Meine Erwartung an den Kurs CAS Digital Media and Campaign Management an der Hochschule Luzern war, mehr darüber zu erfahren, welche Erkenntnisse aus dem digitalen Marketing die Arbeit in der klassischen Kommunikation bereichern könnten. Zudem sollte der Kurs generell mein Wissen über das Marketing und über digitales Marketing im Speziellen vervollständigen. Wurden diese Erwartungen erfüllt? Absolut! In diesem Blogartikel beleuchte ich verschiedene Themen und Inhalte des halbjährigen CAS.
Marketing und Kommunikation werden ab und zu als «verfeindete Schwestern» bezeichnet – ein Bonmot mit anekdotischem Charakter. Aber gerade ab einer Unternehmensgrösse, bei der die beiden Disziplinen organisatorisch getrennt geführt werden und wenig Berührungspunkte bestehen, empfinden Menschen in der Kommunikation das Marketing häufig als oberflächlich und marktschreierisch, während Menschen im Marketing die Kommunikation oft als verstaubt und wenig effizient und effektiv erleben. Aus der Perspektive eines Kommunikationsexperten ist es daher wertvoll zu erfahren, welche Erkenntnisse aus diesem Kurs in einer klassischen Kommunikationsabteilung eingesetzt werden können. Die in diesem Reflexionsbericht geschilderten Erkenntnisse werden daher an einer Beispiel-Kommunikationsabteilung in einem Unternehmen, in dem Kommunikation und Marketing getrennt arbeiten und unterschiedliche Inhalte und Zielgruppen bedienen, gespiegelt.
Das Marketing profitiert zwar nicht früher von neuen digitalen Kommunikationskanälen als die Kommunikation, aber macht sicher umfassender und intensiver davon Gebrauch. Zudem gelten in Kommunikationsabteilungen, die noch ein traditionelles Verständnis von Inhalten und Kanälen pflegen, diese neuen Formate oft als reine Notwendigkeit und weniger als willkommene Ergänzung oder gar Ersatz bisher verwendeter Formate. Das mag auch der Tatsache geschuldet sein, dass diese Kanäle auch neue, teilweise noch nicht vorhandene Fähigkeiten verlangen. Es ist erstaunlich, wie oft in Anzeigen für Kommunikationsstellen nach wie vor Kenntnisse und Erfahrungen in der SEO explizit erwähnt werden – so als ob diese Fähigkeit nach wie vor nicht zum Basiswissen gehört wie zum Beispiel das Verfassen von Texten. Den Kommunikationsabteilungen ist immerhin bewusst, dass die Social-Media-Kanäle neben vielen Chancen auch Risiken des Stolperns oder gar Scheiterns bergen, wie das in den letzten Jahren das Phänomen «Shitstorm» gezeigt hat.
Aus meiner Sicht haben die Dynamik und Vielseitigkeit des digitalen Marketings die klassische Kommunikation weit überholt: Das Marketing arbeitet integrativer und umfangreicher. Die Kommunikation arbeitet zum Beispiel noch häufig mit Kommunikationsplänen, die über einen recht begrenzten Zeitraum und auf wenigen Kanälen aufgebaut sind. Es gibt in der Regel keine Rückkoppelungsmechanismen, die aufgrund von Reaktionen und/oder Interaktionen mit der Zielgruppe die Aktivitäten, Formate und Kanäle laufend beeinflussen würden. Auch werden wenige bis gar keine finanziellen Ressourcen aufgewendet, um ein Thema noch zielgenauer zu platzieren – es geht oft ausschliesslich um «Earned Media»-Aktivitäten, zum Beispiel mit dem Format Medienmitteilung oder dem Angebot an Redaktionen für Reportagen oder Interviews im Betrieb, während sich die Sozialen Medien immerhin für Spezialthemen wie das Employer Branding etabliert haben.
