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Fünf Fragen an: Martin Neuenschwander

Fünf Fragen an: Martin Neuenschwander

Martin Neuenschwander hat Ingenieurwissenschaften und danach Psychologie und Soziologie studiert. Er hat im psychiatrischen Umfeld gearbeitet und sich in der Folge einen Namen in der Prävention und Gesundheitsförderung gemacht. Seinen breiten Rucksack an Erfahrungen hat Martin Neuenschwander zuletzt als Dozent an der Hochschule Luzern weitergegeben. Nun geht er in den wohlverdienten Ruhestand.

1. Lieber Martin, weshalb bist du in deiner letzten beruflichen Station zur Hochschule Luzern gekommen?

Im Alter von 57 Jahren kam ich vergleichsweise spät an die Hochschule Luzern. Die Hauptmotivation bestand darin, mein Wissen jungen Menschen weiterzugeben, die sich in der Aus- und Weiterbildungsphase befinden. Es ging mir gewissermassen darum, meine biographisch-berufliche Erfahrung zu teilen. Vor der Festanstellung an der HSLU war ich bereits seit einigen Jahren als nebenamtlicher Dozent und Projektcoach an der Hochschule für Angewandte Psychologie an der FHNW tätig. Das hat mir immer Spass gemacht und ich wollte die Dozententätigkeit im Hochschulkontext zu meinem Hauptberuf machen.

2. Du hast dich mit der Betrieblichen Gesundheitsförderung beschäftigt: Wie kam es dazu?

Nach dem Studium der Ingenieurwissenschaften an der ETH entschied ich mich später für ein Zweitstudium in Psychologie und Soziologie an der Uni Zürich. Ich war einige Jahre als wissenschaftlicher Psychologe in der Forschung an der Psychiatrischen Uniklinik Zürich tätig. Aus psychologischer Sicht ist die Psychiatrie ein spannendes, aber gleichzeitig auch enges Fachgebiet. Im Rahmen meiner Promotion vertiefte ich mich in Gesundheitspsychologie und ich wollte fachlich wieder stärker in die Breite gehen. Mit den Anwendungsfeldern Prävention und Gesundheitsförderung inkl. betriebliche Gesundheit eröffneten sich mir Themenfelder, die für einen Grossteil der Bevölkerung in verschiedenen Settings hochrelevant sind.

3. Welche Fortschritte hat die Betriebliche Gesundheitsförderung und das Betriebliche Gesundheitsmanagement (BGM) gemacht und welche Veränderungen sind erforderlich?

Ich sehe aktuell drei Hotspots im breiten Themenfeld der Betrieblichen Gesundheit: Zum einen eine Bedeutungszunahme der psychischen Gesundheit, zum anderen interessante Transformationsprozesse bei Führungsthemen und als drittes ein neuer Fokus auf die Betriebliche Gesundheit auch in kleinen und mittleren KMUs.

In unseren westlichen Wissensgesellschaften findet seit längerer Zeit ein Wechsel statt weg von der Körperarbeit hin zur Kopfarbeit. New Work ist das Schlagwort dazu. Die Hauptbelastungen bestehen in diesem Zusammenhang für die Mehrheit der Berufstätigen aus psychischen Faktoren. Dazu zählen eine ungebremste Zunahme der arbeitsbezogenen Komplexität und Flexibilisierung gekoppelt mit Beschleunigungsprozessen und deren Folgen wie die Abgrenzung zwischen Berufs- und Privatleben. Eine Vielzahl von Studien zu Arbeitsbedingungen und digitalisierungsbedingten Change-Prozessen belegen die Relevanz der psychischen Gesundheit.

Positive Leadership gewinnt in der modernen Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung. Es handelt sich dabei um ein Führungsverständnis, das in der positiven Psychologie verankert ist und auf Vertrauen und Selbstorganisation baut. Ich sehe darin sowohl für die Führungspersonen selber als auch für ihre Mitarbeitenden eine grosse Chance.

Die Betriebliche Gesundheit kam zuerst in Konzernen und später auch in grösseren Verwaltungsbetrieben sowie Bildungsinstitutionen auf den Radar. Das hatte natürlich mit verfügbaren Ressourcen zu tun. Neu startet Gesundheitsförderung Schweiz eine Initiative, die explizit auf mittlere und kleine Betriebe ausgerichtet ist. Letztlich geht es darum, dass alle Berufstätige unabhängig von der Betriebsgrösse von guten Arbeitsbedingungen profitieren, um motiviert, leistungsfähig und gesund zu bleiben.

