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Studienreise nach Berlin – Sexuelle Rechte im internationalen Dialog

<strong>Studienreise nach Berlin – Sexuelle Rechte im internationalen Dialog</strong>

Die Studienreise des CAS Sexuelle Gesundheit und Menschenrechte bot einen spannenden Einblick in den Alltag der sexuellen Rechte im internationalen Dialog. Die Kursteilnehmenden besuchten verschiedene Organisationen in Berlin und sammelte neue Erkenntnisse für den Berufsalltag.

Pünktlich um 12 Uhr am Donnerstag, 27. Oktober 2022 traf sich die Gruppe des CAS «Sexuelle Gesundheit und Menschenrechte» zu ihrer 3-tägigen Studienreise am Berliner U-Bahnhof Nollendorfplatz. Die vierzehn Teilnehmenden und zwei Dozierenden hatten sich im Rahmen des CAS in den vergangenen neun Monaten intensiv mit sexueller und reproduktiver Gesundheit sowie sexuellen Rechten auseinandergesetzt. Sie nahmen als Erkenntnisgewinn aus dieser Reise mit nach Hause, in ihrem Berufsalltag zukünftig stärker auf die sexuellen Rechte zu fokussieren und ihrer Arbeit in Bildung, Beratung und Betreuung ein Menschenrechtsverständnis zugrunde zu legen.

Was sind sexuelle Rechte?

Sexuelle Rechte sind sexualitätsbezogene Menschenrechte, die aus dem Recht aller Menschen auf Freiheit, Gleichstellung, Privatsphäre, Selbstbestimmung, Integrität und Würde abgeleitet werden. Sie bilden den Rahmen dafür, dass alle Menschen ihr Grundrecht auf sexuelle Selbstbestimmung realisieren können. Ihr Ziel ist, Geschlecht und Sexualität nicht mehr zur Ursache von Diskriminierung, Stigmatisierung, Angst und Gewalt werden zu lassen.

Schon die erste Station unserer Studienreise stellte uns mitten ins Thema: ein aus rosa Stein gemeisselter Winkel erinnerte uns an die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus. Ihnen wurde ihr Menschsein aufgrund ihres Begehrens abgesprochen. Dies ist einer der Ausgangspunkte der Geschichte der sexuellen Rechte im 20. Jahrhundert.  

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Denkmal den homosexuellen Opfern des Nationalsozialismus

pro familia Berlin

Vom Nollendorfplatz aus mussten wir nur wenige Schritte zu unserer zweiten Station, dem Besuch bei pro familia Berlin zurücklegen. Nach einer kurzen Begrüssungsrunde durch die Beratungsstellenleiterin Petra Winkler und dem Sexualpädagogen Ringo Stephan, teilten wir uns in zwei Gruppen auf.

Die erste Gruppe wurde von Petra Winkler zur Geschichte und Relevanz der sexuellen Rechte im Beratungsstellenalltag von pro familia informiert. Besonders beeindruckte uns, dass pro familia sich und ihre Arbeit als Teil des Berliner Aktionsbündnisses für sexuelle Selbstbestimmung wahrnimmt und sich dadurch als Menschenrechtsorganisation definiert. Dies bildet sich im Alltag durch die starke Betonung der Beziehungs- und Begegnungsqualität auf Augenhöhe mit den vielfältigen Adressat:innengruppen der Angebote zu Bildung und Beratung ab.

Die zweite Gruppe erhielt zeitgleich bei Ringo Stephan einen Einblick in die Praxis der sexuellen Bildung. Er führte mit ihnen auf erfrischende Art und Weise eine sexualpädagogische Unterrichtseinheit durch. 

HSLU Studienreise Sexualpädagoge Ringo Stephan
Beim Besuch der pro familia Berlin führte der Sexualpädagoge Ringo Stephan uns durch eine Unterrichtseinheit.

Wir waren von der Arbeit der pro familia Berlin sehr beeindruckt. Die Fachpersonen sexuelle Gesundheit in Bildung und Beratung in unserer Gruppe stellten erfreut fest, dass es zu ihrer sexualpädagogischen Arbeit keine grossen Unterschiede gibt und wir auch in der Schweiz bereits qualitativ hochwertige Aufklärungsarbeit leisten.

Schwules Museum

Am späteren Nachmittag wartete dann als dritte Station unseres Besuchsprogramms das Schwule Museum auf uns. Dort besuchten wir die Ausstellung „Queering the Crip, Cripping the Queer“ – die erste internationale Ausstellung im deutschsprachigen Raum, die Intersektion von Queerness und Behinderung in den Fokus stellt. Zum einen zeigt die Ausstellung Kunst von queeren Künstler:innen und zum anderen werden ausgesuchte historische Begebenheiten rund um Queerness und Behinderung beleuchtet. Beide Bereiche weisen auf Ausgrenzungserfahrungen von Menschen mit Behinderung hin und wie ihre sexuelle Selbstbestimmung im gesellschaftlichen Kontext noch immer am Anfang steht. 

