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Sozial und digital: Das passt!

Sozial und digital: Das passt!
Die Digitalisierung ist auch für die Soziale Arbeit relevant. Es gilt, die Transformation aktiv mitzugestalten.

Das analoge Zeitalter liegt hinter uns, der digitale Wandel ist in vollem Gang. Das betrifft auch die Soziale Arbeit. Wie kann sie die Transformation mitgestalten und worauf sollte sie dabei achten? Fachpersonen nehmen Stellung.

Aus Sicht der Praxis

Soziale Arbeit digital – aktiv gestalten (von Edith Lang)
Der digitale Wandel in Gesellschaft und Wirtschaft zeigt sich auch facettenreich in der Sozialen Arbeit. Sei es die interne und externe Kommunikation, sei es die Arbeitsorganisation oder seien es die Dienst- leistungen selbst, die eine Organisation erbringt; es gibt wohl kaum einen Bereich, der nicht tangiert ist. Es werden Technologien genutzt, um die Fallführung in der Sozialen Arbeit zu unterstützen. Zudem nehmen Online-Rechner oder Erklärvideos die veränderten Informationsbedürfnisse auf und verbessern den Zugang zu den Dienstleistungen. Auch bei der persönlichen Beratung von Menschen in kritischen Lebenssituationen stellen sich immer mehr Sozialdienste die Frage, wie technologische Neuerungen unterstützend eingesetzt werden können. So werden Erfahrungen mit Chat- oder Online-Beratung gesammelt.
Auf die wachsende Vielfalt der Lebensrealitäten reagiert somit auch die Methodenkompetenz der Beratung in der Sozialen Arbeit. Das durch die Digitalisierung veränderte Alltagshandeln hat und wird weiterhin neue Herausforderungen an eine Soziale Arbeit von hoher Qualität stellen. Es gilt aber nicht nur zu reagieren, sondern die Impulse in der Sozialen Arbeit zu unterstützen, die Veränderungen aktiv mitzuprägen und mitzugestalten. Es braucht weitere praxisnahe Forschungsprojekte, die Wissen zur Digitalisierung der Sozialen Arbeit generieren, sowie gute Rahmenbedingungen für die Innovation von Prozessen ohne Medienbrüche. Die politische Debatte kann eine unterstützende Rolle übernehmen, den digitalen Wandel im Sinne aller Anspruchsgruppen der Sozialen Arbeit erfolgreich zu gestalten.

Edith Lang

Die Soziologin Edith Lang leitet die Dienststelle Soziales und Gesellschaft (DISG) des Kantons Luzern. Dazu ist sie Mitglied des Fachbeirats der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit und des Interdisziplinären Themenclusters (ITC) Digitale Transformation der Arbeitswelt der Hochschule Luzern. Mehr zur DISG unter: disg.lu.ch und zu den ITC unter: hslu.ch/itc

Digitalisierung führt zu verschiedensten Fragen (von Christine Mühlebach)
Die Heterogenität in der Praxis der Sozialen Arbeit spiegelt sich auch in der Digitalisierung wider: Die Themen und Entwicklungen sind sehr unterschiedlich. Die damit einhergehenden Herausforderungen lassen sich in drei Schwerpunkte unterteilen:

  1. digitale Kompetenzen,
  2. digitale Transformation der sozialen Organisationen und
  3. die bedarfsgerechte Ausgestaltung von digitalen Angeboten und Leistungen.

