Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung,

Forschung

Hohe Baukultur in Gemeinden und Städten – davon profitieren alle

Hohe Baukultur in Gemeinden und Städten – davon profitieren alle

In manchen Gemeinden und Städten leben die Menschen einfach gern. Das liegt unter anderem an der hohen Baukultur. Was ist das eigentlich? Zwei Forscherinnen der Sozialen Arbeit haben Gemeinden analysiert, die mit dem Wakkerpreis ausgezeichnet worden sind – dem Preis des Schweizer Heimatschutzes für besonders gelungene Ortschaften. Ihr neuer Leitfaden zeigt Gemeinden und Städten Wege auf, sich im Sinne hoher Baukultur und damit in ihrer Lebensqualität weiterzuentwickeln.

«Baukultur, da denkt man an schöne Häuser. Dabei ist es doch viel mehr. Es geht darum, wie wir leben», sagt Alexa Bodammer. Und damit trifft es die Forscherin und Expertin für sozialräumliche Entwicklung auf den Punkt. Dörfer, Quartiere und Städte sind Lebensräume. In diesen wohnen und arbeiten wir, bewegen und erholen wir uns und treffen andere Menschen. Je nachdem wie attraktiv die Orte sind, zieht es uns dorthin oder nicht. Ihre Gestaltung prägt also unseren Alltag und unser Wohlbefinden.

«Baukultur ist kein Nischenthema. Sie sollte auf alle Herausforderungen unserer Zeit ausgerichtet sein und muss daher in der Politik präsenter werden.»

A. Bodammer und C. Näther

Das Bundesamt für Kultur (BAK) geht in seiner Definition von Baukultur sogar noch weiter: «Qualitätsvolle Orte tragen zu Gesundheit und Wohlbefinden der Menschen und zu einer demokratischen, solidarischen Gesellschaft bei.» Dass Baukultur in vielerlei Hinsicht einen positiven Einfluss auf die Attraktivität eines Standortes hat, bestätigen auch die zahlreichen Wakkerpreis-Gemeinden, die Alexa Bodammer und ihre Kollegin Caroline Näther analysiert haben. Was genau haben diese Orte richtig gemacht? Welche Grundsätze sind zu beachten, was können die einzelnen Akteurinnen und Akteure bewirken und wie bringt man unterschiedliche Interessen unter einen Hut? Die Forscherinnen haben anhand ihrer Erkenntnisse einen Leitfaden für hohe Baukultur entwickelt. Nachstehend eine Auswahl an Faktoren, die zum Gelingen beitragen.

1. Gemeinsame Lösungen bringen mehr
Räumliche Qualität zu schaffen ist eine Gemeinschaftsaufgabe. Das heisst, ein partizipatives Vorgehen, das die Entwicklung von gemeinsamen Lösungen systematisch fördert, bewährt sich. Wenn man den unterschiedlichen Anspruchsgruppen – Immobilienbesitzerinnen und Quartierbewohner, Gemeinderätinnen und Planungsexperten, Fachpersonen und Laien – die Möglichkeit gibt, auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten, entstehen besonders tragfähige Lösungen. Denn alle eint das gemeinsame Interesse am Ort. Dazu entsteht so auch mehr Wissen, denn gerade Ortskundige bringen Inputs ein, die man aus der Ferne schnell mal übersieht.  

Im Leitfaden steht folglich: «Hohe Baukultur ist nicht nur das Ergebnis eines Fachdiskurses, sondern bedarf der Zusammenarbeit mit allen relevanten, mitunter sehr unterschiedlichen, Anspruchsgruppen.»

Handlungsprinzipien von hoher Baukultur schematisch abgebildet
Vier grundlegende Prinzipien liegen dem Leitfaden zugrunde., Politik, Kompetenz, Kohärenz und Kommunikation.
Alle Akteure (Planer, Behörden, Politik, Gesellschaft) von Baukultur abgebildet
Ob Alt oder Jung, ob Laie oder Expertin: Ganz viele können zur Baukultur beitragen.
Handlungsprinzipien von hoher Baukultur schematisch abgebildet
Vier grundlegende Prinzipien liegen dem Leitfaden zugrunde., Politik, Kompetenz, Kohärenz und Kommunikation.
Alle Akteure (Planer, Behörden, Politik, Gesellschaft) von Baukultur abgebildet
Ob Alt oder Jung, ob Laie oder Expertin: Ganz viele können zur Baukultur beitragen.

«Hohe Baukultur ist nicht nur das Ergebnis eines Fachdiskurses. Sie entsteht erst in der Zusammenarbeit von Verwaltung, Politik, Fachwelt und Bevölkerung.»

A. Bodammer und C. Näther

2. Aktive Bodenpolitik ist zentral
Baukultur ist kein Nischenthema, sondern eine transversale Aufgabe, die auf die wichtigen Herausforderungen unserer Zeit – den Klimawandel – ausgerichtet sein sollte. Entsprechend muss sie in der Politik präsenter werden. Eine besonders grosse Hebelwirkung erreicht eine Gemeinde, indem sie aktive Bodenpolitik betreibt. Als Eigentümerin von eigenen Liegenschaften kann sie die Zukunft direkt mitgestalten.