4. Warum braucht es Soziale Innovation? Und wie kann sie gefördert werden?

Unsere Welt wird immer komplexer und wird nun zunehmend auch als komplex wahrgenommen. Um den entsprechenden Herausforderungen gerecht zu werden, benötigen wir innovative Antworten auf die Herausforderungen von Megatrends wie Digitalisierung, New Work, Energiewende oder demographischer Wandel. Dabei spielen unterschiedliche fachliche Perspektiven – also Interdisziplinarität – und speziell immer auch soziale Aspekte eine wichtige Rolle.

Im Rahmen von zwei ISA-Modulen ergaben sich immer wieder spannende Möglichkeiten, um mit Bachelor-Studierenden aus allen Departementen ganz konkret soziale Innovationsprojekte zu realisieren. Zum Beispiel Lösungsvorschläge zu erarbeiten, wie die Photovoltaik in Mehrfamilienhäusern gefördert werden kann oder was für Massnahmen sich eignen, um den kleinen Detailhandel in Innenstädten zu erhalten und zu fördern.

Ich erachtete es immer als grosse Chance, dass Studierende bereits während ihres Bachelor-Studiums Erfahrungen mit einer auf Agilität, Interdisziplinarität und Teamarbeit ausgerichtete Lern- und Arbeitsweise sammeln können. Durch den direkten Kontakt mit Unternehmen aus der Praxis, wie zum Beispiel dem Energiekonzern CKW oder dem Transportunternehmen Planzer, können sie wertvolle Erfahrungen für ihr weiteres Studium und spätere Berufstätigkeit gewinnen.

5. Wie planst du deine neu gewonnene Zeit zu nutzen?

Ich freue mich sehr, ins «Reich der Freiheit» einzutauchen. Dabei stehen für mich verschiedene Projekte im privaten und freiberuflichen Bereich auf dem Programm. Im Büchergestell warten diverse spannende Bücher auf mich mit Berührungspunkten zu meiner früheren Auseinandersetzung mit psychologischen, anthropologischen und philosophischen Themen. So möchte ich  zum Beispiel die Psychologie und Evolution der Religionen besser verstehen.

Zudem will ich mich weiterhin engagieren für die Betriebliche Gesundheit und dabei insbesondere kleinere und mittlere KMUs unterstützen bei der Planung und Umsetzung von BGM-Massnahmen.

Als erstes möchte ich aber erst mal «herunterfahren» und den Kopf frei bekommen für Neues. Dazu plane ich im Sommer eine längere Töfftour nach Skandinavien mit einem Abstecher auch ans Nordkap.

Martin Neuenschwander HSLU

Dr. Martin Neuenschwander

Martin Neuenschwander war von 2016 bis 2023 Dozent und Projektleiter an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Er leitete im Bachelor unter anderem zwei ISA-Module zu Design Thinking und Sozialer Innovation. In der Weiterbildung war er zuständig für Angebote im Bereich der Betrieblichen Gesundheitsförderung und des Betrieblichen Gesundheitsmanagements.

CAS Gesundheitsförderung und BGM in Organisationen

Aufgrund der sich verändernden gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und demografischen Rahmenbedingungen gewinnt die Förderung der psychischen und physischen Gesundheit von Mitarbeitenden an Bedeutung. Im Rahmen des CASProgramms werden Teilnehmenden Strategien vorgestellt, wie sie wichtige Einflussfaktoren auf die Gesundheit in ihrer Organisation identifizieren und systematisch gesundheitsförderliche Massnahmen planen und umsetzen können. Dabei werden zahlreiche Praxisbeispiele vermittelt.

Weiterbildungen Prävention und Gesundheit

Die Weiterbildungen in Prävention und Gesundheitsmanagement sind theoretisch fundiert, praxisbezogen und handlungsorientiert.

CAS Arbeit und Gesundheit / Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz: Gesundheitliche Belastungen am Arbeitsplatz erkennen und einschätzen

CAS Prävention und Gesundheitsförderung: Grundlagen Fundierte theoretische und empirische Grundlagen

MAS Betriebliches Gesundheitsmanagement: in Organisationen konzeptualisieren, einführen, betreiben und weiterentwickeln

Von Roger Ettlin
Veröffentlicht: 27. März 2023

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