Soziale Netzwerke reüssieren, dort wo geteilt wird. Das Teilen als gesellschaftliche Praktik ist in der Raumentwicklung mehr oder weniger im Grundeigentum begraben worden und scheint im Sinne von Handel(n) nur noch im An- und Verkauf von Boden und Bauten auf. Um die Herausforderung der Innenentwicklung anzunehmen, steht ein (planungs-) kultureller Wandel an, der u.a. das Eigentum auf eine kollektive Ebene hebt, ohne es in Frage zu stellen. Diese Perspektive auf die Stadt- und Regionalentwicklung kommt im Modellvorhaben des Bundesamtes für Raumentwicklung «Netzwerk Innenentwicklung» zum Tragen. In neun Gemeinden werden dialogische Prozesse mit Eigentümerinnen und Eigentümern durchgeführt, welche die Umsetzung der Innenentwicklung auf konkreten Arealen zum Ziel haben.
Neue Anforderungen an die tradierte Planungspraxis
Ganz neu ist das gar nicht. Die Stadt- und Regionalplanung steht vor der Aufgabe dort Orte zu entwickeln, wo schon etwas steht, jemand lebt, welche spielen, andere parkieren. Die Entscheidung keine Bauzonen neu auszuweisen und «innen» weiter zu bauen, namentlich zu verdichten, verstärkt die Herausforderung. Der haushälterische Umgang mit der begrenzten Ressource Boden, der nie selbstverständlich war, hat mit der Revision des Raumplanungsgesetzes 2014 eine gesellschaftlich bestimmte Zielvorgabe zur Seite gestellt bekommen. Gerade arbeiten die involvierten Professionen – die Planerinnen, die Geografen, die Soziologen, die Architektinnen, die Juristen, die Ingenieurinnen, die Wirtschaftler… – emsig an der Adaption der Planungspraxis, welche die Innenentwicklung voranbringen soll. Die Beharrungskräfte der Traditionen, welche sukzessive die Disziplin und die entsprechende Gesetzgebung auf die Füsse gestellt haben, sind nicht unerheblich; Methoden, Instrumente, Verfahren, Regeln werden entwickelt und verworfen, um sie zu überwinden. Die involvierten Branchen sind durchaus kreativ. Aber es soll nicht um ein Mehr an Planung gehen. Eher um ein Mehr an Flexibilität in ihrer Umsetzung. Hierfür lohnt es sich, abseits der Professionen einmal vom Grund der Sache her zu arbeiten – vom Grundeigentum her.
Der Grund der Sache
Ohne die, die den Boden besitzen, an der Planungspraxis zu feilen, ist vergebens. Einer muss es wollen, eine muss es bezahlen und wieder jemand anderes nutzen und erneuern. Sind die Grundbesitzenden nun Bremsklötze oder Motoren der Veränderung? (Diese Frage stellte sich jüngst auch der Hausverein Zürich) Wichtiger als die Schuldfrage ist es anzuerkennen, dass Eigentum heute aufgefächert ist und die Eigentümerschaft der Grundstücke und deren Nutzungen und Bautypen darauf so verschieden sind, dass Innenentwicklung dieser Ausgangslage in erster Linie Rechenschaft tragen muss. In dieser Akteurs-bezogenen Perspektive auf die Raumproduktion sind die Besitzenden Entscheidungsträger/innen und somit auch Gestaltende. Kaum eine Eigentümerschaft vermag es jedoch, alleine ein Areal oder ein Quartier substanziell weiter zu entwickeln, wenn sie Nachbarn hat, die anders wollen, oder das Baurecht einen zu engen Rahmen setzt oder weil für eine anvisierte Nutzung keine Nutzenden vorhanden sind oder noch simpler, weil der Boden vielen gehört und nicht jemandem allein.
So treffen in einem Quartier viele individuelle Interessen und vielleicht so etwas wie ein öffentliches Interesse, das überwiegend in Gesetzen, Regeln und Normen dokumentiert und durchgesetzt wird, zusammen. Neben diesen zwei Polen zwischen privat und öffentlich existieren kollektive Interessen, die weniger eindeutig zu Tage treten. Um letztere geht es. Die Grundbesitzenden können Innenentwicklung, dann gemeinsam betreiben, wenn die kollektiven Interessen der Beteiligten offen gelegt werden.
Du bist, was du teilst
In dieser Gemengelage braucht es eine Eigentümerschaft, die teilt: Wissen und Ziele für die Entwicklung und nicht zuletzt den Raum als konkreten Ort, der das Umfeld bestimmt. Ein Kollektiv der Innenentwicklung muss sich finden und austauschen. Für die Planung auf einem Areal ist diese Findungsphase dem Entwurf vorgeschaltet. Die Interessen der Einzelnen werden dabei kommuniziert und die vorhandene oder auch fehlende Motivation zum Bauen, Erneuern, Anpassen benannt. Hieraus ergibt sich das Potenzial zur Transformation auf einem Areal. Dort wo Interessen oder Motivation geteilt werden, kann ein Entwurf folgen, der aufzeigt, welchen Weg die räumliche Entwicklung nehmen kann. Aus einzelnen Interessen wird ein kollektives Interesse. Durch das (Mit-) Teilen von Vorhaben, Ideen und Motivation entstehen zugleich auch neue Motivation, Ideen, und Vorhaben. Dies zeigt die Erfahrung, welche die Soziale Arbeit und die Departemente Technik & Architektur sowie Wirtschaft an der Hochschule Luzern bei ihrer interdisziplinären Zusammenarbeit im Modellvorhaben «Netzwerk Innenentwicklung» gemacht haben. Das Verständnis von Teilen und Austausch kann und soll grosszügig erweitert werden, so reüssiert dann auch ein Netzwerk der Eigentümerschaft bei der Herausforderung Innenentwicklung.
Weitere Informationen:
Das Projekt an der Hochschule Luzern ARE Modellvorhaben
rawi Luzern, Webseite zum Netzwerk Innenentwicklung
von: Alexa Bodammer
Kommentare
0 Kommentare
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.