Eine repräsentative Onlinehändlerbefragung des IKM zeigt: Vier von fünf Schweizer Onlineshops versenden hauptsächlich in die Schweiz und schon jeder zweite über digitale Marktplätze.
Die Mehrheit der Onlinehändler kommuniziert und vertreibt über verschiedene Vertriebskanäle wie E-Mail, Telefon, Ladenfläche oder persönlicher Verkauf vor Ort. Suchmaschinen-, Newsletter- und Social-Media-Marketing sind im E-Commerce relevante Marketinginstrumente, Aussen-, Radio- und Fernsehwerben verlieren deutlich an Bedeutung.
Zum ersten Mal führte das Institut für Kommunikation und Marketing IKM in Zusammenarbeit mit der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) und der Schweizerischen Post eine breit angelegte Umfrage zum Schweizer Digital Commerce durch.
Die Daten wurden von Mai bis Juli 2018 in einer quantitativen Onlinebefragung erhoben. Von 2’937 Onlinehändler haben 450 den Grossteil ausgefüllt und 360 die Umfrage beendet, was einer Beendigungsquote von 12% entspricht. An der repräsentativen Studie beteiligten sich über die Hälfte der grössten 100 Schweizer Onlineshop, aber auch viele kleinere und mittelgrosse Händler. Die Studie gibt verschiedene Antworten auf die folgende Forschungsfrage:
Wie sieht der Schweizer Digital Commerce aus Händlersicht aus?
Bei der Frage, wohin die Schweizer Onlineshops hauptsächlich versenden, zeigt Abb. 1 ein überraschendes Bild: Vier von fünf Händlern vertreiben die Produkte vorwiegend in der Schweiz. Nur 11% versenden hauptsächlich europaweit und gerade mal 6% weltweit. Eine kleine Minderheit von 3% gab an, hauptsächlich regional zu vertreiben.
Schweizer Onlinehändler vertreiben nicht nur über die eigenen Webshops, sondern die Hälfte auch über digitale Marktplätze. Bei der Mehrheit der Hersteller und Händler stellt sich somit nicht mehr die Frage, ob sie über Marktplätze vertreiben, sondern welche Sortimente über welche Marktplätze.
Bei den Onlinehändlern hat Digitec Galaxus nach dem Siroop-Aus von Ende Oktober 2018 deutlich die Nase vorn (33%), gefolgt von Amazon (27%) und ricardo.ch (25%). Über Auktionsplattformen wie eBay (7%) verkaufen nur wenige Onlinehändler. Gleiches gilt für Kleinanzeigen wie tutti.ch (8%) und anibis.ch (3%). Diese Plattformen überlassen Onlinehändler den Privatpersonen. Auch über asiatische Marktplätze wie alibaba.com und jd.com vertreiben Schweizer Onlinehändler kaum (4%) und regionale Marktplätze (3%) bleiben ebenfalls eine Nische.
Erstaunlich viele, Dreiviertel der Schweizer Onlinehändler, nehmen Bestellungen über elektronische Mail entgegen, obwohl dies manuellen Aufwand bedeutet (vgl. Abb. 2). Gerade im B2B sind schnelle Bestellungen per E-Mail weit verbreitet.
Bei sieben von zehn der Schweizer Onlineshops kann telefonisch bestellt werden, wobei jeder zehnte die Hotline bzw. das Callcenter ausgelagert hat. Zudem verkaufen 55% der Schweizer Onlineshops über stationäre Ladengeschäfte mit Verkaufsflächen, wobei sie die Läden meist selbst betreiben.
Dies ist ein relativ hoher Wert und impliziert, dass Omni-Channel-Management für die Mehrheit der Händler ein grosses Thema ist. Dagegen sind rund 45% Pure Player, welche hauptsächlich über den Onlineshop verkaufen.
Bemerkenswerterweise verkauft über die Hälfte der befragten Onlinehändler persönlich vor Ort über Verkäufer, respektive über Aussendienstmitarbeiter.