Eine wichtige Erkenntnis des CAS Digital Media and Campaign Management ist für mich, dass klassische, isoliert eingesetzte PR-Instrumente und -Mechanismen immer mehr an Effektivität verlieren und es sich aufdrängt, auch Kommunikation über einen längeren Zeitraum und auf breit gefächerten Kanälen in sorgfältig geplante Kampagnen einzubetten, und die vorab definierten Zielgruppen noch genauer ansprechend. Dabei gilt, dass heute viel mehr Akteure um die Aufmerksam der Öffentlichkeit buhlen – eine Öffentlichkeit, die sich zudem zunehmend in Gruppen mit Spezialinteressen aufteilt. Auch war die kommunikative Macht der Influencer noch vor wenigen Jahren undenkbar. Gleichzeitig ist es spannend, wie viele Chancen die digitalen Kanäle letztlich allen Akteuren in gleichem Masse bieten.
Mir ist wichtig gelernt zu haben, dass die verschiedenen Instrumente einer Kampagne nicht unabhängige Disziplinen oder Formate sind, sondern als vernetztes Kampagnenkonzept – ähnlich eines U-Bahn-Netzes – verstanden werden müssen. Und eine weitere Erkenntnisse des Kurses ist es, wie sehr gutes Marketing den Prozess über den eigentlichen Kauf hinaus weiterdenkt, während die Kommunikation nach dem Abwickeln eines Kommunikationsplanes das Thema häufig ganz oder zumindest vorübergehend schliesst.
Auch beim Thema Kundenlebenszyklus lässt sich beobachten, dass die Kommunikation ihre Zielgruppen inhaltlich und zeitlich oft noch nur punktuell anspricht und nicht in einem Zyklus denkt. Akquisition, Entwicklung, Bindung und Pflege werden selten als Phasen eines Kundenlebenszyklus gedacht und gepflegt.
Interessant ist die Tatsache, dass die nach bisherigem Verständnis vier grossen Disziplinen der Kommunikation – externe Kommunikation, interne Kommunikation, Investor Relations und Public Affairs – zwar bereits seit vielen Jahren mit einer Unterteilung der Zielgruppen arbeitet, wenn auch eine sehr grobe. Die Investor Relations und die Public Affairs bieten dabei eine noch hinreichend klare Abgrenzung und Definition der Zielgruppe – die Vertreter des Finanzmarktes und die Vertreter der Behörden und Politik. Die Zielgruppe bei der internen Kommunikation ist mit Ausnahme der juristischen Zugehörigkeit zu einem Unternehmen schon weniger homogen, und bei der externen Kommunikation ist das bisherige Verständnis von «Öffentlichkeit», nämlich das einer alles umfassenden, wenig spezifischen Ansprache, immer weniger zeitgemäss. Hier verhelfen das Verständnis von Personas und die heutigen Möglichkeiten, die sich durch die digitalen Kanäle bieten, zu einer viel genaueren Ansprache. Wenn die formalistische Definition der Kommunikation die ist, dass gute Kommunikation den richtigen Inhalt zur richtigen Zeit auf den richtigen Kanälen in der richtigen Sprache der richtigen Zielgruppe übermittelt, liegt grosses Potenzial zu mehr Effizienz und Effektivität in der digitalen Kommunikation für alle fünf Elemente: Die neuen digitalen Kanäle erlauben heute bei allen viel fokussiertere Lösungen.
Auch wenn die Kommunikation in der Regel und primär nicht den Verkauf eines Produktes oder einer Dienstleistung bezweckt, kann das Wissen rund um das Thema Sales Funnel in der klassischen Kommunikation sehr gut angewandt werden bei den Überlegungen, wie die Kommunikation im Rahmen einer mehrstufigen Kampagne ein konkretes Ziel erreichen kann. Als Beispiel drängt sich hier die Politik, bzw. ein politisches Thema auf: Wie kann ein Unternehmen Politikerinnen und Politiker erstens auf seine Unternehmensziele ansprechen, dann eine positive Grundhaltung dafür erreichen und letztlich diese positive Grundhaltung, die im besten Fall sogar in eine konkrete und für das Unternehmen positive Handlung seitens der Behörden mündet, auf lange Frist erhalten. Das «See à Think à Do à Care»-Model nach Avinash Kaushik hilft der Kommunikation – wenngleich das «Do» in der Regel nicht der Kauf eines Produktes oder einer Dienstleistung ist – das gesteckte Ziel zu erreichen und von einer Reihe von wenig koordinierten Aktionen zu einer strukturierten Kommunikationskampagne überzugehen.
