28. November 2022

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Angebot und Potential von nachhaltigen Immobilienfinanzierung in der Schweiz

Angebot und Potential von nachhaltigen Immobilienfinanzierung in der Schweiz
Quelle: Treshold Mortgage

Folgender Artikel gibt Einblick in die IFZ Retail Banking Studie 2022, geschrieben von Nadine Berchtold, Jonas Illi, Constantin Kempf und Christian Kraft

Immobilien sind für die Hälfte des weltweiten Verbrauchs natürlicher Ressourcen und für 40 Prozent der von Menschen verursachten CO2-Emissionen verantwortlich. In der Immobilienbranche wird sichtbar, weshalb der nachhaltigen Finanzierung eine grosse Bedeutung zugesprochen werden muss. Bis anhin richteten Banken und Wissenschaft das Augenmerk allerdings vorwiegend auf die Anlageseite (Sustainable Investing). Um die Transition zu einer nachhaltigen Schweiz zu ermöglichen, ist das Finanzierungsgeschäfts jedoch ebenso wichtig. Die höhere langfristige Werthaltigkeit und die tieferen Ausfallrisiken bei nachhaltigen Gebäuden dürften die Risikoabschläge auf der Finanzierungsseite rechtfertigen.

Die Rolle von Nachhaltigkeit bei Hypothekarfinanzierungen

Nachhaltige Immobilien weisen ein charakteristisches Risiko-Rendite-Profil auf: Direkte finanzielle Vorteile können gemeinsam mit ökologisch und sozial produktiveren Wohn- und Arbeitsumfeldern vereinbart werden. Jedoch erfordern nachhaltige Immobilien oft höhere Anfangsinvestitionen, die es aus Sicht des Gesamtlebenszyklus zu beurteilen gilt (Kraft und Kempf, 2022).

Nationale und internationale Studien zeigen, dass mit einem Nachhaltigkeitslabel wie zum Beispiel BREEAM, LEED oder MINERGIE zertifizierte Wohn- und Büroimmobilien signifikant höhere Miet- und Verkaufspreise aufweisen. Gemäss einer Metastudie von Fuerst & Dalton bewegen sich diese Prämien auf Mieten und Verkaufspreise internationaler Nachhaltigkeitsstandards in einer Bandbreite von circa 2-20 Prozent. Im Schnitt liegt die Mietprämie bei 6.02 Prozent und die Verkaufsprämie leicht höher bei 7.61 Prozent (Fuerst und Dalton, 2019). Grund für den Aufpreis sind auf der einen Seite die gestiegene Nachfrage nach nachhaltigen Büro- und Arbeitsflächen aufgrund erhöhter Nachhaltigkeits-Anforderungen für Unternehmen. Auf der anderen Seite sind Mieter bereit, einen Aufpreis auf ihre Nettomiete für erhöhten Komfort und längerfristig tiefere Nebenkosten – aufgrund steigender fossiler Energiepreise – zu zahlen.

Die Reduktion von Betriebs- bzw. Nebenkosten gilt als eines der Hauptargumente für nachhaltige Immobilieninvestitionen. Insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund explodierender Energiekosten stellen tiefe und planbare Nebenkosten ein wichtiges Kriterium bei der Anmietung dar. Auch eigentümerseitig gewinnt die Immobilie dadurch an Attraktivität, da mit tiefen Nebenkosten höhere Nettomieten im Vermietermarkt möglich sind oder ein geringerer Leerstand im Mietermarkt in Kauf genommen werden muss.