Fast jeder zweite Schweizer Onlinehändler bietet in den App Stores eine native App mit Bestellfunktion an, auch wenn wertmässig meist über die mobilen Websites verkauft wird.
Totgeglaubte Kanäle leben länger: Über 37% der befragten Onlinehändler bieten nach wie vor Bestellungen über Fax an, die meisten davon im B2B. Es sind auch verwiegend B2B-Händler, welche ihre Produkte oder Dienstleistungen an Messen (34%) und über Printkataloge (31%) verkaufen.
Weil im Digital Commerce die Bestellabwicklung elektronisch geschieht, bieten Onlinehändler ihren Kunden verschiedene Kanäle an, über welche sie ihre Fragen und Anliegen kommunizieren können. In Abb. 3 wurden die Händler befragt, wie häufig die verschiedenen Kommunikationskanäle von ihren Kunden genutzt werden.
Vier von fünf Onlinehändlern gaben an, dass sie häufig oder gelegentlich über E-Mail von ihren Kunden kontaktiert werden. Dreiviertel kommuniziert vorzugsweise über das Telefon. Fragen und Anliegen im E-Commerce werden also meist über E-Mail oder Telefon geklärt.
Das Kontaktformular ist in der Kommunikation des Onlinehandels ebenfalls Standard: 62% der Händler gab an, dass sie über elektronische Formulare angeschrieben werden, 41% davon nur gelegentlich. Im Internetzeitalter bleibt zudem die persönliche Beratung wichtig: Bei 58% wird die persönliche Beratung vor Ort oder in der Filiale genutzt, 39% davon häufig.
Zum fünftwichtigsten Kommunikationskanal im Digital Commerce entwickelten sich die sozialen Medien: 46% der Händler wird über Social Media wie Facebook, Twitter oder LinkedIn kontaktiert, 31% davon jedoch nur gelegentlich.
Soziale Medien sind wichtige Kommunikationskanäle anbieten, effektiv für den Handel genutzt, werden sie nur selten.
Eine Chatfunktion, in welcher Shop-Mitarbeitende die Kundenanliegen beantworten, wird von 21% der Händler angeboten, aber nur von 8% der Kunden auch häufig genutzt.
Chatbots – in diesem Fall antwortet Software auf Kundenanfragen in einer Chatfunktion oder in Messenger-Diensten – haben sich im Schweizer E-Commerce noch nicht durchgesetzt und werden nur von 6% genutzt.
Das Forschungsprojekt ging zudem der wichtigen Frage nach, welche Marketinginstrumente für die Onlinehändler wichtig sind, um Traffic und Umsatz zu generieren. Abb. 4 zeigt 16 Instrumente des klassischen und digitalen Marketings absteigend ihrer Wichtigkeit für den E-Commerce.
Die Suchmaschinenoptimierung, häufig Search Engine Optimization oder kurz SEO genannt, ist für Onlinehändler ein essentielles und zugleich komplexes Aufgabengebiet. Für 88% der 429 befragten Schweizer Onlineshops ist SEO relevant, für 72% davon sehr. Nur ganz wenig Onlinehändler stuften SEO als irrelevant für ihr digitales Geschäft ein.
Die Suchmaschinenwerbung, kurz SEA, ist und bleibt eine der wichtigsten Disziplinen des Online Marketings. SEA – allen voran Google Ads – ist für 84% der Onlineshops relevant.
82% der Onlinehändler gaben an, dass Newsletter– bzw. E-Mail-Marketing für sie von Bedeutung ist. Newsletter bleiben ein effektives und effizientes Instrument der Kundenbindung, das es gerade bei Onlineshops zu nutzen und optimieren gilt.
In der Erhebung wurden die Onlinehändler befragt, wie relevant Social Media-Werbung wie z.B. Facebook Ads für sie ist. Die Antworten verblüffen: Für zwei Drittel ist Social Media-Werbung sehr oder eher relevant und nur für einen Drittel irrelevant.
