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Nachhaltiger Konsum

Nachhaltiger Konsum

Lesezeit 4′ min // Blogbeitrag zum Kapitel: Nachhaltiger Konsum, im Interview mit Marcel Zbinden

Was bedeutet nachhaltiger Konsum für dich persönlich und warum ist es wichtig darüber zu sprechen?
Marcel Zbinden (MZ): Grundsätzlich wird nachhaltiger Konsum oft unterschätzt. Häufig wird über technologische Lösungen oder staatliche Ansätze gesprochen, aber am Ende ist es der Konsument, der die Nachhaltigkeit vorantreibt. Wenn die Nachfrage nach nachhaltigen Produkten besteht, werden diese auch angeboten. Der Staat hätte Möglichkeiten, den Konsum z.B. über die Subventionspolitik stärker zu regulieren. Dennoch ist es entscheidend, dass Konsumenten selbst darauf achten, nachhaltig zu handeln. Jedoch handeln viele Menschen nicht rational oder ökologisch, und es gibt oft eine grosse Lücke zwischen der Absicht, nachhaltig zu handeln, und dem tatsächlichen Verhalten.

Warum neigen Menschen trotz einer nachhaltigen Einstellung dazu, sich widersprüchlich zu verhalten? Wie wichtig ist die Psychologie in diesem Zusammenhang?
MZ: Es gibt viele Gründe dafür, dass Menschen trotz nachhaltiger Einstellungen widersprüchlich handeln. Einer der Hauptgründe ist die Schwierigkeit, den zukünftigen Nutzen für sich z.B. über die Gesundheit oder auch den Planeten höher zu gewichten als den Nutzen im Hier und Jetzt. Wir sind die erste Generation in der Geschichte der Menschheit, die langfristig denken müsste. Hinzu kommt, dass viele Kaufentscheidungen unbewusst und automatisiert ablaufen, oft entgegen den eigenen Überzeugungen. Auch Barrieren wie höhere Kosten oder mangelnde Bequemlichkeit nachhaltiger Alternativen spielen eine Rolle. Die Psychologie spielt dabei eine extrem grosse Rolle, und das wird massiv unterschätzt. Wir müssen beim menschlichen Denken und Verhalten ansetzen, um den Konsum nachhaltiger zu gestalten. Es geht nicht nur darum, dass wir alles selbst in der Hand haben – das ist viel komplexer.

Welche Schritte können Einzelpersonen unternehmen, um ihren Konsum nachhaltiger zu gestalten?
MZ: Nachhaltiger Konsum ist keine Herausforderung, die der Konsument allein bewältigen kann. Der Staat, NGOs und Hersteller müssen klare Labels bereitstellen und Aufklärungsarbeit leisten. Auch müssen nachhaltige Alternativen besser verfügbar und erschwinglich sein. Auf individueller Ebene können Menschen jedoch auch selbst tätig werden, indem sie sich mit dem Thema auseinandersetzen, sich in nachhaltigen Umfeldern bewegen und kleine Gewohnheiten verändern. Verhaltensänderungen sind nicht einfach, aber es gibt Methoden, wie beispielsweise „Nudging“, um Menschen automatisch zu nachhaltigem Verhalten zu führen.

Welche Rolle spielt Bildung und Bewusstseinsbildung in Bezug auf nachhaltigen Konsum? MZ: Bildung spielt eine grosse Rolle. Wenn Menschen eine nachhaltigere Einstellung entwickeln, handeln sie auch in Zukunft eher nachhaltig. Allerdings braucht diese Veränderung viel Zeit und Energie. Es ist notwendig, aber nicht hinreichend, da die Transformation einer gesamten Gesellschaft Jahrzehnte dauern kann.

Gibt es länderspezifische Unterschiede beim Konsumverhalten, beispielsweise zwischen Europa und Asien?
MZ: Ja, es gibt grosse Unterschiede. Im Allgemeinen gilt: Je nördlicher, desto besser ist das Recycling, während es im Süden oft schlechter ist. Länder wie Rumänien und Italien haben niedrige Recyclingquoten, während die Schweiz und Skandinavien weit vorne liegen. In individualistischeren Kulturen, wie den USA, sind Konsumstile tendenziell verschwenderischer. Kleinere Gemeinschaften konsumieren in der Regel nachhaltiger.

Hast du Tipps für den Alltag, wie Leser nachhaltiger konsumieren können?
MZ: Es ist wichtig, klein anzufangen und nicht zu viel auf einmal zu wollen. Kleine Verhaltensänderungen sind einfacher beizubehalten und führen zu schnelleren Erfolgserlebnissen. Zudem sollten Menschen Dinge tun, die sie auch wirklich umsetzen können. Erfolgreiche Verhaltensänderungen basieren immer auf Auslösern, die man im Alltag verankert, wie zum Beispiel das Einpacken einer wiederverwendbaren Tasche für den Einkauf.

Warum sind Bioprodukte oft so viel teurer als konventionelle Produkte?
MZ: Die Hersteller behaupten, dass ihre Margen nicht höher sind, sondern dass kleinere Mengen und höhere Marketingkosten den Preis treiben. Trotzdem müsste man die Mehrkosten zwischen Bio- und konventionellen Produkten fairer gestalten. Es wäre sinnvoll, die Kosten teilweise auch auf konventionelle Produkte umzulegen, weil die Folgekosten der Produktion bei konventioneller Herstellung höher sind. Bio-Produkte würden in einer Vollkostenbetrachtung hingegen deutlich günstiger.

Was sollte der Staat deiner Meinung nach tun?
MZ: Der Staat müsste den Konsum stärker steuern. Hier geht es nicht darum, den Konsumenten die freie Wahl zu nehmen, aber beispielsweise über eine veränderte Subventionspolitik Anreize für den Kauf biologischer und/oder pflanzlicher Produkte zu schaffen. Oder etwa bei der Integration von Folgekosten in die Produktpreise, da passiert nichts. Leider ist die Lobby, welche die bisherige Praxis beibehalten möchte, ziemlich stark, so dass es entsprechende Initiativen derzeit noch sehr schwer haben.

Mehr zu dem Thema erfahren?

Wer mehr über nachhaltigen Konsum erfahren möchte, findet ausführliche Informationen im Kapitel 13:
«Nachhaltiger Konsum» von Marcel Zbinden und Dominik Georgi
Link zum Buch auf Springer


Referenzen

Foto von Skyoverse: https://pixabay.com/photos/paper-cut-green-city-eco-8029988/


Informationen zum Autor

Marcel Zbinden

Im November 2018 begann Marcel Zbinden seine Tätigkeit als Dozent an der Hochschule Luzern. Im Business Psychology Studiengang unterrichtet er Wirtschaftspsychologie und Marktforschung. Gleichzeitig ist er als Co-Leiter des CAS in Customer Psychology tätig. In fast 20 Jahren sammelte er Praxiserfahrungen in verschiedenen Unternehmen, u.a. der Emmi AG und der UBS AG, hauptsächlich in den Bereichen Marktforschung und Marketing. Dabei stand für ihn stets der Mensch mit seinem Denken, Fühlen, Verhalten und seinen Entscheidungen im Zentrum.

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