Was haben Brückenbau und Soziokultur gemeinsam? Als ehemaliger Bauingenieur denke ich bei diesen Stichworten spontan an Toni Rüttimann. Toni «el suizo» – wie er in Südamerika genannt wird, baut gemeinsam mit den Menschen vor Ort Brücken. Und dies nicht im bildhaften Sinn! Nein, er baut weit gespannte Hängeseilbrücken aus gebrauchtem und gespendetem Material. Mehrere hundert Brücken sind es nun schon. Sie stehen in Südamerika und Asien. Unter Bauingenieuren gilt er als leuchtendes Vorbild – sonst scheint ihn in der Schweiz kaum jemand zu kennen. Dies mag daran liegen, dass Toni Rüttimann selbst keinen Internetauftritt unterhält. Einen Eindruck seiner Arbeit vermittelt jedoch ein Artikel in der NZZ vom 15.11.2010 und eine Unterstützer-Website, auf der auch die Newsletter von Toni Rüttimann veröffentlicht sind.
Toni arbeitet nach soziokulturellen Grundsätzen –vermutlich ohne, dass er selbst dies so bezeichnen würde. Er bietet Brücken an und unterstützt die lokale Bevölkerung dabei, diese vor Ort selbst aufzubauen. Er vermittelt zwischen Regierungsstellen und lokalen Akteurinnen/Akteuren. Zudem sorgt er für das Material, das vollumfänglich gespendet wird. So erhalten ausrangierte Seilbahnseile aus der Schweiz in einer abgelegenen Gegend der Welt ein zweites Leben als Tragseile einer Hängebrücke.
Soziokulturelles Animation bedeutet aber auch, den lebensweltlichen Kontext vor Ort zu verstehen [1]. Über viele Jahre hat Toni gemeinsam mit lokalen Kontaktpersonen ein ausgeklügeltes System entwickelt, nach dem die Brücken in Handarbeit von der lokalen Bevölkerung aufgebaut werden. Dafür muss eine Dorfgemeinschaft den Entscheid zur Erstellung der Brücke treffen und sich für den bevorstehenden Bau organisieren: Beispielsweise den Transport des Materials und den Zement für die Fundamente selbst finanzieren sowie alle Vorbereitungs- und Montagearbeiten – unter Anleitung – selbst ausführen. Der Gewinn ist eine enorme Erleichterung des Alltags, waren diese Dörfer doch bisher nur durch Boote mit der Schule, dem Markt in der nächsten Stadt, der Gesundheitsversorgung oder mit ihren Feldern auf der anderen Flussseite verbunden.
Tonis Brücken sind ein schönes Symbol für Soziokultur, geht es doch darum, gemeinsam mit den betroffenen Menschen Lösungen für ihre Bedürfnisse zu entwickeln und – sei es in der Nachbarschaft, einem Quartier oder in einer Gemeinde – Brücken zwischen unterschiedlichen Gruppen zu bauen. Dies stärkt die einzelnen Menschen und die Gemeinschaft.
Bildquelle: Seilbahnen Schweiz
Weitere Informationen:
[1] Studienprojekt in Afrika: Zwei Soziokulturelle Animatoren in spe erforschten das Projekt «Earthships» und versuchen den lebensweltlichen Kontext vor Ort zu verstehen
Bildergalerie «El Suizo – The Bridge Builder» von Fotograf Dan Van Der Zwalm
von: Tom Steiner
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