kinder im täglichen Leben auf Strassen, in Parks, auf Plätzen und in anderen öffentlichen Räumen gleichwertig integriert werden. Dadurch wird eine lebenswerte Stadt geschaffen, die nicht nur kinderfreundlich ist, sondern auch einladende und sichere öffentliche Räume für alle Generationen bietet. Das erhöht die Attraktivität einer Gemeinde oder einer Stadt.

Damit sich Kinder gesund entwickeln können, brauchen sie die Möglichkeit, selbstständig zu spielen. Studien belegen, dass Kinder, die viel spielen, über stärkere soziale und kognitive Fähigkeiten sowie eine bessere körperliche Gesundheit verfügen. Loses Spielmaterial lädt zum Beispiel zur Interaktion ein und fördert die Kreativität. Zudem bedeutet eine unbeaufsichtigte Zeit für Kinder und Eltern weniger Stress. In öffentlichen Räumen braucht es daher gefahrenfreie Spielmöglichkeiten für Kinder.

Studie zu freiem und unbeaufsichtigtem Spielen für Kinder

Freies und unbeaufsichtigtes Spielen draussen ist von grosser Bedeutung für die Lebensqualität und Entwicklung von Kindern. Aus diesem Grund hat Pro Juventute eine Studie in Auftrag gegeben, um die Relevanz und die wichtigsten Voraussetzungen für das Spielen im Freien zu erforschen.

In den vergangenen Jahrzehnten haben sich die Lebens- und Entwicklungsbedingungen für Kinder drastisch verändert. Der Strassenverkehr ist stärker geworden, das Bauen verdichtet und eine überhöhte Sicherheitskultur herrscht vor. Dadurch wurden die Freiräume für Kinder immer weniger und die Freizeit geht im eng durchgetakteten Wochenplan zunehmend verloren. Während sich Kinder und Jugendliche vor 50 Jahren im Schnitt pro Tag über drei Stunden draussen bewegten, beträgt die Zeit heute nur noch 47 Minuten, von denen 29 Minuten selbstständig und ohne Aufsicht sind.

Die Qualität des Aktionsraums draussen ist für das freie Spielen von entscheidender Bedeutung. Die Einschätzungen der Eltern über die Bedingungen im Wohnumfeld sind dabei sehr wichtig. Je positiver die Eltern das Wohnumfeld einschätzen, desto länger spielen Kinder ohne Aufsicht draussen.

Indikatoren für ein gutes, kinderfreundliches Wohnumfeld sind (Aktionsraumqualität):

  • Gefahrenfrei: Kinder sind in der Lage, Gefahren zu erkennen und damit umzugehen.
  • Zugänglich: Spielorte müssen leicht zu erreichen sein und nicht zu weit entfernt liegen.
  • Gestaltbar: Kinder sollten die Möglichkeit haben, Räume zu verändern und ihre eigene Kreativität einzubringen.
  • Interaktion: Es gibt die Möglichkeit, sich mit anderen Kindern auszutauschen.

Begegnungsräume bieten Menschen verschiedenster Altersgruppen, Herkunft und Interessen die Chance, sich auszutauschen. Auf diese Weise kann ein Verständnis für unterschiedliche Meinungen und Lebensweisen gefördert werden, was eine positive Wirkung auf die Beziehungen innerhalb der Gemeinschaft hat. Darüber hinaus bieten Begegnungsräume eine Möglichkeit, neue Ideen und Initiativen zu entwickeln und zu teilen.

Wie sieht ein bespielbarer Ort aus?

Statt durch Hindernisse und parkierte Autos sind bespielbare Orte durch Anreize zum Verweilen, Interagieren und Machen gekennzeichnet. Bespielbare Räume sollten veränderbar und flexibel sein, damit sie ihren Zweck erfüllen. Dies kann sich zum Beispiel in Tischkickern auf einem kleinen Platz, Spielmaterialien in einer Kiste oder flexibel einsetzbaren Möbeln und Gegenständen äussern. Bespielbare Räume sollen Kinder und Erwachsene dazu einladen, sie auf eigene Weise zu gestalten und zu nutzen.

Der Ansermetplatz in Bern war früher ein leerer, ungenutzter Ort. Doch nun hat man ihn mit Pflanzen, Sitzmöglichkeiten, einem Pool und Spielen ausgestattet, sodass er zum Verweilen einlädt. Dadurch hat er sich zu einem beliebten Treffpunkt im Quartier entwickelt. Interessant ist, dass die dort umgesetzten «Mikromassnahmen» auch Auswirkungen auf die gemessene Temperatur und somit auf die Aufenthaltsqualität haben.

Gemeinden und Städte sind in der Pflicht

Um die Qualität von Spielräumen zu verbessern, müssen Gemeinden überlegen, wie sie attraktive Spielräume schaffen können. Die aktuellen planungs- und baurechtlichen Vorgaben führen in vielen Fällen zu unbefriedigenden Ergebnissen. Daher ist es notwendig, den Blick auf die Raumplanung zu ändern: Kindgerechte Spielräume sind kein Luxus, sondern eine Verpflichtung. Es ist wichtig, dass Spielräume fachkompetent und partizipativ entwickelt werden, unter Einbezug der Kinder.

Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung

Interessieren Sie sich für weitere Veranstaltungen und Weiterbildungen zur Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung?

Von Roger Ettlin
Bild: Adobe Stock
Veröffentlicht: 3. April 2023

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.