18. September 2023

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Grüne Oasen in der Stadt: Was Pflanzen gegen Hitzeinseln bewirken

Grüne Oasen in der Stadt: Was Pflanzen gegen Hitzeinseln bewirken
Quelle: Umweltnetz Schweiz

Die Urbanisierung hat das Stadtbild in den letzten Jahrzehnten geprägt. Beton und Asphalt verdrängten mehr und mehr vorhandene Grünflächen, Bäume wurden immer seltener. Doch gerade in Zeiten des Klimawandels sind Grünräume von grosser Bedeutung. Sie dienen nicht nur als Rückzugsorte für Stadtbewohner, sondern spielen auch eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die steigenden Temperaturen in den Städten.

Ein Artikel von Marco Gämperli

Das Phänomen der städtischen Hitzeinseln

Gemäss aktuellen Statistiken leben mittlerweile rund 85% der Schweizer Bevölkerung in städtischen Gebieten (EDA Schweiz, online). Und die Prognosen sprechen eine klare Sprache: Städte sind der Lebensraum der Zukunft. Der Druck auf die verfügbare Fläche nimmt weiter zu, zusätzliche Wohnflächen, mehr Strassen und Parkplätze sind gefordert.

Gleichzeitig sind die Auswirkungen des Klimawandels in Form von höheren Temperaturen deutlich zu spüren. Und dieser Trend geht weiter. Gemäss aktuellen Klimamodellen werden die Temperaturen in der Schweiz bis ins Jahr 2060 um weitere 4 Grad zunehmen.

Insbesondere in den Städten sind die Auswirkungen deutlich zu spüren. Wo dunkler Asphalt, grosse Betongebäude und versiegelte Flächen das Stadtbild prägen, erhitzt sich die Umgebung besonders stark. Betroffen sind unter anderem ehemalige Industrieareale, welche stark verbaut sind und wenig Grünflächen aufweisen. Oder auch Areale um Bahnhöfe mit einem hohen Anteil an versiegelter Fläche.

Ferner verdeutlichen Untersuchungen einen weiteren Fakt: Quartier ist nicht gleich Quartier. Gehobene Wohnviertel weisen oft einen hohen Anteil an Grünflächen auf, während Quartiere mit einkommensschwächerer Bevölkerung meist dicht bebaut sind. Eine Analyse zeigt hierbei den direkten Einfluss auf die umliegende Temperatur (SRF Data, 2023).

Abbildung 1: Die Grafik zeigt die mittlere Temperatur von den ärmsten zehn Prozent der Bevölkerung bis zu den reichsten zehn Prozent einer Stadt (Quelle: SRF Data).

Klimagerechte Quartierentwicklung: Der Stellenwert von Grünräumen

Bei der Anpassung an die zunehmende Hitzebelastung kommt der städtischen Raumentwicklung also ein grosser Stellenwert zu. Klimagerechte Quartierentwicklung heisst das Schlagwort. Man spricht in diesem Zusammenhang beispielsweise von durchlässigen Stadträndern und Quartieren, wo die Gebäude nicht zu nahe beieinanderstehen. Kalte Luft kann dadurch von der Aussenumgebung in die bebauten Gebiete fliessen und so die Temperatur senken. Diese Erkenntnis ist nicht neu, steht aber häufig im Konflikt mit anderen Ansprüchen. Beispielsweise dem Bedarf an zusätzlichem Wohnraum und der damit einhergehenden Verdichtung des Wohnraums. Oder die Forderung nach Lärmschutzwänden, welche jedoch die Kaltluftströmung von aussen in die Stadt stören oder verhindern.

Ein anderer zentraler Schwerpunkt bei der Bekämpfung von Hitzeinseln bilden Grünräume. Diese können ihre Umgebung erheblich abkühlen. Ein ausgewachsener Baum beispielsweise bewirkt eine Temperaturreduktion von 4 – 9 Grad, dies in einem Radius von bis zu 20 Metern. Dieser Effekt tritt einerseits durch die Beschattung, andererseits aber auch durch die Verdunstung ein. Ein einzelner Baum gibt täglich mehrere hundert Liter an die Luft ab und erfrischt dadurch seine Umgebung. Wichtig ist, dass eine geeignete Baumart verwendet wird. In der Stadt sind Wurzelräume und Wasserversorgung oftmals knapp. Ausserdem ist die Luft schmutzig, und der Klimawandel stresst die Bäume zusätzlich. Es sollten daher hitze- und trockenheitsresistente Arten gepflanzt werden.

Nebst Bäumen haben auch Sträucher, Rasenflächen oder Blumenrabatten einen kühlenden Effekt. Da von asphaltierten Flächen das Regenwasser direkt in die Kanalisation fliesst, kann es nicht mehr verdunsten. Auf entsiegelten Flächen hingegen versickert das Wasser langsam im Boden. Dadurch kann es später wieder verdunsten, wodurch der Luft Wärme entzogen wird (ProClim Flash 73, 2021).

Abbildung 2: Wieviel kühlt welche Massnahme und wie weit wirkt diese? (Quelle: Stadt Zürich, Grafik: Hannah Ambühl, ProClim).