Mit Landkäufen kann sie den Einfluss des öffentlichen Interesses erhöhen und Gebiete für gemeinschaftliche Zwecke wie Schulen, Kitas, bezahlbaren Wohnraum sowie Freizeit- und Grünanlagen sichern. Wichtig ist dabei, eine langfristige Strategie zu haben, aktiv zu werden und die Entwicklung nicht dem Zufall oder Partikularinteressen zu überlassen.

Aus dem Leitfaden: «Insbesondere in Zusammenhang mit der Innenentwicklung und den Herausforderungen des Klimawandels ist es erforderlich, dass Frei- und Grünraume ausgebaut, gesichert und aufgewertet werden. Eine qualitätsvolle Planung des Siedlungsraums versteht den Freiraum als Ausgangspunkt und integralen Teil von Baubewilligungsprozessen, und nicht als Restfläche.»

«Freiräume und Erholungszonen sollen als Ausgangspunkt, nicht als Restfläche betrachtet werden.»

A. Bodammer und C. Näther

3. Bei Strassen nicht nur auf Mobilität setzen
Ebenso wird im Leitfaden beschrieben, dass die Strassen den Orten ein Gesicht verleihen. Woran man gemeinhin aber nicht denkt: Strassen dienen nicht nur der Mobilität. In diesem Teil des öffentlichen Raums überlagern sich verschiedene Nutzungen. Dazu gehören auch die Bereiche Gewerbe und Aufenthalt. Wenn man Monofunktionalität vermeidet und die Verkehrsführung so konzipiert, dass Begegnungsräume entstehen, bereichert und belebt dies die Gemeinden.

«Strassen wurden lange Zeit technisch betrachtet und nicht als Freiräume für die Menschen erkannt.»

A. Bodammer und C. Näther

So betonen Bodammer und Näther: «Strassen wurden lange Zeit technisch betrachtet und nicht als Freiräume für die Menschen erkannt. Vor allem kann die Umstrukturierung des Verkehrs (…) einen ‹Lebensraum Strasse› mit Mehrwert für alle schaffen.» Es gilt also, keine guten Orte zu verschenken!

Viele bewährte und innovative Empfehlungen
Wie an diesen Beispielen erkennbar ist, enthält der Leitfaden diverse bewährte und innovative Handlungsempfehlungen. Alle beruhen auf den Erkenntnissen der Fachwelt sowie auf den Erfahrungen vieler Gemeinden. Dazu werden alle Akteursgruppen detailliert beschrieben. Mit anderen Worten: Es finden sich darin unzählige Anregungen, die den Weg zur guten Baukultur ebnen und somit zu Orten von hoher Lebensqualität.

Zur Studie
Das Forschungsprojekt «Bedingungen für hohe Baukultur» wurde unterstützt durch das Bundesamt für Kultur, den Schweizer Heimatschutz und den Interdisziplinären Themencluster Raum & Gesellschaft der Hochschule Luzern. Im Rahmen des Projekts wurde eine Umfrage unter 39 mit dem Wakkerpreis ausgezeichneten Gemeinden durchgeführt. Ziel der Umfrage war es, Einblicke in die Rolle der Gemeinden und die Praxis der Herstellung hoher Baukultur zu erhalten und daraus Erkenntnisse für andere Gemeinden abzuleiten. Hier mehr erfahren.

Der Leitfaden «Gemeinden bauen – Bedingungen für hohe Baukultur» kann über den interact Verlag sowohl als Druckexemplar als auch online bezogen werden.

Nationale Tagung Baukultur
Das Projekt wurde auch an der nationalen Tagung «Baukultur heute! Gemeinde und Städte im Dialog» am 6. Juni 2023 vorgestellt, die vom Schweizer Heimatschutz, EspaceSuisse, dem Bundesamt für Kultur und der HSLU durchgeführt wurde.

Wakkerpreis
Der Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes zeichnet Gemeinden aus, die bezüglich Ortsbild- und Siedlungsentwicklung besondere Leistungen vorzeigen können.

Alexa Bodammer

Alexa Bodammer

Alexa Bodammer ist Dozentin und Projektleiterin am Institut für Soziokulturelle Entwicklung. Zu den Kompetenzschwerpunkten der Ingenieurin und Sozialwissenschafterin zählen: Partizipation und Mitwirkungsprojekte, Sozialräumliche Entwicklung und Quartierentwicklung, Sozialraum- und Stadtanalyse, Architektur und Städtebau.

Caroline Näther

Caroline Näther

Caroline Näther ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziokulturelle Entwicklung. Zu den Kompetenzschwerpunkten der Doktorandin zählen die Methoden der qualitativen und quantitativen Sozialforschung, Sozialräumliche Entwicklung, Gemeinde-, Stadt- und Regionalentwicklung und Wissenschaftssoziologie.

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Von: Anette Eldevik
Veröffentlicht am: 24. Juli 2023
Bilder: Timo J. Walker

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