Erziehung, Bildung und Betreuung,
Pia Gabriel-Schärer blickt auf 33 Jahre an der Hochschule Luzern zurück, in denen sie verschiedene leitende Positionen inne hatte und die Entwicklung der Sozialen Arbeit geprägt hat. Ende August übergab sie die Leitung des Instituts Sozialpädagogik und Bildung und bereitet sich auf den wohlverdienten Ruhestand vor.
Du bist 1991 zur Hochschule gekommen: Wie war diese Anfangszeit?
Damals war die Ausbildung für Sozialarbeit noch in einer höheren Fachschule angesiedelt, dort habe ich als Psychologiedozentin unterrichtet. Wir waren sechs Dozierende und eine Mitarbeiterin in der Administration und bildeten drei Vollzeit-Klassen mit je 20 Studierenden aus. Die Atmosphäre war sehr familiär, alle kannten sich – Dozierende, Studierende und Mitarbeitende pflegten eine Du-Kultur mit viel Mitbestimmung, über jeden neuen Abfalleimer wurde diskutiert (lacht). Die Studierenden führten die Cafeteria, ein Dozent war für die Bibliothek verantwortlich, in den WCs standen diverse Zahnbürsten. Es war eine schöne Zeit, aber auch sehr engmaschig und für einige Studierende war das auch schwierig.
100 Jahre Ausbildung in Sozialer Arbeit in Luzern: Von der Gründung 1918 bis heute. Erfahre mehr zur Entwicklung der Vorgängerschulen und ihre Transformation zur heutigen Hochschule Luzern – Soziale Arbeit.
Webseite 100 Jahre Ausbildung in Sozialer Arbeit in Luzern
Wie habt ihr damals unterrichtet?
Der gesamte Stundenplan für die Fächer, den Methodik-Unterricht und die Praktika der dreijährigen Ausbildung hatte auf einem A4-Blatt Platz. Zwei Dozierende haben jeweils eine Klasse vom ersten bis zum dritten Jahr begleitet. Es gab viele Gespräche, Coachings und Gruppenarbeiten. Wahlmöglichkeiten für die Studierenden beschränkten sich auf die Wahl der Praktikumsorte sowie der Themen der Projekt- und Abschlussarbeiten. Alles übrige war vorstrukturiert.
Pia gestaltete in den letzten 33 Jahren mit sehr viel Engagement das Departement Soziale Arbeit mit. Dabei bewies sie stets ein gutes Gespür für Menschen und hatte einen untrüglichen Blick für das Machbare. Ihr realistischer, stets lösungsorientierter Ansatz und die Fähigkeit, das Positive zu sehen, machten sie zu einer prägenden Führungspersönlichkeit.
Jürgen Stremlow, Dozent, Projektleiter und ehemaliges Mitglied der Departementsleitung
Von der Dozentin zur Leiterin der Ausbildung und Vizedirektorin: Wie ist dieser Übergang zur Führung für dich gewesen?
Führung bedeutet für mich, mehr Verantwortung und Gestaltungsraum zu haben. Der Übergang ging mit dem Wachstum der Hochschule und den Struktur- und Bildungsreformen einher. Ich konnte neben der Tätigkeit als Dozentin zunehmend Entwicklungsprojekte und Personalführungsaufgaben übernehmen, was mich sehr interessierte und auch forderte. Die grösste Herausforderung war, den Erwartungen an die unterschiedlichen Rollen gerecht zu werden. Mitarbeitende in einer Bildungsorganisation sind Experten und Expertinnen, sie wollen Freiheiten und Unterstützung, sie wollen Mitsprache und Autonomie. Als Führungsperson hat man neben der inhaltlichen Optik immer auch eine Organisationslogik zu beachten, die nicht immer einfach zu vermitteln ist.
2004 hast du den neuen Bachelorstudiengang aufgebaut. Wie hast du diese Veränderungen wahrgenommen?
Die grösste Änderung war der Wechsel vom Fächerunterricht zu Themenunterricht und die Modularisierung des Studiums. Durch die Bolognareform standen neu die Kompetenzen der Studierenden im Zentrum, also was sie am Ende eines Moduls können. Der Fokus bewegte sich vom Input zur Output-Steuerung von Bildungsprozessen. Ziel des Studiums blieb die Berufsbefähigung.
Nun gibt es den neuen Bachelor «neue Konzepte und Innovation». Was ist die grösste Änderung im Vergleich zum bestehenden Bachelor?