Welche Lösungen gibt es, wenn kein Platz vorhanden ist? Hier bietet nebst der Dach- und Terrassenbegrünung auch die Fassadenbegrünung eine geeignete Alternative. Sie kühlt nicht nur die Umgebung, sondern auch den Innenraum. Ein eindrückliches Beispiel ist das Bosco Verticale in Mailand.  Die in die Höhe wachsende Bepflanzung in Form von 800 Bäumen und 15’000 Sträuchern hat erwiesenermassen einen positiven Einfluss auf das umliegende Klima. Mit Blick auf die Kosten sieht die Bilanz jedoch düster aus. Nicht nur die Planung und Realisierung war sehr teuer, auch der Unterhaltsaufwand ist enorm (SRF, 2019). Ein praxistauglicheres Beispiel stellt hingegen das Projekt „Aglaya“ dar, welches in Rotkreuz realisiert wurde (Schweizer Baudokumentation, 2020). Auch Die Stadt Zürich setzt auf Vertikalbegrünung und hat ein Förderprogramm lanciert, mit welchem sie Fassadenbegrünungen ausweiten will. 

Erfolgsbeispiel «Zwhatt»

Ein Erfolgsbeispiel in Bezug auf eine grüne Quartierentwicklung ist das Projekt «Zwhatt», welches im Entwicklungsgebiet Bahnhof Nord in Regensdorf realisiert wird. In Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Institutionen, privaten Investoren und Planungsbüros kommen hier zahlreiche Massnahmen gegen Hitze zur Anwendung. Als schattenspendende architektonische Elemente sind Arkaden, eine Loggia und Durchgänge sowie eine Pergola mit Laubengang vorgesehen. Dächer und Fassaden sollen begrünt, begehbare und befahrbare Oberflächen entsiegelt werden.

Abbildung 3: Skizze mit Massnahmen am Gebäude. 05/06 Dächer begrünen; 07/08 Fassaden begrünen und grundsätzlich in heller Farbe ausführen. (Quelle: Pilotprojekt klimaangepasstes Bauen, Grafik: Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur).

Auf die Frage, was es für eine erfolgreiche Planung und Umsetzung braucht, nennen die Projektbeteiligten folgende Erfolgsfaktoren:

  • Die Bauherrschaft ist sich der klimagerechten Bauweise bewusst und will einen qualitativ hochstehenden Aussenraum.
  • Es braucht am Anfang des Planungsprozesses ein klares Commitment, was hitzemindernde Massnamen anbelangt.
  • Fachleute zur Klimaanpassung müssen bei der Beurteilung der Planung miteinbezogen werden (z.B. in der Jury).
  • Es ist optimal, wenn eine weitgehende Unterbauung (z.B. in Form einer Tiefgarage) eines Grundstückes vermieden werden kann.
  • Es ist zentral, qualifizierte Landschaftsarchitekten und Architektinnen zu beauftragen.
  • Bestehende Vorschriften behindern die Pflanzung von Bäumen zwischen Hausfassade und Strassenraum und müssen daher angepasst werden.

Was die bestehenden Vorschriften anbelangt, sind sich viele kommunale und kantonale Stellen einig: Die Schaffung von Grünräumen soll nicht verhindert, sondern gefördert und gefordert werden. Die Stadt Basel beispielsweise hat nebst einer obligatorischen Dachbegrünung auch die Finanzierung durch einen „Grünfonds“ gesetzlich festgelegt. Wenn eine Fläche um- oder aufgezont wird, muss der Grundeigentümer die Hälfte des daraus entstehenden Mehrwerts in diesen Fonds einzahlen (Baudepartement Kanton Basel Stadt). Durch diese Massnahme steht der Stadt Basel überdurchschnittlich viel Geld für die Förderung von Grünflächen zur Verfügung.

Fazit: Mehr Grün für lebenswerte Städte

Aufgrund des Klimawandels werden die Temperaturen in den kommenden Jahren also weiter steigen. Die Lebensqualität in unseren Städten wird damit kontinuierlich abnehmen, während zugleich immer mehr Menschen in Städten leben. Das Thema Hitzeschutz gewinnt somit mehr und mehr an Bedeutung. Bewohnerinnen und Bewohner suchen zunehmend Wohnungen mit gut beschatteten Aussenräumen (private Terrasse, Loggia, Gartensitzplatz etc.).

Aber auch im öffentlichen Raum spielt die klimagerechte Stadt- und Quartierentwicklung eine entscheidende Rolle, um das städtische Mikroklima positiv beeinflussen zu können. Futuristische Beispiele mit Städten auf dem Wasser oder regelrechte Waldsiedlungen mit grünen Hochhäusern scheinen für Schweizer Städte jedoch wenig realistisch. Vielversprechender ist die konsequente Weiterentwicklung und Umsetzung von Grünräumen. Bei Umnutzungen von Industriearealen in Wohnungsquartiere muss dieser Aspekt bereits in einer frühen Planungsphase berücksichtigt werden.  

Aber: Die Schaffung von Grünräumen kostet Geld und muss finanziert werden. Es braucht somit weiterhin eine Sensibilisierung bei den Investoren, der öffentlichen Hand sowie der Bevölkerung. Zu diesem Zweck zeigt die Stadtgärtnerei Zürich mit der öffentlichen Ausstellung «Cool down Zürich» (Grün Stadt Zürich), wie wirkungsvoll Grünflächen bei der Bekämpfung von Hitzeinseln sind.  An verschiedenen Stationen erfährt man, wie Pflanzen, Wasser, Schatten und helle Oberflächen für kühlere Temperaturen im Sommer sorgen können.

Parallel zu den Sensibilisierungsmassnahmen müssen die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen angepasst werden. Im Vordergrund stehen nicht nur neue Auflagen, mit welchen private und öffentliche Institutionen zur Umsetzung von Grünräumen verpflichtet werden sollen. Ebenso zentral ist die Etablierung und Bekanntmachung von Förderbeiträgen und Beratungsangeboten. Wie hoch jedoch die Akzeptanz der Bevölkerung solcher Massnahmen gegenüber ist, bleibt abzuwarten.

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