Betreuung von Geflüchteten: Schulung für Quereinsteigende

Angesichts des Fachkräftemangels in der Sozialpädagogik entwickelte die Hochschule Luzern gemeinsam mit der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen des Kantons Luzern eine Schulung für Betreuungspersonen unbegleiteter minderjähriger Asylsuchender. Das im Herbst 2023 erfolgreich umgesetzte Pilotprojekt zielte darauf ab, praxisorientiertes Wissen zu vermitteln und den Kompetenzaufbau im Alltag zu unterstützen.

Im Sommer 2023 wurde die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit von der Dienststelle Asyl- und Flüchtlingswesen des Kantons Luzern kontaktiert. Es bestehe ein grosser Bedarf an einer massgeschneiderten Schulung für Personen, welche unbegleitete Minderjährige (MNA – mineurs non accomapgnés) begleiten, jedoch nicht über eine Ausbildung in Sozialpädagogik verfügen. Gemeinsam haben wir ein Angebot konzipiert und im Herbst 2023 ein erstes Mal erfolgreich umgesetzt.

«Sozialpädagogisches Know-How» für Betreuungspersonen von Kindern und Jugendlichen im Fluchtbereich

Die fachliche Betreuung und Begleitung von Kindern und Jugendlichen mit Fluchterfahrungen geht mit verschiedenen Herausforderungen einher. Einerseits steigen die Zahlen der zu betreuenden Asylsuchenden, insbesondere von unbegleiteten minderjährigen Geflüchteten. Unbegleitete Minderjährige reisen alleine in die Schweiz, ohne Eltern und andere erwachsene Person, der die elterlichen Verpflichtungen übertragen worden sind. Diese jungen Menschen, die ohne familiäre Bindung in der Schweiz Schutz suchen, haben aufgrund ihres Alters, ihres Entwicklungs- und Bildungsstands und ihrer Verletzlichkeit besondere Bedürfnisse (Mörgen/Rieker 2021; Rieker et al. 2020).

Andererseits sehen wir uns in der Schweiz mit einem Fachkräftemangel und mit zu wenig ausgebildeten Sozialpädagog:innen konfrontiert. In diesem Zusammenhang werden neben ausgebildeten Fachkräften auch Quereinsteigende ohne sozialpädagogische Ausbildung für offene Stellen gesucht und eingestellt. Ziel des neuen Angebots war die Vermittlung von «Sozialpädagogisches Know-How» und den Kompetenzaufbau im Alltag zu unterstützen. Bei diesem Angebot handelt sich nicht um eine Ausbildung, sondern um eine fachliche Unterstützung für die Bewältigung des anspruchsvollen Alltags.

Wie sieht das Angebot konkret aus?

Das Konzept beinhaltet vier halbtägige Workshops, in denen ausgewählte Inhalte des sozialpädagogischen und interkulturellen Handelns praxisorientiert aufbereitet und vermittelt werden, so dass ein Kompetenzaufbau stattfinden kann. Zwischen den Workshops finden begleitete Intervisionen statt, welche den Kompetenzaufbau im Alltag reflektieren und vertiefen.

Inhaltlich fokussiert das Angebot auf:

• Fragen zu Nähe und Distanz in der Beziehungsarbeit
• Traumatisierung und herausfordernde Verhaltensweisen
• Die Erarbeitung einer interkulturellen Konfliktkompetenz in der Migrationsgesellschaft
• Den Bedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen

Durch die Vermittlung von fachlichem Wissen und der gemeinsamen Reflexion auch herausfordernder Themen wird an ethischen Haltungsfragen gearbeitet, und es wird ein «Hinschauen ohne Wertung» geübt.

Feedbacks zum Angebot – Herausforderungen und Gelingensbedingungen

Das Angebot wurde von allen Teilnehmenden als sehr positiv bewertet. Die Kombination von theoretisch fundierten Inputs und Praxisbeispielen hat sich bewährt. Es ist sehr gut angekommen, dass der aktuelle Stand der Wissenschaft vermittelt wurde, generelles Bewusstsein für Themen geschärft werden konnte und eine gemeinsame Reflexion zu schwierigen Themen wie Traumata oder Vernachlässigung stattfand. Auch die Kombination von Workshops und Intervision wird als gut und hilfreich bewertet.

Am Angebot haben zwei Teams aus zwei Unterbringungssetting teilgenommen. Die Lerngruppen waren dadurch sehr heterogen, denn es waren Leitungspersonen, Mitarbeitende mit Ausbildung und Mitarbeitende ohne Ausbildung im Sozialbereich beteiligt. «Diese Mischung ist anspruchsvoll, aber unterstützt die Implementierung im Alltag», so das Feedback einer Leitungsperson. Für einige waren die Inhalte Wiederholung, für andere sehr neu und sehr hochstehend. Die Teilnehmenden haben es als Bereicherung erlebt, dass Mitarbeitenden von zwei Organisationen gemischt arbeiten konnten, und damit auch ein Austausch und eine Vernetzung stattfinden konnte. Positiv hervorgehoben wurde, dass multiperspektivische voneinander und miteinander Lernen in einem offenen Lernklima.

Die Teams erlebten die Workshops und Intervisionen als ausserordentlich hilfreich. Insbesondere dass sich das ganze Team für den fachlichen Austausch Zeit nehmen konnte und gemeinsam hinsichtlich relevanter Themen in der Begleitung von minderjährigen Asylsuchenden sensibilisiert wurde. Es konnte an Haltungsfragen gearbeitet werden und es gelang Ruhe ins System einfliessen zu lassen. Gesamthaft betrachtet war die Pilotdurchführung erfolgreich und kann von den Beteiligten vorbehaltlos weiterempfohlen werden.

Von: Pia Gabriel-Schärer, Sven Huber & Rebecca Mörgen
Bild: Gettyimages
Veröffentlicht: 2. Juli 2024