Soziokultur

Gemeinsam sind auch viele Kleine gross – Auf zu neuen Ufern und einer politischen Soziokulturellen Animation?!

Gemeinsam sind auch viele Kleine gross – Auf zu neuen Ufern und einer politischen Soziokulturellen Animation?!

Das erste Mal bin ich auf die «Sardinen» aufmerksam geworden, als ich Mitte Dezember in der Zeitung ein Bild von einem jungen Menschen sah, der sich einen selbst gebastelten, mit Alufolie überzogenen Kartonfisch über den Kopf hielt. Der Fisch war farbig bunt angemalt und das ganze Bild sah witzig, improvisiert, kreativ und ästhetisch aus. Später habe ich darüber gelesen, worum es den «Sardinen» respektive der Sardinenbewegung geht: Um den rechtsradikalen und hetzerischen Versammlungen um Roberto Salvini und Konsorten etwas entgegenzusetzen, versammeln sich die «Sardinen» ebenfalls auf den öffentlichen Plätzen Italiens. Aber sie tun dies mit einer radikal anderen Botschaft: Zugehörigkeit statt Ausgrenzung, Toleranz statt Hass, Humor statt Fratze, Diskurs statt Proklamation, Flüstern statt Schreien. Nicht Machtsymbole, Lautsprecher und grosse Bühnen prägen ihre Versammlungen, sondern leise Töne, Kreativität und Humor. Und die Botschaft lautet: wir sind viele.

Das Symbol der Sardine ist sehr gut gewählt, finde ich. Sardinen sind irgendwie sympathische Fische, weil sie sich selbst nicht allzu wichtig zu nehmen scheinen. Sie sind klein und eher unscheinbar, aber doch wohlgeformt und perfekt an ihre Umgebung angepasst. Und, natürlich: sie treten als Schwarm auf. In der Masse der Gleichen liegen ihr Schutz und ihre Stärke. Allein können sie wenig ausrichten, zusammen sind sie fast unschlagbar.

Es ist interessant zu sehen, wie die etablierte Politik auch heute noch Mühe hat mit echten sozialen Bewegungen. Und es stimmt – bedauerlicherweise – auch, dass bisher jede soziale Bewegung mit dem «Marsch durch die Institutionen» oder mit ihrer Etablierung als ins System eingebunden politische Stimme einiges von ihrer Farbigkeit, ihrer Beweglichkeit und ihrer inneren Gleichberechtigung und Demokratie verloren hat. Neue Governance verlangt nach neuen Diskursen und Beteiligungsmöglichkeiten – und diese sind noch nicht gefunden und sind vielleicht auch nicht dauerhaft festzumachen, sondern immer wieder neu zu entwickeln. Meiner Meinung nach müsste die Soziokulturelle Animation (SKA) politischer werden und ihre methodischen partizipationsfördernden Ansätze besser bekannt machen. Schon die vier Interventionspositionen der Soziokulturellen Animation bieten sich an für eine vorwärtsgewandte, konfliktüberwindende Politik des besseren Argumentes. Die Animationsposition steht beispielsweise für das Ansprechen und Einbinden von Personen und Meinungen, welche nicht dem Mainstream entsprechen und eventuell Schwierigkeiten haben, sich zu äussern – was nicht bedeutet, dass sie nichts zu sagen hätten. Es sind die so genannten Schwer-Erreichbaren. In der Organisations- und Konzeptposition kann die Soziokulturelle Animation etwa Ideen in ein Projekt oder eine Aktion übersetzen und auch einen Plan für die Verbindung zwischen verschiedenen Aktivitäten liefern. Und in der Vermittlungsposition schliesslich kann die Soziokulturelle Animation als Übersetzerin zwischen unterschiedlichen Gruppen und Personen fungieren, welche verschiedene politische Skalen vertreten.


von: Simone Gretler Heusser

Kommentare

1 Kommentare

Claudia Michel

Die Sardinenbewegung ist ein tolles Beispiel für eine soziale Bewegung, die sich nicht fassen lässt, die schwer einzuordnen ist, die sich vielleicht nicht institutionalisieren wird und die trotzdem ein starkes, kollektives Zeichen gegen die aktuell dominante Politik Italiens ist.

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