Bei den Kompetenzen ist die zentrale Frage: Wer benötigt welche Kompetenzen und wozu? Diese Fragen gilt es nicht nur in Bezug auf die Adressatinnen und Adressaten zu beantworten, sondern auch im Hinblick auf die Mitarbeitenden aller Stufen. Die digitale Transformation in Organisationen hingegen stellt eine andere Frage ins Zentrum: Wie kann das Potenzial von Automatisierung und Standardisierung genutzt werden, ohne dass der fachliche Handlungsspielraum der Sozialen Arbeit illegitim eingeschränkt wird? Und in Bezug auf die Angebotsgestaltung führt kein Weg am Dialog mit den Ziel- und Anspruchsgruppen vorbei. Jedenfalls, wenn sichergestellt werden soll, dass sich die Entwicklungen am Bedarf orientieren und neue Exklusionsrisiken verhindert werden sollen. Gestalten wir die Zusammenarbeit mit der Informatik proaktiv und nutzen wir auch Kooperationen mit anderen sozialen Organisationen, haben wir ein gutes Fundament für die Entwicklung der Praxis.

Christine Mühlebach

Christine Mühlebach ist Sozialarbeiterin (MSc) mit IT-Erfahrung. Im Rahmen des Kompetenzzentrums Digitalisierung & Soziale Arbeit bei sozialinfo.ch bearbeitet sie Fachthemen und begleitet Organisationen in der digitalen Transformation.

Aus Sicht der Lehre

Kaum mehr wegzudenken (von Sarah Müller)
Das Digitale ist aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken, denn es fliesst in sämtliche Lebensbereiche der Menschen mit ein. Das bedeutet, dass sich die Professionellen der Sozialen Arbeit Kompetenzen im Bereich der Digitalisierung aneignen sollten, um einerseits in die Lebenswelt der Adressatinnen und Adressaten einzutauchen und sie professionell zu unterstützen. Andererseits sollte die Soziale Arbeit Chancen und Risiken der digitalen Technologie erkennen und entsprechend handeln sowie deren Vorteile nutzen können. So scheint es mir wichtig, die Funktionsweise der Algorithmen zu verstehen, um mögliche daraus folgende Diskriminierungen zu vermeiden. Durch den Minor «Digitalisierung und Soziale Arbeit» in meinem Studium habe ich einen vertieften Einblick in diese vielfältige Thematik erhalten.

Sarah Müller

Sarah Müller ist Bachelor-Studentin der Sozialen Arbeit mit Vertiefungsrichtung Soziokultur. Dabei absolviert sie das Minor-Programm «Digitalisierung und Soziale Arbeit».

Am Ball bleiben ist wichtig (von Damian Freund)
Im Zeitalter der Digitalisierung gilt es für die Soziale Arbeit, Schritt zu halten. Während in vielen anderen Branchen schon reger Fortschritt herrscht, scheint die Soziale Arbeit noch immer in den Anfängen des Wandels zu stecken. Um den Lebenswelten ihrer Adressatinnen und Adressaten in dieser Zeit gerecht zu werden und weiterhin handlungsfähig zu bleiben, sind Fachpersonen gefordert, sich spezifisch zum Thema Digitalisierung weiterzubilden. Das CAS «Digitalisierung und Soziale Arbeit» hilft mir dabei, meine Perspektive für die Digitalisierung zu schärfen, Schnittstellen zur Sozialen Arbeit zu erkennen und die Theorie in die Praxis umzusetzen.

Damian Freund

Damian Freund ist Sozialarbeiter bei der Hilfsorganisation Koosa AG und absolviert aktuell das CAS «Digitalisierung und Soziale Arbeit».

Studienprogramme zu «Digitalisierung und Soziale Arbeit»
Die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit bietet ein Aus- und ein Weiterbildungsprogramm im Bereich «Digitalisierung und Soziale Arbeit» an, entweder als Nebenvertiefung (Minor) des Bachelor-Studiengangs oder als CAS. Damit können künftige und aktuelle Professionelle der Sozialen Arbeit ihre Kenntnisse zu den Herausforderungen der digitalen Transformation weiterentwickeln. Übergeordnetes Ziel bleibt die wirkungsvolle Bewältigung der Aufgaben in der Sozialen Arbeit für und mit den verschiedenen Anspruchsgruppen.

