27. Oktober 2025
Die moderne Zivilisation und ihr Energiebedarf entwickeln sich rasant. In der Schweiz machen Gebäude ein Drittel des Energiebedarfs aus. Die zunehmende E-Mobilität steigert diesen zusätzlich. Fossile Brennstoffe sind jedoch keine Alternative aufgrund der negativen Auswirkungen auf das Klima. Laut Weltklimarat könnte ein Drittel des CO2 durch Gebäudesanierungen und energiesparende Neubauten eingespart werden. Die autarke Energieversorgung gewinnt somit an Bedeutung.
Ein Artikel von: Tobias Spielmann
Autark bedeutet, dass man nur von selbst erzeugten Rohstoffen und Dienstleistungen lebt. Entsprechend steht Energieautarkie dafür, dass ausschliesslich selbst erzeugte Energie zum Wohnen und Leben genutzt wird. Die Energie stammt aus regenerativen Quellen, insbesondere der Sonnenenergie, die mittels Photovoltaik- und Solarthermieanlagen genutzt wird. (Diermann, 2016). Unterschieden wird zwischen echter und bilanzieller Energie-Autarkie. Echte Autarkie benötigt keinerlei externe Energie. Bei bilanzieller Autarkie finanziert der Energieüberschuss im Sommer den Einkauf der fehlenden Energie im Winter (EWE AG, o. J.) (Diermann, 2016). Die Unterscheidung verschiedener Autarkiebereiche ist möglich. Ein zu 100% stromautark betriebenes Gebäude ist bezüglich Heizwärme und Warmwassererzeugung nicht zwingend unabhängig (Viessmann, o. J.).

Wie die Abbildung 1 aufzeigt, findet die Energieerzeugung unter anderem über die Photovoltaiktechnik statt, wobei moderne Photovoltaikanlagen die gesamte Gebäudehülle nutzen und die Fassaden mit nichtspiegelnden Photovoltaikplatten bestückt sind (Verband der Schweiz. Gasindustrie, o. J.).
Eine Kombination aus Photovoltaik und Solarthermie kann den jährlichen Wärmebedarf eines Hauses decken. Hauptsächlich sorgt die Solarthermie mithilfe grossflächiger Dachkollektoren dafür, dass Wärme gewonnen und in einen Speicher eingespeist wird (Viessmann, o. J.). Weiter nutzt die Wärmepumpe thermische Energie aus Luft, Erde oder Wasser und wandelt diese in Wärme für die Heizung und die Warmwasseraufbereitung um. Ihren Betriebsstrom bezieht sie von der Photovoltaikanlage. Ein weiterer Vorteil ist die Nutzung der Wärmepumpe zur Kühlung im Sommer (Viessmann, o. J.). Bei idealer Kapazität liefert die Photovoltaikanlage zusätzlich die Energie für den Strom im Haus. Wie die Abbildung 2 illustriert ermöglicht die Kombination Photovoltaikanlage, Wärmepumpe und Stromspeicher 70-80 % Autarkie (Kümpel, 2023). Ein limitierender Faktor ist der grosse Energiebedarf im Winter, der einer geringen Energieproduktion der Photovoltaikanlage aufgrund schwächerer Sonneneinstrahlung gegenüber steht (Kümpel, 2023).

Im Winter kann dann eine Brennstoffzelle vermehrt die Stromerzeugung übernehmen (Viessmann, o. J.). Eine Brennstoffzelle ist ein elektrochemisches System, das durch die Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff direkt elektrischen Strom erzeugt. Zudem kann der Personenaufzug beispielsweise durch Energierückgewinnung (Rekuperation) beim Abwärtsfahren selbst Energie erzeugen (e-tec, 2023). Ebenfalls kann der Wind für die Energieerzeugung genutzt werden. Eine Kleinwindkraftanlage kann in windstarken Herbst- und Wintermonaten den Schlüssel zu einer nahezu hundertprozentig Energie-Autarkie darstellen, da sie in den Monaten Energie für Heizung und Warmwasser bereitstellt, in denen die Solaranlage wenig leistet. In bebauten Gebieten ist der Wind jedoch oft zu schwach für eine effiziente Energieerzeugung. Eine sorgfältige Standortanalyse ist daher unerlässlich (Jüttemann, 2024). Biogas kann aus Biomasse gewonnen und für die Energieerzeugung verwendet werden. Dadurch kann eines der beiden bereitgestellten Fahrzeuge im autarken Mehrfamilienhaus in Brütten ZH mit Biogas fahren. Die 10’000 km Fahrleistung entsprechen dem Biogas-Treibstoff, der aus den Garten- und Küchenabfällen der neun Mietwohnungen gewonnen wird (Diermann, 2016).
