Sustainability Marketing: Schönreden war gestern

Sustainability Marketing: Schönreden war gestern

Autorin: Laura Ebbinghaus

Senior Wissenschaftliche Mitarbeiterin am IKM und Doktorandin an der HHL Leipzig

Sustainability Marketing hat sich stark verändert: Vom Fokus auf Ressourcenschutz hin zur Förderung einer umfassenden Nachhaltigkeitstransformation. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die Entwicklung des Sustainability Marketing, zeigt aktuelle Herausforderungen auf und skizziert Wege, wie Marketing eine treibende Kraft für eine wirklich nachhaltige Zukunft werden kann.

Marketing und Überkonsum: Eine kritische Bilanz

Das Wirtschaftswachstum der letzten Jahrzehnte hat den Wohlstand gefördert, gleichzeitig aber durch die zunehmende Übernutzung natürlicher Ressourcen auch zu Umweltzerstörung, Klimawandel und Biodiversitätsverlust beigetragen. Traditionelles Marketing spielte dabei eine nicht unbedeutende Rolle, da es auf immer mehr Konsum abzielte und natürliche Ressourcen als unbegrenzt betrachtete.

Im Laufe der Zeit hat sich das Marketing jedoch weiterentwickelt: Sustainability Marketing rückt ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt – mit dem Ziel, nicht nur nachhaltige Konsumentscheidungen zu fördern, sondern auch wirkungsvolle Lösungen für eine nachhaltige Zukunft anzubieten.

Von Ecological zu Sustainable Marketing: Ein kurzer Überblick

Die Entwicklung des Nachhaltigkeitsmarketings lässt sich in drei Phasen unterteilen:

  • Ecological Marketing (1960er/70er): Erste Reaktionen auf Umweltprobleme wie Luftverschmutzung oder Ressourcenknappheit. Im Vordergrund standen technische Lösungen und gesetzliche Regulierung.
  • Environmental (Green) Marketing (1980er/90er): Unternehmen begannen, sich gezielt an umweltbewusste Segmente („green consumers“) zu wenden und Produkte nachhaltiger zu gestalten.
  • Sustainable Marketing (ab 2000er): Ein umfassender Ansatz, der ökologische und soziale Aspekte systematisch integriert. Ziel ist es, langfristig nachhaltige Wertschöpfung zu schaffen, Innovation und neue Geschäftsmodelle zu fördern sowie Unternehmen und Regierungen gemeinsam in die Pflicht zu nehmen, um globale Umwelt- und Gesellschaftsprobleme zu bewältigen.

Aktueller Fokus: Warum High-Impact-Verhalten entscheidend ist

Ein grosser Teil der Forschung konzentriert sich bislang auf relativ einfach umsetzbare nachhaltige Verhaltensweisen wie Recycling oder den Kauf umweltfreundlicher Produkte. Hochwirksame Veränderungen – etwa der Verzicht auf Flugreisen oder die Umstellung auf eine pflanzenbasierte Ernährung – sind hingegen noch wenig erforscht und selten Gegenstand praktischer Interventionen.

Zukünftig wird es entscheidend sein, diese Lücke zu schliessen. Denn: Es gibt kein allgemeines «Patentrezept» zur Förderung nachhaltigen Verhaltens. Die Barrieren, Werte und sozialen Einflussfaktoren unterscheiden sich je nach Verhaltensbereich erheblich. Gerade im breiten Wandel von High-Impact-Verhaltensweisen liegt jedoch ein wesentlicher Hebel für effektiven Klimaschutz.

Drei Wege in die Zukunft: System-, Business- und Consumer-Driven Changes

Die Zukunft des Sustainability Marketing entwickelt sich entlang dreier Hauptstränge:

  • Systembedingte Veränderungen (System-Driven Changes): Dazu zählen politische Rahmenbedingungen, Regulierungen und Infrastrukturmassnahmen, die nachhaltiges Verhalten erleichtern und nicht-nachhaltige Optionen erschweren sollen. Beispielsweise neue Gesetze oder Systeme wie z. B. Pfandsysteme, die Anreize schaffen und breite Verhaltensänderungen anstossen.
  • Unternehmensgetriebene Nachhaltigkeitsinitiativen (Business-Driven Sustainability Initiatives): Immer mehr Unternehmen ergreifen freiwillige Massnahmen, um Nachhaltigkeit proaktiv in ihre Strategien zu integrieren. Dazu gehören die Offenlegung von Klimarisiken, die Einführung von CO₂-Labels und die Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg, einschliesslich der Scope-3-Emissionen. Zudem treiben Unternehmen Innovationen voran – etwa durch die Entwicklung neuer Materialien, den Aufbau von Kreislaufwirtschaftsmodellen oder die Unterstützung von Zero-Waste-Ansätzen. Ein neuer Trend geht sogar über reine Nachhaltigkeit hinaus: Regenerative Geschäftsmodelle zielen darauf ab, aktiv positiven Einfluss auf Umwelt und Gesellschaft zu nehmen, anstatt lediglich negative Auswirkungen zu minimieren.
  • Verbrauchergesteuerte Nachhaltigkeitsinitiativen (Consumer-Driven Sustainability Initiatives): Konsumierende treten zunehmend als aktive Gestaltende nachhaltiger Entwicklung auf. Dazu gehören nicht nur bewusstes Investieren und der gezielte Kauf nachhaltiger Produkte, sondern auch die Unterstützung von Nachhaltigkeitsbewegungen, digitale Advocacy-Kampagnen und die Nutzung neuer Technologien zur Förderung nachhaltiger Entscheidungen.

Technologie als Hebel: KI und Nachhaltigkeit

Ein besonderer Trend zeichnet sich im Zusammenspiel von Technologie und Nachhaltigkeit ab. Künstliche Intelligenz (KI) unterstützt Unternehmen zunehmend dabei, nachhaltige Praktiken umzusetzen – etwa durch die Optimierung von Produktionsprozessen, die Reduktion von Materialabfällen oder die personalisierte Ansprache von Konsumierenden mit nachhaltigen Angeboten. Beispiele wie die KI-gestützte Abfallreduktion in der Gastronomie oder die Effizienzsteigerung in Lieferketten zeigen das Potenzial dieser Technologien. Gleichzeitig erfordert der hohe Energiebedarf von KI-Systemen neue Lösungen, um ihre ökologischen Auswirkungen zu minimieren. Auch Blockchain-Technologien werden zunehmend eingesetzt, um Transparenz entlang der Lieferketten zu schaffen und Konsumierende bei nachhaltigen Kaufentscheidungen zu unterstützen. Die zukünftige Herausforderung wird sein, das Potenzial dieser Technologien nicht nur für ökologische, sondern auch für soziale Nachhaltigkeitsziele gezielt zu nutzen.

Marketing trägt eine zentrale Verantwortung

Um eine wirklich nachhaltige Zukunft zu gestalten, braucht es das Zusammenspiel von politischem Willen, unternehmerischer Innovation und verändertem Konsumverhalten – und zwar auf allen Ebenen. Sustainability Marketing wird dabei eine zentrale Rolle spielen – durch einen Ansatz, der Innovation, Wandel und Verantwortung miteinander verbindet.

Dieser Beitrag fasst zentrale Erkenntnisse aus dem Forschungsartikel «The past, present, and future of sustainability marketing: How did we get here and where might we go?» von Katherine White, Aylin Cakanlar, Shakti Sethi und Remi Trudel (2025) zusammen und ergänzt sie um aktuelle Forschungsperspektiven.

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