Forschung und Unterrichtspraxis zusammenzubringen, das war das Ziel der Konferenz FwS 2018. Die Referate lieferten viele Denkanstösse, in welche Richtung Forschung und Didaktik im Bereich Multimodalität des Schreibens gehen müssten.
Dr. Arlene Archer von der University of Cape Town, Südafrika, eröffnete den zweiten Tag der Tagung «Schrift – Bild – Ton. Schreiben als multimodales Ereignis», der 7. Internationalen Konferenz des Forums wissenschaftliches Schreiben in Zusammenarbeit mit dem Institut für Kommunikation und Marketing IKM der Hochschule Luzern – Wirtschaft. In ihrer Keynote zu «Multimodality and Writing: Academic Voice across Modes» ging es um die Entwicklung eines Tools zur Analyse der Inhaltsrepräsentation über alle Modi hinweg. Es soll das Gerüst für eine kritische Meta-Sprache bilden, die es den Studierenden erlaube, sich das akademische Schreiben in allen modalen Ausprägungen anzueignen sowie zugleich kritisch zu hinterfragen.
Im Kern ihrer Ausführungen stand das Konzept der Voice. Ein angelsächsischer Begriff, der auf Deutsch wohl am ehesten mit dem Begriff «Autor-Stimme» umrissen werden kann. Mit Voice meinte Archer die Art und Weise, wie ein Autor im Text Präsenz markiere. Dies passiere etwa durch die Wahl bestimmter semiotischer Ressourcen oder durch die Art und Weise, wie sich ein Autor gegenüber Quellen und Traditionen (Zitieren) sowie gegenüber seinen Lesern und Leserinnen positioniere (authorial engagment).
Die Autoren-Stimme manifestiert sich nicht nur auf der Ebene des Textes, sondern auch in Bildern, Infografiken oder konkreten Objekten.
So lasse sich in allen Modi Voice darstellen: Durch die Wahl eines bestimmten Fonts, einer Schriftfarbe oder bestimmte sprachliche Mittel (Verwendung des Passivs oder Markierungen in akademischen Texten), oder durch die Art der Bilder und deren Bearbeitung (z.B. schwarz-weiss, Farbton) sowie die Wahl eines bestimmen Diagrammtyps. Selbst im Design konkreter Objekte wie Schmuckstücke ist Voice zu entdecken, etwa bei der Wahl des Materials, der Formen, der Farben etc.
Allerdings lassen sich nicht alle kommunikativen Handlungen in allen Modi vollziehen. Es gibt kontextuelle sowie semiotische Restriktionen, wie Archer am Beispiel des vergeblichen Versuchs illustrierte, einen Begriff mittels Bildern zu definieren.
Prägnant formulierte Arlene Archer zum Abschluss ihre Erkenntnisse, die Studierenden dabei helfen sollen, eine eigene akademische Voice herauszubilden:
Kaum eine Textsorte darf heute so prototypisch für die multimodale Ausdifferenzierung von Texten gelten wie das Poster, das zunehmend auch als Form des Leistungsnachweises im Studium eingesetzt wird. Roswitha Dubach, Anita Gertiser und Ruth Wiederkehr der FHNW Windisch zeigten in ihrer Präsentation, wie sich Multimodalität in der Gestaltung wissenschaftlicher Poster «gezielt ausschöpfen» lässt, wie sie dies formulierten.
Auch ihr Vorgehen verknüpfte Forschung und Unterrichtspraxis effizient: Als Datengrundlage diente ihnen ein Korpus von Thesis-Postern aus den Technik- und Wirtschaftsstudiengängen der FHNW. Die Poster der Studierenden wurden unter anderem ausführlich auf Handlungsstrukturen, Verknüpfungen und Wechselbeziehungen, Kohäsion und Kohärenz zwischen den verschiedenen Modi untersucht.
Aus diesen Analysen zogen Dubach, Gertiser und Wiederkehr nützliche Schlussfolgerungen für den Unterricht: So wird den Studierenden für die Gestaltung von Postern vermittelt, in Projektstadien zu denken, die Funktionalität der einzelnen Gestaltungselemente und den Informationsgehalt der Bilder zu reflektieren sowie nach sinnvollen Verknüpfungen und Kontaktstellen der verschiedenen Elemente zu suchen. Von der hohen Qualität der präsentierten Poster her zu urteilen, scheint diese didaktische Strategie aufzugehen.