Im Sommer liegt die Stromproduktion einer PV-Anlage in der Regel über dem Bedarf. Die Speicherung der überschüssigen Energie für kältere Monate ist daher essentiell (e-tec, 2023). Für die kurz- und mittelfristige Speicherung bieten sich Batterien an. Die richtige Dimensionierung ist entscheidend, um die Balance zwischen Investitionskosten und Nutzen zu halten. Für die Deckung des Strombedarfs während der Nacht ist eine sieben kWh-Batterie oft ausreichend (Jüttemann, 2024). Für die saisonale Speicherung ist die Power-to-Gas-Technologie eine sinnvolle Alternative. Dabei wird der durch die Elektrolyse hergestellte Wasserstoff unter Druck in Wasserstofftanks gelagert. Im Winter erfolgt daraus die Strom- und Wärmeproduktion mittels Brennstoffzelle (Verband der Schweiz. Gasindustrie, o. J.). Als thermische Energiespeicherung bieten sich Wassertanks an. Ein autarkes MFH mit neun Mietwohnungen in Brütten ZH benötigt dazu zwei Tanks mit je 125’000 l (e-tec, 2023). Eine durchdachte Speicherung der durch Photovoltaik erzeugten Energie ermöglicht einen Autarkiegrad von bis zu 70%. Während der Abend- und Nachtstunden versorgen die Speicher Elektrogeräte und laden das E-Auto (EWE AG, o. J.).
Ein möglichst geringer Energieverbrauch- und verlust ist essenziell für ein autarkes Gebäude. Die optimale Dämmung senkt den Wärmeverlust. Die Wärmerückgewinnung sowie Energieverbrauchoptimierung steigern die Effizienz. LED-Beleuchtungen sowie energieeffiziente Geräte minimieren den Strom-Verbrauch. Wie die nachfolgende Abbildung 3 aufzeigt, können über die Dach- und Aussenwanddämmung bis zu einem Drittel der Energie verloren gehen. Die optimale Dämmung ist somit der Grundstein zur Errichtung energiesparender Häuser und berücksichtigt die gesamte Gebäudehülle. Ein Wärmetauscher reduziert die Wärmeverluste beim Lüften. In Deutschland darf ein Passiv-Haus (besonders energieeffizientes Gebäude) einen Heizwärmebedarf von 15kwh pro m2 Jahr nicht übersteigen. Dadurch benötigt dieses Haus nur Mini-Wärmepumpen (Kümpel, 2023).

Ein positives Beispiel der Wärmerückgewinnung zeigt die Firma Juwi aus Wörrstadt in Deutschland. Lüftungsanlagen mit Wärmetauschern fangen, die im Haus produzierte Wärme beim Ausströmen der verbrauchten Luft ein und geben sie an die einströmende frische Luft ab. Umgekehrt sorgt im Sommer ein glänzender Kasten auf dem Dach dafür, das Wasser darin nachts herunterzukühlen, um es am nächsten Tag über die Röhren durch Fussböden und Decken zu leiten. Diese Technik, bekannt als Nachtkühlung oder radiative Kühlung, nutzt die natürliche Wärmeabstrahlung in den Nachthimmel. Dies kühlt die Raumluft um 5 Grad. Die restliche Kühlung erledigen Lüftung und Dämmung (Braun, o. J.). Die automatisierte Verschattung im Sommer macht Klimaanlagen überflüssig und reduziert den Stromverbrauch massiv. Auch die Optimierung des Eigenverbrauchs des Solarstroms erhöht die Energieeffizienz. Wer auf ein E-Auto umsteigt, kann somit die Solarenergie selbst nutzen, anstatt sie ins öffentliche Netz einzuspeisen (Jüttemann, 2024).
Energieeffizientes Heizen ist auch mittels Infrarotpaneelen möglich. Die durch Strom erhitzten Infrarotpaneele erwärmen nebst der Raumluft alle Oberflächen im Raum (HELMA Eigenheimbau AG, o. J.). Ein zusätzlicher Anreiz zur Reduktion des Stromverbrauchs findet über intelligente Energieinformationssysteme statt. Sie sensibilisieren die Bewohner und zeigen ihnen den aktuellen Energieverbrauch (Weibel, 2021).
In Brütten ZH steht seit 2016 ein autarkes MFH mit neun Mietwohnungen. Es ist das weltweit erste 100% autarke Mehrfamilienhaus. Während 340 Tagen reichen Photovoltaik und Wärmepumpe sowie ein Batteriepaket als Kurzzeitspeicher. Während der restlichen 25 Tage erzeugt eine Brennstoffzelle mittels Wasserstoff zusätzlich Strom und Wärme. Der in Tanks gelagerte Wasserstoff wurde zuvor in einem Elektrolyseur mittels Wasser und Sonnenstrom gewonnen (Diermann, 2016).