Aus meiner Sicht ein grosser Unterschied zwischen klassischer Kommunikation und modernem Marketing ist die Messbarkeit bzw. Auswertung der eigenen Aktionen. Gerade neben der viele Jahre vorherrschenden Konzentration auf das Thema Clippings – also die Frage, wie viele Redaktionen eine Medienmitteilung übernommen und abgedruckt haben – wäre noch viel mehr an Auswertung möglich. Die digitalen Kanäle haben auch für die Kommunikation neue Möglichkeiten eröffnet, gleichzeitig aber auch neue Herausforderungen geschaffen: Ein genaueres Messen und Auswerten der eigenen Kommunikationsaktivitäten müssen letztlich auch zu einer grösseren Notwendigkeit führen, die eigenen Aktivitäten kritisch zu hinterfragen und, falls nötig, anzupassen. Dieses Messen und Auswerten muss heute zu einem modernen Verständnis guter Kommunikation gehören, verlangt aber auch neue Fähigkeiten und neue Strukturen: Viele Unternehmen arbeiten ja bereits seit einigen Jahren mit einem Newsroom-Ansatz, also zeitlich, inhaltlich und strukturell viel enger kontrollierten Kommunikationsaktivitäten, wozu auch immer bessere technische Hilfsmittel zur Verfügung stehen.
Zwei Bereiche der Kommunikation verdienen in diesem Zusammenhang besondere Erwähnung: Bei der Brand Awareness einerseits ist es wichtig zu beachten, dass es das von früher bekannte langsame, aber stetige Aufbauen einer Marke wegen der Schnelllebigkeit der digitalen Kanäle immer weniger gibt – sie verlangen ein anderes Vorgehen, das aber durchaus auch Chancen beinhaltet, denn letztlich gibt es viel mehr Formate und Kanäle als früher. Das Employer Branding andererseits ist zwar dazu geeignet, die Wahrnehmung eines Unternehmens als gute Arbeitgeberin in der Öffentlichkeit aufzubauen, besitzt aber auch das Potenzial zur schnellen Vernichtung der bisher erzielten Erfolge aufgrund unkontrolliert auftretender «Shitstorms», gerade wenn negative Erfahrungen einzelner Mitarbeitenden mit dem Unternehmen grossen Platz einnehmen und daraus entstehende Diskussionen nicht mehr im Sinne des Unternehmens beeinflusst werden können.
Grosses Potenzial bei der klassischen Kommunikation besteht darin, die Kontakte mit den Anspruchsgruppen als Customer Journey zu verstehen. Noch viel zu wenig wird eine Kommunikationsaktivität darauf ausgerichtet, was sie bei der Zielgruppe auslöst und welchen Mehrwert sie bieten, sondern darauf, wie diese Aktivitäten die Kommunikationsbedürfnisse des Unternehmens befriedigen. Hier braucht es ein Umdenken.
Dieses Kursmodul bietet Erkenntnisse, die für die Kommunikation in gleichem Masse relevant und interessant sind wie für das Marketing. Ich interpretiere das Gelernte in der für mich spannenden Erkenntnis, dass es nicht wichtig ist, was ich sagen möchte, sondern dass es darauf ankommt, was verstanden wird. Die Persönlichkeitsmodelle zeigen dabei, unter anderem, die Wichtigkeit von Sprache auf: Das Verständnis der verschiedenen Limbic Types und der Bedeutung emotionaler Prozesse hilft, die richtigen Inhalte in der richtigen Sprache zu formulieren. Ein Beispiel, an dem das hervorragend illustriert werden kann, ist einer der am häufigsten gehörten Sätze in der Kommunikation: «Kommunikation ist Chefsache». Diese Aussage stimmt als Grundsatz, nur verstehen viele Führungskräfte damit häufig viel mehr machtpolitische Aspekte als das Wahr- und Ernstnehmen und das Befriedigen der Kommunikationsbedürfnisse der angesprochenen Zielgruppe. Die Erkenntnisse aus diesem Kursmodul helfen darauf zu achten, dass nicht das, was eine Führungsperson sagen möchte, relevant ist, sondern das, was bei der entsprechenden Zielgruppe verstanden werden soll, und ob es die Bedürfnisse dieser Zielgruppe bedient.
