Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung,
In den letzten Jahren haben Massenkündigungen von Mietverhältnissen innerhalb ganzer Siedlungen zugenommen. Grundeigentümer:innen wollen neue Gebäude bauen oder bestehende umfassend sanieren und anschliessend die Miete erhöhen. Diese Massenkündigungen haben schwerwiegende Auswirkungen für die Mieter:innen und ihre Wohnsituationen. Es braucht solidarische Massnahmen, um die Rechte der Mieterinnen und Mieter zu schützen und um die Wohnraumversorgung zu sichern.
Mit der Revision des Raumplanungsgesetzes im Jahr 2014 soll die Zersiedelung in der Schweiz gestoppt werden. Eine Massnahme ist die soziale und bauliche Verdichtung, die sogenannte «Innenentwicklung». Diese Innenentwicklung ist jedoch ein brisantes Thema. Denn in den letzten Jahren hat sich gezeigt, wie dieses raumplanerische und politische Ziel mit renditeorientierten Aufwertungspraktiken von institutionellen Investor:innen vermischt wird. Die massive Praxis von «Leerkündigungen», dass also Mieter:innen ganzer Siedlungen gleichzeitig gekündigt wird, veranschaulicht dies. Das führt oft zur direkten Verdrängung von Mieter:innen aus ihren Wohnungen und Stadtvierteln.
Die Erfahrungen betroffener Mieter:innen
In einer qualitativen Studie zur Innenentwicklung und Verdrängung gewähren betroffene Mieter und Mieterinnen Einblicke in ihre Erfahrungen und Gefühle über den Verlust ihrer Wohnung. Häufig ahnen sie bereits, dass ihr Wohnraum in Gefahr ist. Sie erkennen, dass es nicht unbedingt um die Sanierung der Wohnungen geht, sondern vielmehr um die Renditeorientierung der Vermieter:innen. Besonders dann, wenn grosse institutionelle Investor:innen im Spiel sind.
Der Augenblick der Wohnungskündigung wird als Gewaltakt empfunden. Die plötzliche Konfrontation mit dem Verlust der Wohnung löst Gefühle der Verletzlichkeit aus. Die Mieter:innen fühlen sich wie eine «blutte [nackte] Schnecke», der das Häuschen weggerissen wird. Es fällt schwer zu glauben, dass die Realität tatsächlich eintritt.
Eine Kündigung bedeutet für die Betroffenen eine innere Erschütterung. Der Moment des Lesens des Kündigungsschreibens ist geprägt von Schock und Ohnmacht. Die Mieter:innen können kaum fassen, dass sie ihr Zuhause verlassen müssen. Die bevorstehende Veränderung erscheint wie ein unüberwindbarer Berg.
Der Kampf gegen Entmietung und Verdrängung
Der Kampf gegen Entmietung und Verdrängung erfordert eine enge Zusammenarbeit zwischen Mieter:innen, Organisationen und politischen Entscheidungsträger:innen. Nur durch gemeinsame Anstrengungen entstehen nachhaltige Veränderungen für bezahlbaren und sicheren Wohnraum für alle Menschen. Um die Rechte von Mieterinnen und Mietern bei Massenkündigungen zu schützen, haben sich Initiativen und Organisationen gebildet. Der Verein Urban Equipe oder das Mieter:innen-Büro hören Betroffenen zu und setzen sich für sozialverträgliche Lösungen ein.
Gemeinsam kann eine gerechtere Wohnraumversorgung für alle erreichet werden. Die Erfahrungen der Mieter:innen müssen gehört und in politische Entscheidungen und Planungen einbezogen werden. Es ist an der Zeit, den Wohnungsverlust der Mieter:innen ernst zu nehmen und aktiv wohnpolitische Massnahmen und Steuerungen zu ergreifen, um ihre Rechte zu schützen und eine sozial gerechte Stadtentwicklung zu fördern.
👉 Lesetipp: «Entmietet und verdrängt: Wie Mieter:innen ihren Wohnungsverlust erleben»
Die qualitative Studie liefert vielschichtige Einblicke in die Lebensrealität verdrängter Mieter:innen. Im Mittelpunkt stehen die Perspektiven Betroffener und deren Umgang mit dem (drohenden) Wohnungsverlust.
Das Erleben direkter Verdrängung liefert wichtige Hinweise für wohnungspolitische und sozialarbeiterische Initiativen.
👉 Das Buch ist hier erhältlich.
Weiterbildung: CAS Gemeinde- und Stadtentwicklung im Wandel
Im CAS Gemeinde- und Stadtentwicklung im Wandel werden mit dem Fokus auf die kommunale Handlungsebene theoretische Ansätze sowie praxisorientierte Grundlagen vermittelt. Innenentwicklung, Verdichtung oder Umnutzung sind dabei ebenso zentrale Themen wie der Umgang mit Diversity. Erlernt werden zudem Grundlagen und Methoden von Partizipation und Kooperation im Rahmen integraler, prozessorientierter Ansätze.
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Von: Miriam Meuth, Roger Ettlin
Bilder: Adobe Stock
Veröffentlicht: 7. Juni 2023, aktualisiert am 17. Januar 2024
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