Banken tragen wesentlichen Beitrag zur Finanzierung der Schweizer Wirtschaft

Das Volumen ausstehender Kredite in der Schweiz beträgt mit CHF 1.3 Billionen fast das doppelte des Bruttoinlandprodukt (SNB, 2022). Mit 85 Prozent des Kreditportfolios Schweizer Banken sind Hypothekarfinanzierungen der wichtigste Faktor. Hypotheken tragen daher einen wesentlichen Teil zur Finanzierung der Schweizer Wirtschaft bei und finanzieren gleichzeitig die Umweltbelastung dieser Unternehmen und Privatpersonen (SNB, 2022). Die Einflussnahme Schweizer Banken scheint somit gross. Sie können mit geeigneten Massnahmen das Gesamtkreditvolumen von CHF 1.3 Millionen zu nachhaltigen Investitionen und Aktivitäten allozieren, auch wenn dies aufgrund der unterschiedlichen Laufzeiten der Kredite noch mehrere Jahre dauern kann. Im Jahre 2021 wurden CHF 83 Milliarden Neuhypotheken an Privat- und Geschäftskunden von Schweizer Banken vergeben. Die Banken können für diese jährlichen Neukredite aktiv Anreize schaffen, sodass das jährliche Hypothekarvolumen von circa CHF 83 Milliarden für nachhaltige Immobilienprojekte verwendet werden.

Wichtig bei der Hypothekarvergabe für nachhaltige Projekte ist der ganzheitliche Einbezug von Nachhaltigkeitskriterien. Ein Beispiel hierzu ist die Mittelverwendung von Ersthypotheken nach Rückzahlung der zweiten Hypothek. Diese sind anschliessend meist nicht mehr zweckgebunden und Banken verlangen nur selten, dass der Geschäftserfolg weiterhin für eine regelmässige Amortisation der Hypothek verwendet werden muss. Somit kann die (erste) Hypothek zur Sicherstellung von Betriebsmitteln dienen und muss nicht zwingend der Finanzierung von Immobilien dienen. Bei der Hypothekenvergabe sollten Nachhaltigkeitskriterien somit auf den effektiven Verwendungszweck der Mittel angewendet werden und nicht ausschliesslich auf die Immobilie als Sicherungsobjekt, denn dann handelt der Kreditgeber aus reiner Risikosicht. 

Angebotsübersicht der Hypothekarfinanzierung in der Schweiz

Die Produktelandschaft für nachhaltige Hypothekarfinanzierung Schweizer Banken beziehen sich vorwiegend auf die ökologische Nachhaltigkeit, weshalb sie als grüne Hypotheken bezeichnet werden können. Sogenannte grüne Hypotheken werden derweil vorwiegend für Privatpersonen angeboten. Geschäftskunden können von diesen Standardprodukten aktuell nur bei ausgewählten Banken profitieren. Auf individueller Basis fliessen Nachhaltigkeitskriterien jedoch zunehmend auch bei Geschäftskunden ein. Die Hypothekarprodukte der verschiedenen Banken unterscheiden sich hinsichtlich Förderungsvoraussetzungen, Zinsreduktion und maximaler Hypothekarhöhe.

Die Vergabe von grünen Hypotheken für energetische und nachhaltige Sanierungsmassnahmen sind im Gegensatz zur Finanzierung zum Erwerb von nachhaltigen Liegenschaften vermehrt zweckgebunden und haben klare Förderungsvoraussetzungen.  Zum einen kann die Förderungsvoraussetzung an die Verbesserung eines Ratings oder Zertifikates gebunden sein (zum Beispiel von GEAK E auf B oder ein MINERGIE-P Standard). Zum anderen werden Förderungen gewährt, wenn vorher vereinbarte, konkrete energetische Massnahmen wie beispielsweise der Ersatz fossiler Heizungen oder die Verbesserung der Wärmedämmung umgesetzt werden.

Wirkung nachhaltiger Finanzierung

Die höhere langfristige Werthaltigkeit nachhaltiger Gebäude und die tieferen Ausfallrisiken dürften die Risikoabschläge auf der Finanzierungsseite rechtfertigen. Durch die tieferen Zinsen können bei Kunden zusätzliche Anreize in Form tieferer Zinskosten geschaffen werden. Zur weiteren Förderung der Nachhaltigkeit bei Eigentümern und Unternehmern sind dabei zwei Fragen elementar: Wie hoch können die Abschläge für Nachhaltigkeitskriterien aus einer Risikoperspektive ausfallen und unter welchen Kriterien bzw. für welchen Zweck werden diese gewährt? So können zum Beispiel vergünstige Zinskonditionen für Gebäude mit erneuerbaren Energieträgern gesprochen werden. Sind dies bestehende Energieträger, wird ein nachhaltiger Status Quo finanziert.