Das Mehrfamilienhaus in Brütten ZH bestätigt die Finanzierbarkeit des autarken Wohnungsbaus. Trotz der um 10% höheren Baukosten bleiben die Mieten auf ortsüblichem Niveau. Die wegfallenden Ausgaben für Strom und Wärme gleichen höhere Mieten aus. Dadurch profitieren die Mieterinnen und Mieter von stabilen und transparenten Wohnkosten, der Vermieter von weniger Leerstand und die Umwelt von null CO2-Ausstoss (e-tec, 2023) (Diermann, 2016). Aufgrund der Kalkulierbarkeit bieten weitere Immobilienbesitzer auch Pauschalmieten oder eine Energieflatrate an. Das behaglichere Wohnklima durch die gesunde Strahlungswärme erhöht zudem den Wohnkomfort. Die entsprechend hohe Mieterzufriedenheit verringert die Mieterfluktuation, was den Verwaltungsaufwand für Investoren deutlich senkt (HELMA Eigenheimbau AG, o. J.). Im Beispielhaus in Brütten ZH profitieren die Mieter zusätzlich durch ein Elektro- und ein Biogasauto. Für letzteres steht so viel Biogas bereit, wie aus den biologischen Abfällen aller Bewohner gewonnen werden kann (Weibel, 2021).
Ein weiterer Vorteil ist die Wertsteigerung durch die Photovoltaikanlage. Immobilienbewerter sowie potentielle Käufer anerkennen diese Investition, was zu einem höheren Preis führen kann (Handelsblatt GmbH, 2023). Die hohen Investitionskosten zahlen sich somit auf lange Sicht bei MFH, Gemeinden und Industrieobjekten aus, wodurch auch die Mieter profitieren (Viessmann, o. J.).
Forschende aus Karlsruhe haben die Situation der Einfamilienhäuser in ganz Europa untersucht und festgestellt, dass ca. die Hälfte der EFH bezüglich Energieversorgung mittels Photovoltaik autark werden könnten (bis 2050 sogar bis zu 75%). Für die meisten EFH-Besitzer liegen die Kosten bei vollständiger Selbstversorgung jedoch höher als, als wenn die Versorgung über das Stromnetz erfolgt. 4’000 analysierte EFH repräsentieren diverse europäische Gebiete, Architekturen, Energiebedarfe sowie klimatische und wirtschaftliche Bedingungen. Die Studie zeigt, dass in Skandinavien die hohen Heizkosten und die geringe Sonneneinstrahlung im Winter eine Herausforderung sind. Weitere Faktoren sind Dachflächen oder hohe Netzkosten in Deutschland. Teilweise Autarkie anzustreben kann aber sinnvoll sein. So wäre in Deutschland ein Musterhaus mit 73% Energie-Autarkie kosteneffizient gewesen (Hochwarth, 2023). Eine vollständige Autarkie ist in der Regel aufgrund der Dimensionen der notwendigen Technik nicht erstrebenswert (Kümpel, 2023). Bei einer Abkoppelung vom Stromnetz müsste zudem eine teure Notstromlösung vorhanden sein (Kausl GmbH, 2025). Diese Investition entfällt, wenn das Gebäude wegen teilweiser Autarkie am Netz bleibt.
Eine präzise Planung und Kostenanalyse führt zur Balance zwischen Investition und angestrebtem Autarkiegrad. Dazu sind die zuvor aufgeführten Aspekte bezügliche Energieerzeugung, Energiespeicherung, Verbrauchsreduktion und Energieeffizienz zu berücksichtigen.
Welche der oben genannten Möglichkeiten realisierbar sind, hängt von der geografischen Lage, der Bodenbeschaffenheit (Erdsonden), den Finanzierungsmöglichkeiten (teure Wasserstoffelektrolyse- und Speicherung), den baulichen Voraussetzungen (bei bestehenden Gebäuden), der Gesetzgebung und dem spezifischen Energiebedarf ab.
Aktuell sind Wärmepumpen und PV-Anlagen verbreitet, die teureren Solar-Wasserstoff-Systeme dürften wegen der saisonalen Langzeitspeicherung in Zukunft interessant werden (Jüttemann, 2024). Schliesslich ist die ideale Kombination entscheidend. Eine ausgeklügelte Haustechnik nutzt nach Verfügbarkeit Langzeitspeicher, Erdsonden, Umgebungsluft oder Abwärme für die Wärmepumpe. Dies generiert mit höchster Effizienz ein Maximum an thermischer Energie (e-tec, 2023). Nicht zuletzt kann jeder Bewohner durch Anpassung des Lebensstils Strom, Wärme und Wasser sparen (Kausl GmbH, 2025). Trotz langer Amortisationsphase lohnt sich aufgrund der Wertsteigerung zumindest die Investition in eine Teil-Autarkie. Staatliche und kantonale Förderprogramme sowie kostenlose Beratungsmöglichkeiten helfen auch dem EFH–Besitzer bei der Planung und Kostenabwägung.
Das Literaturverzeichnis finden Sie hier.
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