Das Ziel für diesen Studiengang ist es, dass Studierende das Studium stark mitgestalten und individuelle Schwerpunkte setzen können. Studierende beschreiten den Weg zur Berufsbefähigung in Sozialer Arbeit selbstorganisiert, entwickeln neue Konzepte und erschliessen sich Wissen effizient und zielgerichtet. Aber ganz ohne Input im Unterricht funktioniert es natürlich nicht. Es geht darum, das richtige Gleichgewicht zu finden: Wie viel können die Studierenden selbst lernen und wie viel Unterstützung brauchen sie?
2014 hast du das neue Institut Sozialpädagogik als Institutsleiterin mitaufgebaut und seitdem geführt. Wie lief das ab?
Im Jahr 2012 haben wir im Rahmen einer weiteren Curriculumsentwicklung die Studienrichtung Sozialpädagogik ins Leben gerufen, die sich äusserst erfolgreich etabliert hat. Dieser Erfolg ermöglichte es uns, zusätzlich zur Lehre auch die Bereiche Weiterbildung, Forschung und Dienstleistungen aufzubauen und das Institut Sozialpädagogik und Bildung zu gründen.
Der Aufbau des Instituts war eine neue Herausforderung für mich, welche ich mit Begeisterung angenommen habe. Mit dem neuen Team haben wir Projekte und Dienstleistungen initiiert, Weiterbildungen konzipiert und die Forschung im Bereich Sozial- und Sonderpädagogik aufgebaut. In dieser Zeit konnte ich selber vermehrt Evaluationen durchführen und Dienstleistungsprojekte im Bereich Qualitätsentwicklung umsetzen.
Nun wird das Institut «Sozialpädagogik und Bildung» mit dem Institut «Sozialmanagement, Sozialpolitik und Prävention» zusammengelegt. Aus welchen Gründen?
Die Institute werden zusammengelegt, um noch stärker zusammenzuarbeiten und Ressourcen zu bündeln. Wie haben viele thematische Schnittstellen zwischen Sozialpädagogik und Sozialpolitik, welche in Zukunft direkter genutzt werden können, um innovative Lösungen aus unterschiedlicher fachlicher Perspektive zu entwickeln.
Das Institut für Sozialpädagogik und Sozialpolitik erarbeitet für Individuen, Organisationen und die Politik Lösungen für komplexe Herausforderungen zur Bewältigung sozialer Probleme. Gemeinsam mit Anspruchsgruppen aus verschiedenen Lebenswelten werden dabei an den Schnittstellen Soziales, Bildung, Erziehung und Gesundheit innovative Lösungen aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven entwickelt: Webseite Institut für Sozialpädagogik und Sozialpolitik
Gibst du das Institut mit einem guten Gefühl ab?
Ja, es fühlt sich gut an, weil alles frühzeitig geplant und gut organisiert wurde. René Stalder, der jetzige Leiter des Instituts Sozialmanagement, Sozialpolitik und Prävention hat damals das Institut Sozialpädagogik und Bildung mitentwickelt, kennt somit die Mitarbeitenden und die Themenfelder sehr gut und übernimmt die Leitung des neuen Instituts – eine ideale Lösung.
Pia ist eine integre Macherin, die pragmatisch nach Lösungen sucht und stets umsetzungsorientiert handelt – nach dem Motto: ‹Das wemmer und das möchemer so›. Ihre Herangehensweise hat ihr immer grosse Wertschätzung eingebracht.
René Stalder; Dozent, Projektleiter und Leiter des neuen Instituts
Ein letztes grösseres Projekt war das interne Netzwerk zum Thema Alter. Was dabei deine Aufgabe?
Ich habe oft Leute an einen Tisch gebracht und den fachlichen Diskurs unterstützt. Die Relevanz vom Thema Alter ist in der Sozialen Arbeit unbestritten. Ich wusste, dass viele Mitarbeitende in unseren verschiedenen Instituten zum Thema Alter lehrten und forschten, aber wenig voneinander wussten. Durch das Vernetzen fand ich heraus, was wo läuft oder geplant wird. Wir konnten auch besser sichtbar machen, wo welche Kompetenzen sind und wie wir diese in gemeinsamen Projekten bündeln können. Ein Beispiel ist das Altersprojekt in Horw, bei dem Mitarbeitende von drei Instituten zusammenarbeiten. Das Netzwerk Alter existiert weiter und wird neu von Rita Kessler koordiniert.
Was braucht die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit in Zukunft?
Wir haben eine gute Basis für die Zukunft. Aber die Herausforderungen werden grösser und die Mittel knapper. Es ist wichtig, dass wir mit den vorhandenen Ressourcen sinnvoll arbeiten und Prioritäten setzen. Das Departement Soziale Arbeit muss gut kommunizieren, welche Produkte im Angebot sind und wir brauchen weiterhin die besten Mitarbeitenden und vor allem genug Studierende und Weiterbildungsteilnehmende.