Die Dozierenden Isabelle Odermatt und Lucas Haack sind für den Minor und das CAS verantwortlich. Mehr unter: blog.hslu.ch/minordisa

Aus Sicht der Forschung

Sechs Thesen zur Transformationsgestaltung (von Michael Doerk und Peter Stade)
Die Digitalisierung schreitet voran und hat mit der Pandemie Auftrieb erhalten. Sie bewirkt einen umfassenden Wandel gesellschaftlicher Systeme und verbindet Ökonomisches, Technologisches und Soziales neu. Damit durchdringt sie alle Lebensbereiche und somit auch die Professions- und Lebenswelten von Fachpersonen, Adressatinnen und Adressaten und Organisationen der Sozialen Arbeit. Gerade weil die Digitalisierung so eng mit dem gesellschaftlichen Wandel verknüpft ist, scheint die Soziale Arbeit prädestiniert dafür, das Phänomen zu erschliessen und sich aktiv am Prozess zu beteiligen. Als inter- beziehungsweise transdisziplinär arbeitende Profession bringt sie dafür die besten Voraussetzungen mit.
Eine 2019 am ersten internationalen Symposium «Soziale Arbeit und Digitalisierung» gebildete Arbeitsgruppe von Dozierenden aus der Schweiz, Österreich und Deutschland erstellte dazu ein Positionspapier. Darin geht es einerseits darum, den Diskurs innerhalb der Profession anzuregen. Andererseits wird ein Argumentarium für Projekte der Sozialen Arbeit zum Thema in Forschung, Lehre oder Praxis entwickelt. Aktuell liegen sechs Thesen vor, die das Potenzial der Sozialen Arbeit in Bezug auf die Digitalisierung unterstreichen. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, unter sozialdigital.eu mitzudiskutieren und damit die Thesen kontinuierlich weiterzuentwickeln.

Michael Doerk und Peter Stade

Michael Doerk und Peter Stade sind Dozenten und Projektleiter an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Mehr zum internationalen Positionspapier «Digitalisierung» und zu den Thesen unter: sozialdigital.eu

Transformation der Fallaufnahme (von Silvia Domeniconi Pfister)
Die digitale Transformation stellt für Sozialdienste eine Herausforderung dar. Atomisiert im schweizeri- schen Föderalismus sind sie auf sich selbst gestellt und erfinden oft das Rad neu. Oder sie sind Teil der Verwaltung und werden aus dieser Logik heraus und durch ICT-Anbietende digitalisiert. Die Fachlichkeit der Sozialen Arbeit tritt dabei oft in den Hintergrund. Dies hat eine explorative, nicht repräsentative Studie der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit gezeigt. Die Studie offenbart Stimmen zum Thema Digitalisierung, das Potenzial und den Bedarf zur digitalen Weiterentwicklung im Bereich der Kommunikation und der internen Arbeitsprozesse. Es gilt, nicht nur ein papierloses Büro einzurichten und durch digitale Medien zu kommunizieren, sondern Prozesse neu zu denken und dabei die digitalen Mittel optimal einzusetzen, die Leistung also zu transformieren.
In einem Innosuisse-Projekt wird ein interdisziplinäres Forschungsteam unserer Hochschule daher gemeinsam mit Praxisorganisationen die Fallaufnahme in der Sozialhilfe neu denken. Angestrebt werden bedarfs- und fachgerechte Prozesse, Methoden und Instrumente der Sozialen Arbeit, welche die Autonomie und Selbstwirksamkeit der Hilfesuchenden stärken. Beispielsweise sollen sie autonom Informationen beschaffen, Dokumente hoch- und runterladen können, die Kommunikationswege mitbestimmen und durch Beratung und Vernetzung zur eigenen Pro- blemlösung ermächtigt werden. Ebenso soll die aufwändige Administration, beispielsweise zur Klärung von Ansprüchen gegenüber Dritten, möglichst automatisiert werden.