Social Media Ads gewannen – gerade wegen ihrer gezielten Aussteuerung nach Zielgruppen – in den letzten Jahren an Momentum und wurden integraler Bestandteil des Digital Marketing-Mix der meisten Onlinehändler.
Erst an fünfter Stelle in Abb. 4 folgt mit physischen Mailings das erste klassische Offline Marketing-Instrument. Für die Hälfte der (meist kleinen) Onlineshops ist das Direktmarketing relevant.
Retargeting (Remarketing) ist für Onlinehändler ein beliebtes digitales Marketinginstrument, um Kunden mittels Third-Party-Tracking auf Drittseiten gezielt anzusprechen und zurück in den Onlineshop zu holen. Retargeting ist ziemlich effizient und deshalb bei der Hälfte der befragten Onlinehändler hoch im Kurs.
Die Bedeutung von Inseraten und Zeitungsbeilagen nimmt ab, wie die vorliegenden Resultate zeigen: 37% der Onlineshops erachten sie als relevant, davon nur 14% als sehr relevant. Andererseits spielen Inserate und Beilagen für 63% der Onlinehändler keine Rolle mehr, und dieser Anteil steigt Jahr für Jahr.
In kurzer Zeit wurde Influencer Marketing ein häufig genutztes und beliebtes Instrument, um Produkte authentisch in sozialen Medien wie z.B. Instagram zu platzieren.
Influencer Marketing ist weit mehr als nur ein Buzzword: Für jeden dritten Onlineshop ist es relevant.
Somit wurde dieses digitale Marketinginstrument wichtiger als klassische Instrumente wie Sponsoring (31%), Aussenwerbung (24%), Fernsehwerbung (17%) oder Radiowerbung (11%).
Weitere Instrumente des Digital Marketings wie Affiliate Marketing (28%), Videomarketing (z.B. YouTube Ads; 27%) und Sponsored Content (auch Native Advertising genannt; 23%) werden vor allem im B2C-Bereich von grösseren Onlineshops eingesetzt, welche sich diese budget- und ressourcenmässig leisten können.
Fazit zum Marketing: Digital Commerce impliziert Digital Marketing: 8 der 10 wichtigsten Marketinginstrumente der Shops sind digital. Klassische Werbekanäle wie Inserate, Aussen-, Fernseh- oder Radiowerbung sind gerade für mittlere und kleinere Schweizer Onlineshops von geringer Bedeutung.
Weitere und detailliertere Ergebnisse zum Stimmungsbarometer der HWZ Hochschule für Wirtschaft und der Onlinehändlerbefragung zum Schweizer Digital Commerce der Hochschule Luzern finden Sie hier: www.post.ch/e-commerce/studien
Mehr zum Thema E-Commerce finden Sie hier: www.hslu.ch/e-commerce
Kommentare
4 Kommentare
Alexander Müller
2. November 2019
Anibis hat extrem rigide Regeln. So weigert sich Anibis z.B. hartnäckig Werbung für Pfeffersprays zuzulassen. Sogar Armbrüste und Schwerter waren zeitweise ein Problem. Obwohl diese nach Schweizer Waffenrecht KEINE Waffen sind. Deshalb habe ich mein Anibis-Konto entnervt gekündigt. Amazon ist diesbezüglich wesentlich liberaler und weniger ideologisch.
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[…] Die Studie wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern, der Fachhochschule Nordwestschweiz und der Schweizerischen Post durchgeführt. Ziel der Studie ist, die Sichtweise der Onlinehändler und deren Einschätzung bezüglich Digital Commerce zu erheben und zu analysieren. Als Forschungsansatz wurde eine quantitative empirische Studie gewählt. Die Onlinebefragung fand Mitte 2018 statt. Es haben sich über 360 Schweizer Onlinehändler an der Umfrage beteiligt. Weitere Ergebnisse finden sich unter ikm-hslu.ch […]
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