Gleichwohl vermochte ihre akribische Analyse anhand einiger ungünstiger Gestaltungsentscheidungen zu zeigen, dass multimodale Elemente sich nicht universal für jede kommunikative Aufgabe anbieten, d.h. gemäss Archer ihre je eigene Affordanz haben.
Nicht nur fertig gestaltete Texte sind multimodal, sondern auch dem Schreib- und Designprozess vorangehende Prozesse sollten multimodal gestaltet werden, schlugen Tobias Schmohl von der Universität Hamburg und Louise Hofmann von der FernUniversität Hagen vor. Sie präsentierten in ihrem Beitrag didaktisch ausgefeilte Instrumente und Strategien der Wissensorganisation, die zur Begleitung von Abschlussarbeiten und Promotionen eingesetzt werden können. Als Herzstück ihres Unterrichtskonzepts stellten sie ein Phasenmodell der Wissensorganisation vor, das auf dem einschlägigen Schreibprozess-Modell von Flower & Hayes aufbaut. Es umfasst das kreative Finden von Themen, Ideen und Konzepten, das Vernetzen und Clustern derselben, das Anlegen einer Struktur und die Sequenzierung sowie abschliessend die Integration sowie Aggregation dieser Wissensbestände. Jede dieser Phasen wird mit multimodalen Darstellungs- und Verarbeitungstechniken begleitet: So soll beispielsweise ein elektronisches Notizbuch die «Um-Organisation» des Wissens, wie es die Referenten nennen, anstossen.
Mit visueller Kommunikation ausserhalb des Bildungskontextes beschäftigten sich zwei Referate am Nachmittag.
Bruno Frischherz von der Hochschule Luzern – Wirtschaft ging der Frage nach, wie Nachhaltigkeit «ins Bild» gesetzt wird. Untersucht wurden Nachhaltigkeitsberichte von Firmen aus dem deutschsprachigen Raum und darin das ansehnliche Korpus von insgesamt 456 Diagrammen und 229 Infografiken. Diese visuellen Elemente wurden diskursanalytisch auf die Darstellung verschiedener Denkformen wie Struktur, Prozess, Relation und Transformation analysiert. Auch aus dieser Untersuchung lassen sich wichtige Schlüsse für die Vermittlung ableiten. Frischherz verpackte sie in ein Beurteilungsraster der Multimodalität, das Kriterien für die Verständlichkeit von Texten Kriterien für visuelle Gestaltung gegenüberstellt. So stellt Frischherz etwa für Infografiken Gestaltungsgesetze und angemessene Skalierung als Kriterien formaler Korrektheit vor oder Einheitlichkeit in der Komposition als Gliederungskriterium.
Der Abschluss der Tagung bildete ein wahrer visueller Augenschmaus – ein Text-Bild-Vortrag von Jiri Chmelik und Rafael Koch von der Kommunikationsagentur Noir Associates GmbH in Zürich. Ausgehend von der Frage Was ist Kommunikation? Und wie lässt sie sich expressiv, effektiv und effizient ausgestalten? erläuterten Chmelik und Koch sowohl verbal als auch visuell Grundideen von Kommunikationstheorien aus der Soziologie und der Ethnologie und stellten von dort Verbindungen zu Design-Prinzipien her. Dazu gehörten etwa die Vorstellungen von Kommunikation als Übertragen von Informationen, Kommunikation als Ritual oder Kommunikation als Präsentation des Selbst. Die prägnanten visuellen Umsetzungen erläuterten und ergänzten diese Vorstellungen und gelangten so zu einer Darstellung geglückter und missglückter (visueller) Kommunikation als (fehlender) Passung zwischen Sender und Empfänger (bgl. Abb. 1 und 2). Das Referat schloss mit einem Rundgang durch eine Auswahl visuell eindrücklicher Design-Projekte der beiden Referenten.
Die beiden Referate illustrierten theoretisch und praktisch, wie omnipräsent multimodale Texte sind und wie ihre kulturelle Signifikanz mittlerweile immer deutlicher hervortritt. Sie waren somit implizit auch ein Plädoyer für die von Hartmut Stöckl am ersten Konferenztag geforderte Integration der Multimodal Literacy in Schule und Studium.
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