HSLU Studienreise Schwules Museum
Der Eingang zum Schwulen Museum in Berlin

Diesen Tag mit seinen vielfältigen Eindrücken und Anregungen zum Weiterdenken schlossen wir gemeinsam in einem Restaurant am Landwehrkanal in Kreuzberg ab.

Fachbereich LSBTI der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung

Am Freitag stand als erste Station der Besuch bei Florencio Chicote an. Er ist Referatsleiter des Fachbereichs LSBTI – Lesben, Schwule, Bisexuelle sowie trans- und intergeschlechtliche Menschen – bei der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung. Dieser Fachbereich stellt in Mitwirkung an Gesetzen und Verordnungen entsprechende Informationen für die Arbeit der Berliner Regierung und des Abgeordnetenhauses bereit. Florencio Chicote und sein Team entwickeln und initiieren auch Konzepte und Kampagnen zum Dialog zwischen Verwaltung und Zivilgesellschaft. In diesem Zusammenhang stellt er uns den aktuellen Massnahmenplan „Berlin tritt ein für Selbstbestimmung und Akzeptanz geschlechtlicher und sexueller Vielfalt“ vor. Gleich zu Beginn erzählte er uns, dass Berlin sich als Regenbogenhauptstadt von Europa bezeichnet. Die Regenbogenstädte sind ein Netzwerk von über 30 Städten, welche sich in der Politik aktiv für die Belange von Lesben, Schwulen, Bisexuellen sowie trans- und intergeschlechtlichen Menschen (LSBTI) einsetzen. Mit einem Augenzwinkern stellte er fest, dass Luzern noch nicht dazugehört.

HSLU Studienreise Gespräch mit Florencio Chicote
Im Gespräch mit Florencio Chicote des Fachbereich LSBTI der Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung

Missy Magazine

Der zweite Programmpunkt war ein Besuch in der Redaktion des Missy Magazine. Das Missy Magazine schreibt über Pop, Politik und Feminismus. Es beschäftigt sich mit queer-feministischen Themen und Intersektionalität; beispielsweise in der Rubrik „Sex, Körper & Style“, wo sowohl Abtreibung thematisiert werden kann wie auch ADHS, Lust oder Stylneid. Das Magazin hält sich nicht an Regeln der Medienlandschaft, die als Fremdbestimmung wahrgenommen werden. Die Studierenden waren beeindruckt, wie das Missy Magazine idealistische Grundideen umsetzt, auch gegen den Mainstream.  

HSLU Studienreise Missy Magazin
Beim stöbern durch aktuelle und alte Missy Magazin
HSLU Studienreise Missy Magazin 2
Diverse Covers von Missy Magazin
HSLU Studienreise CAS Sexuelle Gesundheit Gruppenfoto
Gruppenfoto der Studienreise CAS Sexuelle Gesundheit
HSLU Studienreise in Berlin
CAS Studienreise in Berlin
HSLU Studienreise Missy Magazin
Beim stöbern durch aktuelle und alte Missy Magazin
HSLU Studienreise Missy Magazin 2
Diverse Covers von Missy Magazin
HSLU Studienreise CAS Sexuelle Gesundheit Gruppenfoto
Gruppenfoto der Studienreise CAS Sexuelle Gesundheit
HSLU Studienreise in Berlin
CAS Studienreise in Berlin

Der Samstagvormittag gehörte der Diskussion und Reflexion des Gesehenen. Die Reisegruppe dachte gemeinsam darüber nach, wie sexuelle Rechte und ihre Implementierung in der Alltagskultur ihrer Organisationen in der Schweiz aussehen könnten.

Diese kurze, aber intensive Reise war für unsere Gruppe ein Highlight des CAS. Ein grosser Dank geht dabei an Professor Daniel Kunz und Irene Müller, die für uns die Besuche in den verschiedenen Institutionen organisiert und die Studienreise begleitet haben, wodurch uns der Erkenntnisgewinn zur Relevanz von sexuellen Rechten für die sexuelle Selbstbestimmung im Alltag sehr erleichtert wurde. Wir erhielten in diesen drei Tagen Einblicke, die uns motiviert haben, die sexuellen Rechten in die Alltagskultur unserer jeweiligen Arbeitsbereiche der Bildung, Beratung und Betreuung stärker zu implementieren und unsere Angebote auf die Basis der Menschenrechte zu stellen.

Von Katja Vontobel, Aline Hegewald und Marques Fabienne
Bilder: David Fürst
Veröffentlicht: 17. Januar 2023

Daniel Kunz HSLU

Prof. Daniel Kunz

Daniel Kunz ist Studiengangleiter des MAS Sexuelle Gesundheit im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich an der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit. Er ist seit 2001 als Dozent und Projektleiter an der Hochschule tätig. Als ausgebildeter Sozialarbeiter und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut bringt Daniel Kunz einen breiten Erfahrungsschatz mit.

Das CAS Sexuelle Gesundheit und Menschenrechte bietet Fachpersonen aus dem Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich Gelegenheit, Kompetenzen zur Stärkung der sexuellen Rechte durch zivilgesellschaftliches Engagement für das berufliche Umfeld zu erwerben. Advocacy, Empowerment, Partizipation und netzwerkinitiiertes Handeln stehen dabei im Fokus dieses CAS.

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