Nachhilfe für das Gehirn
Querschnittsgelähmte Menschen leiden sehr oft unter starken Schmerzen von Körperteilen, die sie eigentlich gar nicht spüren können. Schuld sind zum Teil widersprüchliche Informationen an das Gehirn. Die Installation «Virtual Walking» erleichtert dem Gehirn, sich anzupassen und lindert die sogenannten Deafferenzierungsschmerzen. Die Medizintechnik-Studentin Sarina Flühler berichtet über das Projekt.
Unerträglich starke Schmerzen in Armen und Beinen – trotz Lähmung und Gefühlsverlust? Das gibt’s, und macht den Alltag von Menschen mit einer Querschnittverletzung schier unerträglich. 75 Prozent der Querschnittsgelähmten leiden unter chronischen Schmerzen, ausgelöst durch widersprüchliche Informationen im Gehirn nach dem Trauma eines plötzlichen Unfalls. Weder Medikamente noch Physiotherapie helfen wirklich.
Lebensqualität dank neuer Therapiemöglichkeit
Um Betroffene dennoch von diesem Schmerz zu erleichtern, entwickelten HSLU-Studierende unter Professor Dr. Roger Abächerli zusammen mit dem Zentrum für Schmerzmedizin in Nottwil eine neue Therapiemöglichkeit: «Virtual Walking» erleichtert dem Gehirn die Anpassung an die neue Situation und schenkt Betroffenen eine neue Lebensqualität. «Das Projekt hat mich sehr interessiert, da ich bereits beim Pflegepraktikum im Paraplegikerzentrum Nottwil mit dem Thema der chronischen, neuropathischen Schmerzen konfrontiert wurde», so Sarina Flühler, Medizintechnik-Studentin an der HSLU und Hilfsassistentin des Projekts. «Ich arbeite seit mehr als einem Jahr an diesem Projekt mit. An einem möglichen Therapieansatz für betroffene Patientinnen und Patienten beteiligt zu sein, finde ich sehr sinnvoll und bereichernd. Wir haben einen tollen Teamspirit, der eine sehr dynamische, kreative und inspirierende Arbeitsatmosphäre schafft.»
Einfacher Clou, kompliziertes Verfahren
Sarina Flühler ist von der weltweit einzigartigen Installation des «Virtual Walking» fasziniert: Der Patient sitzt auf einem umgebauten Elektrorollstuhl, welcher eine Gehbewegung simuliert. Seine Beine und der Hintergrund sind mit einem grünen Stoff abgedeckt, vor ihm steht eine Leinwand mit einer projizierten Waldszene, eine Kamera filmt den auf dem Stuhl sitzenden Patienten. Nun fügt die Software des von der HSLU entwickelten Geräts die Aufnahme des Oberkörpers mit der vorproduzierten Aufnahme zweier gesunder, gehender Beine und der Naturszene zusammen. «Betroffene erhalten so für zehn, später für zwanzig Minuten den Eindruck, dass sie sich beim normalen Gehen betrachten können», erklärt Sarina Flühler den Clou. Die optische Täuschung gibt dem Gehirn die Möglichkeit, sich auf die neue Situation einzustellen.
Theoretisches Wissen direkt anwenden
«Dieses Projekt ist für mich unglaublich lehrreich und es ist grossartig, dass ich das theoretische Wissen aus den Vorlesungen in der Praxis anwenden kann. Ganz besonders mag ich die interdisziplinäre Zusammenarbeit, gerne möchte ich auch in Zukunft in einem durchmischten Team arbeiten», beschreibt Sarina Flühler begeistert ihren vielseitigen Einsatz als Hilfsassistentin.