Silvia Domeniconi Pfister

Silvia Domeniconi Pfister ist Dozentin und Projektleiterin an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Mehr zu ihren Projekten unter: hslu.ch/digitale- sozialedienste

Bessere Inklusion und Lebensqualität (von Judith Adler, Stefania Calabrese und Natalie Zambrino)
Aus Sicht der Sozialpädagogik bietet die digitale Transformation Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen sowie deren Begleitpersonen vielfältige Chancen. Insbesondere die Zielperspektive der Barrierefreiheit ermöglicht dieser Zielgruppe einen Zugang zu Dienstleistungen, die ihr den Alltag erleichtern können.
Stellvertretend für diverse Digitalisierungsprojekte unserer Hochschule zwei Beispiele: Aktuell entwickeln wir ein Angebot, das die selbstbestimmte Wahl von Unterstützungsdienstleistungen fördern soll. Über eine Website soll so für Menschen mit kognitiven Beeinträchtigungen eine barrierefreie Suche nach Beratungs- und Informationsstellen erleichtert werden.
In einem anderen Digitalisierungsprojekt werden Fachpersonen in einem gelingenden Umgang mit herausfordernden Verhaltensweisen (HEVE) von Menschen mit Beeinträchtigungen unterstützt. Dazu wurde auf Basis eines eigens dafür entwickelten Wissensmanagementsystems für Expertinnen und Experten ein Chatbot realisiert. Darüber sollen Begleitpersonen in stationären Einrichtungen der Behindertenhilfe ihre Anliegen platzieren und hierfür niederschwellige Informationen zum Thema HEVE erhalten.
Wir sind überzeugt, dass digitalisierte Angebote die Qualität der sozialpädagogischen Arbeit erhöhen können und dadurch eine Steigerung der Lebensqualität von Menschen mit Beeinträchtigungen möglich ist. Dazu muss noch stärker auf die Barrierefreiheit der digitalisierten Angebote gesetzt werden. Daran arbeiten wir in interdisziplinären Teams.

Judith Adler, Stefania Calabrese und Natalie Zambrino

Judith Adler und Stefania Calabrese sind Dozentinnen und Projektleiterinnen, Natalie Zambrino ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Mehr zu ihren Projekten unter: hslu.ch/selbstbestimmt-digital und hslu.ch/heve-digital

Forschungsprojekte zum Thema
Eine Auswahl weiterer Digitalisierungsprojekte mit Beteiligung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit:

  • Blockchain für das Sozialwesen: Über das Potenzial der Blockchain-Technologie im Sozialwesen
  • Digital Female Founders: Über neue Formen der digitalen Selbstständigkeit
  • Digi-Kanti: Gymnasien als Produzenten von Zukunft
  • E-Tutoren/-innen@hslu-sa: Stärkung von Digital Skills in der Lehre von swissuniversities
  • Herzfroh 2.0: Aktualisierung und Digitalisierung eines sexualpädagogischen Manuals
  • Holodeck Luzern: Bereicherung stadtplanerischer Dialoge durch Virtual Reality
  • relax-concentrate-create: Applikation zu Ressourcenmanagement, Prävention und Gesundheitsförderung
  • Smart Aging: Digitale Lösungen im Sozial- und Gesundheitsbereich für ältere Menschen
  • VA PEPR: Voice Assistants – People, Experiences, Practices, Routines
  • Virtual Kids: Virtuelle Charaktere zur Verbesserung der Qualität von Kindesbefragungen

Mehr unter: hslu.ch/sa-digital

ITC «Digitale Transformation der Arbeitswelt»
Digitalisierung wirkt sich in nahezu allen Lebensbereichen aus: Bildung, Gesundheit, Wirtschaft, Konsum, Mobilität, Kommunikation – im Beruf und privat. Welche Kompetenzen zählen in der digitalen Gesellschaft? Wie verändern neue Technologien die Arbeits- und Führungsprozesse?
Diesen Fragen widmet sich der Interdisziplinäre Themencluster (ITC) der Hochschule Luzern «Digitale Transformation der Arbeitswelt». Mehr unter: hslu.ch/itc

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Bild: Ingo Höhn
Veröffentlicht am: 18. Juni 2022

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