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RESIST – Gleichstellung und Demokratie in Europa

RESIST – Gleichstellung und Demokratie in Europa

Grosserfolg für die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Sie ist an einem Forschungsprojekt der EU beteiligt: Dabei geht es um die Gefährdung von Demokratien durch Diskriminierung und Anti-Gender-Politiken.

Politische Angriffe auf gleichstellungspolitische Errungenschaften sowie auf Antidiskriminierungspolitiken sind vielfältig und lassen sich aktuell in verschiedenen Ländern Europas beobachten. Lebensformen, die vom heteronormativen Leitbild abweichen, werden angefeindet, ebenso wie Menschen mit Migrationshintergrund. Die sogenannten Anti-Gender-Politiken richten sich systematisch gegen gesellschaftliche Diversität und kulturelle Vielfalt und wollen die Teilhabe dieser Communities an der Gesellschaft einschränken.

Ein Phänomen, das nicht nur bei den extremen Rechten zu beobachten ist, sondern durchaus in gemässigten Systemen. Dr. Stefanie Boulila von der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit beobachtet die Entwicklung konkret an einem aktuellen Auftrag, den die HSLU gemeinsam mit neun weiteren Forschungsinstitutionen von der EU-Kommission erhalten hat. Ein hochdotiertes Forschungsprojekt zu Anti-Gender-Politiken in Europa. «RESIST» nennt sich die internationale Studie, die im Rahmen des EU-Förderprogramms «Horizon Europe» finanziert wird und die- Stefanie Boulila die kommenden vier Jahre beschäftigen wird.

Darin erforschen Wissenschaftler:innen aus den zehn Forschungsinstitutionen Politiken, die geschlechtsspezifische Freiheiten, sexuelle Rechte, Trans-Inklusion, Multikulturalismus sowie die Gleichbehandlung der Geschlechter einschränken wollen. Eine Gefahr für die Demokratie aus Sicht der EU, die das Projekt ausgeschrieben hat und auch finanziert.

Vier Jahre stehen bevor
RESIST ist Teil von «Horizon Europe» – dem neunten Rahmenprogramm der Europäischen Union für Forschung und Innovationsförderung. Es dauert von 2021 bis 2027 und stellt das weltweit grösste Forschungs- und Innovationsförderprogramm und das bisher ambitionierteste Programm in der Geschichte der Europäischen Union dar. Von den fünf geplanten Phasen der Studie hat die erste im Oktober 2022 begonnen. «Wir sammeln nun Informationen dazu, wie sich Anti-Gender-Politik in Europa zeigt, und wie sie funktioniert», so Boulila.

Konkret schaut sich das Forschungs-Team dabei Grossbritannien, Polen, Ungarn und die Schweiz genauer an. Es wird analysiert, wie sich «Anti-Gender»-Politiken zeigen und wie sie auf Alltagserfahrungen, Meinungsfreiheit und die akademische Freiheit von Organisationen auswirken, die sich für Antidiskriminierung einsetzen. Dazu wird mit Bewegungen aus den folgenden acht Ländern zusammengearbeitet: Irland, Spanien, Belarus, Frankreich, Schweiz, Polen, Deutschland und Griechenland. Ebenso sind Menschen eingebunden, die aufgrund von «Anti-Gender»-Politiken in einem anderen europäischen Land im Exil leben. 

Wir wollen wesentliche Erkenntnisse und Instrumente ableiten, mit denen das demokratische Miteinander gestärkt werden kann.

Stefanie Boulila

Die Studie, unterstützt mit vier Millionen Euro, ist auch explizit darauf angelegt, nicht nur Forschung zu betreiben, sondern auch Materialien zu entwickeln, um Gleichstellungsanliegen vorantreiben zu können. Sowohl für NGOs, die Politik, aber auch für die Zivilgesellschaft. «Wir wollen wesentliche Erkenntnisse und Instrumente ableiten können, mit denen das demokratische Miteinander gestärkt werden kann», sagt Boulila.

Von Angriff und Erfolgen
Anspruchsvoll an dieser Arbeit sei, dass sich die Geschlechterforschung selbst in die Schusslinie vieler Anti-Gender-Politiken geriet. Das ist für Stefanie Boulila nichts Neues. «Es ist bekannt, dass Wissenschaftler:innen die sich mit Gleichstellung beschäftigen, von gewissen politischen Gruppen angegriffen und bekämpft werden», so Boulila.

In einigen Ländern werden gar Departemente geschlossen, die sich mit Forschung zur Gleichstellung der Geschlechter beschäftigen. So wurde kürzlich in Ungarn ein Departement aufgrund politischen Drucks geschlossen, in Deutschland hat sich die Partei AfD die Abschaffung von Gender Studies auf die Fahne geschrieben.

Die Lautstärken regulieren
Wie Demokratie funktioniert und wie sie auch funktionieren könnte, das ist ein Bereich, der Stefanie Boulila schon seit Jahren intensiv erforscht. «Oft ist es in unseren Systemen durch historische Diskriminierungen für bestimmte Gruppen viel einfacher, den Diskurs zu dominieren», so Boulila. Sie finde es spannend, dazu zu forschen, was geschehen würde, könnten die Lautstärken reguliert werden und vulnerable Gruppen mehr Mitsprache erhalten. Das stärke die Demokratie. Für Boulila ist klar: «Das ist der Grund, weshalb Europa in diese Forschung investiert.»

Stefanie Boulila

Dr. Stefanie Boulila

Stefanie Boulila ist Forschungsverantwortliche am Institut für Soziokulturelle Entwicklung. Die Fachfrau für Gleichstellung und Antidiskriminierung hat zudem 2021 als erste Schweizerin den Emma Goldman Award erhalten, einen renommierten Preis für innovative Arbeiten im Feld der feministischen Sozialwissenschaften in Europa. Ihre Monografie «Race in Post-racial Europe: An Intersectional Analysis» wurde «als Pflichtlektüre» für Politikerinnen und Politiker sowie Forschende bezeichnet, die sich mit der Bekämpfung von Diskriminierung befassen.

Studie
Alles Wissenswerte zum Horizon-Projekt Resist finden Sie hier.

Bilden Sie sich aus und weiter: Die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit bietet Bachelor- und Master-Studiengänge sowie Weiterbildungsangebote.

Von: Jana Avanzini
Bild: Getty Images
Veröffentlicht am 10. März 2023

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