Zukunftsweisend ist sicher auch, dass wir interdisziplinär und interprofessionell arbeiten, also über Institute und Departemente hinweg. Nur so können wir Lösungen finden für die grossen gesellschaftlichen Themen wie sozialer Frieden, würdiges Alter, soziale Sicherheit oder Nachhaltigkeit.
Pia war immer bereit, anzupacken und sich in verschiedene Projekte einzubringen. Ihr gutes Verhältnis zu den Menschen und ihre Fähigkeit, das Gute und Positive zu sehen, machten sie zu einer geschätzten Kollegin, Dozentin und Führungsperson.
Walter Schmid; ehemaliger Direktor des Departements Soziale Arbeit
Du hast stets in hohem Pensum gearbeitet. Wie hast du Familie und Beruf unter einen Hut gebracht?
Ich habe einen guten Partner, der vieles mitgetragen hat, und ein gutes soziales Umfeld. Da wir beide im Bildungsbereich gearbeitet haben, konnten wir immer auch schon Homeoffice machen und unsere Arbeitszeiten etwas flexibler gestalten. Ausserdem war ich weder in der Familie noch im Beruf eine Perfektionistin und ich fand es bereichernd, dass unsere Kinder auch fremdbetreut wurden. Sicher ist es auch hilfreich, eine gewisse Grosszügigkeit walten zu lassen, und vor allem auch Vertrauen in die Kinder und die anderen Betreuungspersonen zu haben. Ausserdem hatten wir eine gute Organisation, indem wir am Sonntag immer eine Familiensitzung abhielten. Wir haben die Woche vor- und nachbesprochen und so eine gewisse Ruhe ins komplexe Familiensystem gebracht. Das hat sich sehr bewährt.
Ich hatte immer Freude an meiner Arbeit, am Mutter sein und an Hausarbeiten. Beim Arbeiten konnte ich mich von der Familie erholen und umgekehrt.
Was machst du mit der neu gewonnenen Zeit?
Ich werde bis Frühling 2025 noch 20% weiterarbeiten. Danach möchte ich nach dem Motto «Altern mit Neugier» leben. Ich bin gespannt, was kommt. Ich werde meine Familie und mein soziales Netzwerk pflegen, das unbekannte Süditalien bereisen, gute Freunde in Kanada besuchen, für längere Zeit mit dem Hausboot unterwegs sein und wir haben ein Gartenprojekt im Tessin.
Wenn mir langweilig wird, komme ich zum Kaffeetrinken vorbei. Die Mitarbeitenden und Studierenden werden mir sicher fehlen.
«Zum Schluss bleibt mir zu danken. Der Hochschule als Organisation, welche mir eine so spannende Berufskarriere ermöglichte, meinen Chefinnen und Chefs, die mir vertrauten, meinen Kolleginnen und Kollegen und allen Mitarbeitenden mit denen ich diverse Aufgaben und Projekte meisterte – und natürlich wäre dies alles ohne Studierende, Weiterbildungsteilnehmende und Auftragsgebende aus der Praxis nicht möglich. Zusammen ist viel zu erreichen.»
Von: Roger Ettlin
Bilder: Pia Gabriel-Schärer, Roger Ettlin
Veröffentlicht: 3. September 2024
Weiterbildung an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Eine Weiterbildung unterstützt Berufspersonen der Sozialen Arbeit in ihrem anspruchsvollen Praxisalltag und gibt ihnen die Möglichkeit, ihre Arbeit zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Im Sinne des lebenslangen Lernens vermitteln die verschiedenen Weiterbildungsangebote konkret anwendbares Wissen für die Praxis.
Mehr Infos: Webseite Weiterbildung
CAS aus dem neuen Institut für Sozialpädagogik und Sozialpolitik
Neues Institut für Sozialpädagogik und Sozialpolitik
Das Institut für Sozialpädagogik und Sozialpolitik erarbeitet für Individuen, Organisationen und die Politik Lösungen für komplexe Herausforderungen zur Bewältigung sozialer Probleme. Gemeinsam mit Anspruchsgruppen aus verschiedenen Lebenswelten werden dabei an den Schnittstellen Soziales, Bildung, Erziehung und Gesundheit innovative Lösungen aus unterschiedlichen fachlichen Perspektiven entwickelt.
Mehr Infos: Webseite Institut für Sozialpädagogik und Sozialpolitik
Kommentare
1 Kommentare
Simone
Liebe Pia, du wirst fehlen im Departement Soziale Arbeit mit deiner freundlichen und zugewandten Art! Ich wünsche dir alles, alles Gute für die nächste Phase und freue mich, dass du noch etwas da bist. Herzlich, Simone
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.