Wichtig ist die holistische Betrachtung: Die Gesamtrisiken einer Finanzierung sinken nur dann substanziell, wenn die Immobilie ganzheitlich nachhaltig eingestuft werden kann.  So weist ein peripher gelegenes Einfamilienhaus nicht zwingend tiefere Risiken auf, lediglich weil es mit erneuerbaren Energien betrieben wird. Denn erstens ist die Lage der Immobilie der grösste Werttreiber beziehungsweise Wertstabilisator und zweitens tragen schlecht erschlossene und peripher gelegene Gebäude zur Zersiedlung bei. Dadurch beschleunigen sie den Landverbrauch überdurchschnittlich stark. 

Fazit und Ausblick

Zinsvorteile auf nachhaltige Immobilien sind für Banken somit sinnvoll und logisch, wenn die Kreditrisiken dadurch sinken und/oder Chancen wachsen.  Bei ganzheitlicher Betrachtung der Nachhaltigkeit müssen wir heute davon ausgehen, dass nachhaltige gegenüber nicht nachhaltigen Investments langfristig tiefere Risiken aufweisen. Mit diesen Abschlägen können Banken zweitens sehr viel Positives bewirken, wenn sie für spezifische, echte nachhaltige Veränderungen eingesetzt werden. Günstige Konditionen für energetische Sanierungen oder Heizungsersatz sind typische Beispiele hierfür. Aufgrund der insgesamt nur limitierten Opportunitätskosten, die durch Rabatte entstehen, ist deren zielgerichtete Allokation auf nachhaltige Veränderungsprozesse deshalb sehr wichtig. Es darf von Banken als Einzelakteure allerdings kein Wunder erwartet werden. Der Hypothekarmarkt ist kompetitiv. Aufschläge als Malus für nicht nachhaltige Finanzierungen dürften derzeit kaum durchsetzbar sein.  Zinsrabatte können hingegen gezielt als Anreize gesetzt werden. Entscheidet sich ein Kunde dafür, dieses Angebot bei einer Bank für nachhaltige Massnahmen anzunehmen, gibt es vier Gewinner: Die Umwelt, der Kunde und zweimal die Bank. Denn erstens hat sie einen Kunden gewonnen und zweitens baut sie Umweltrisiken in ihrem Portfolio ab. Ob diese Geschäfte auch profitabler sind für Banken bleibt aktuell unklar. Nachhaltigkeitskriterien entwickeln sich rasant weiter ohne Rücksicht darauf, ob sie einerseits messbar sind und andererseits ob die konkreten Auswirkungen auf Risiko und Rendite bekannt sind. Somit entstehen bei Banken durch deren Prüfung derzeit hohe Kosten, die sich erst in längerer Frist auszahlen dürften.

Den vollständigen Artikel finden Sie in der IFZ Retail Banking Studie 2022. Aufgrund der hohen Relevanz des Themas wird das IFZ im Sommer 2023 den ersten «Sustainable Lending Monitor» der Schweiz veröffentlichen. Die empirische Studie zum nachhaltigen Kreditmarkt in der Schweiz beleuchtet die nachhaltige Hypothekarfinanzierung und die nachhaltige KMU-Finanzierung im Detail.  Neben einem Marktüberblick des nachhaltigen Kreditangebotes in der Schweiz zeigen wir erste Erkenntnisse zu den Auswirkungen des neuen Zins-, Steuer- und Energiekostenumfeldes auf die Nutzung von nachhaltigen Finanzierungen auf. Für die Studie wird allerdings nicht nur die Angebotsseite beleuchtet, sondern auch die Nachfrageseite. Sie wird der Frage nachgehen, ob das aktuelle Kreditangebot und die damit in Verbindung stehenden Dienstleistungen die Bedürfnisse der Kreditnehmenden abdecken und wo Kreditanbieter aufholen müssen.

IFZ Retail Banking Studie 2022

Die 230-seitige «IFZ Retail Banking-Studie 2022» kostet 290 Franken und kann unter ifz@hslu.ch bestellt werden. Sammelbestellungen kosten ab 3 Exemplaren CHF 240.- pro Exemplar, ab 5 Exemplaren CHF 190.- und ab 10 Exemplaren CHF 140.- CHF pro Exemplar. Hier finden Sie das Inhaltsverzeichnis.

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