Das Aufkommen der Influencer-Szene – und damit vor allem deren Resonanz in einer breiten Öffentlichkeit – war vermutlich eines der komplexesten Phänomene der sozialen Medien für die Kommunikationsabteilungen, und in noch verschärfter Form für die klassischen Medien: Die viele Jahre gepflegte Koexistenz der Kommunikation und der Medien wurde dadurch nachhaltig in Frage gestellt, weil nicht mehr die Medien die alleinige Informations- und Wertungshoheit besitzen. Diese Entwicklung muss von den Kommunikationsabteilungen entsprechend in ihre Arbeit einfliessen. Das Resultat dieser Koexistenz war bisher «Earned Media»-Aktivitäten und damit einhergehend das Verständnis, dass Kommunikation nur in Ausnahmefällen – wie zum Beispiel bei Publireportagen – auch externe Kosten verursacht. Mit dem Aufkommen der Influencer sind nun zwar zielgruppenspezifische, aber eben auch Kosten verursachende Kampagnen möglich. Die volatile Szene der Influencer ist allerdings sehr viel aufwendiger zu erfassen und zu beobachten als es die klassische Medienlandschaft je war. Dieses Kursmodul zeigt bei Themen wie zum Beispiel Employer Branding, Brand Awareness und Produktinformationen interessante Möglichkeiten auf, motiviert aber auch dazu, in der Kommunikation über Influencer ganz spezifische Zielgruppen anzusprechen, die bisher nicht erreicht werden konnten.
Die Kommunikation arbeitet in der Regel mit meist klar definierten Zielgruppen wie zum Beispiel den Mitarbeitenden. Dieses Kursmodul zeigt mir an verschiedenen Beispielen eindrücklich, dass es für Unternehmen interessante Möglichkeiten gibt, Communities aufzubauen. Das vorgestellte Beispiel eines pensionierten Swisscom-Kunden, der ehrenamtlich Fragen anderer Kundinnen und Kunden beantwortet, zeigt eindrücklich, welches Potenzial es hier gibt, wenn es ein Unternehmen schafft, die Identifikation mit ihm oder seinen Produkten als für viele Menschen erstrebenswert erscheinen zu lassen.
LinkedIn muss definitiv ein fester Bestandteil der Basiskanäle der heutigen Kommunikation werden. Auch wenn schon viele Unternehmen damit arbeiten, zeigt dieses Kursmodul eindrücklich auf, wie viele Möglichkeiten zur Personalisierung zur Verfügung stehen. Diese zunehmende Fokussierung auf immer spezifischere und letztlich auch kleinere Zielgruppen mag mehr Aufwand mit sich bringen, ist aber aus meiner Sicht eines der wichtigen Brückenformate in eine moderne Kommunikationsstruktur. Das Kursmodul vermittelt dabei nicht nur die Wichtigkeit von LinkedIn in Zahlen, sondern zeigt auch, wie LinkedIn es den Unternehmen ermöglicht, die Mitarbeitenden in die Kommunikationsaktivitäten einzubetten und damit noch bessere Reichweiten und Zielgruppen zu erreichen – bei einem hohen Mass an Glaubwürdigkeit. Mögliche Beispiele für spezifische Zielgruppen, die aus meiner Sicht über LinkedIn angesprochen werden könnten: Investoren, Politiker, gesellschaftliche Segmente (Sport, Wirtschaft, Kultur, Lehre, etc.).
Einige Unternehmen arbeiten bereits mit einem Newsroom-Modell, das das Erfassen verschiedenster Messdaten beinhaltet. Dieses Kursmodul zeigt mir dabei nicht nur Aspekte im Marketing auf, die auch in der Kommunikation zunehmend von Bedeutung sein können, sondern macht auch grosse Lust darauf: Eine grosse Fülle von Messdaten lässt sich recht effizient generieren und kann in ein entsprechend ausgelegtes System eingebettet, gepflegt und diese Analyse laufend in die Aktivitäten integriert werden. Damit wird Kommunikation überprüfbarer und interaktiver.
Der Autor, Herr Andres C. Nitsch, absolvierte das CAS Digital Media and Campaign Management im Frühjahr 2021.
Kommunikationsverantwortlicher AMEOS Standorte Schweiz
Teilnehmer CAS Digital Media and Campaign Management 2021
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