Bislang kennt die Schweiz im Gegensatz zu vielen anderen Ländern keine gesetzlichen Bestimmungen betreffend sogenanntes Whistleblowing. Das soll sich nun ändern. Der Bundesrat hat vor Kurzem einen entsprechenden Gesetzesentwurf verabschiedet. Doch was ist Whistleblowing eigentlich genau und was will die geplante Regelung?
Unter Whistleblowing versteht man gemeinhin die Meldung von Gesetzesverstössen, Unregelmässigkeiten oder Missständen am Arbeitsplatz an Vorgesetzte, an dafür zuständige interne Stellen, an Behörden oder an Medien. Whistleblower machen auf illegale, unethische oder unangebrachte Umstände aufmerksam. Zwar kann auch eine andere Person als ein Arbeitnehmer als Whistleblower agieren, die geplante gesetzliche Regelung zielt aber auf den Schutz von Arbeitnehmern ab, die als Hinweisgeber aktiv werden.
Im geltenden Recht und insbesondere in der aktuellen Fassung des Obligationenrechts finden sich keine Bestimmungen zum Whistleblowing: Weder ist geregelt, wann das Melden von innerbetrieblichen Missständen rechtmässig ist und wann nicht, noch gibt es Regeln dafür, wie ein Arbeitnehmer vorzugehen hat, wenn er solche Missstände feststellt. Ebenso wenig enthält das Gesetz ausdrückliche Anhaltspunkte dazu, wie Fälle zu beurteilen sind, in denen einem Whistleblower wegen seines Vorgehens gekündigt wird.
Heute liegt es bei den Gerichten, solche Fragen im konkreten Einzelfall zu klären. Dabei von zentraler Bedeutung ist die Treuepflicht des Arbeitnehmers: Aus der Treuepflicht und insbesondere aus der aus ihr fliessenden Geheimhaltungspflicht kann sich einerseits eine Unterlassungspflicht ableiten. Diese steht im Spannungsverhältnis zum Bedürfnis des Mitarbeiters, entdeckte Unstimmigkeiten zu melden. Andererseits kann sich aus der Treuepflicht aber auf der anderen Seite gerade auch eine Handlungspflicht ergeben, wenn ein Mitarbeiter bei seiner Arbeit auf einen Missstand stösst.
Aus diesen Ausführungen zeigt sich, dass für den Einzelnen unter der geltenden Ordnung alles andere als klar ist, ob er in einer konkreten Situation als Whistleblower aktiv werden darf oder sogar muss. An dieser unklaren Rechtslage ändert auch die Tatsache nichts, dass sich das Bundesgericht und andere Gerichte bereits verschiedentlich zu Fragestellungen im Kontext der Whistleblowing-Thematik geäussert haben.
Darüber, dass Gesetzesverstösse und Unregelmässigkeiten am Arbeitsplatz nicht unter den Teppich gekehrt werden sollen, besteht in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Einigkeit. Ebenfalls seit Langem anerkannt ist, dass daher im Gesetz klar geregelt werden muss, wann Whistleblowing rechtmässig ist und wann nicht.
Bereits im Jahr 2013 hatte der Bundesrat diesbezüglich eine Teilrevision des Obligationenrechts vorgelegt. Dem Parlament war dieser erste Entwurf allerdings zu kompliziert: Es wies ihn im Herbst 2015 zur Überarbeitung und Vereinfachung an den Bundesrat zurück und verlangte eine verständlichere und einfacher formulierte Fassung.
Mit dem überarbeiteten Entwurf samt Zusatzbotschaft ist der Bundesrat nun am 21. September 2018 den Anliegen von National- und Ständerat nachgekommen. Die vorgenommenen Überarbeitungen betreffen vor allem die Regelung des Vorgehens für eine rechtmässige Meldung.
An der Stossrichtung der Revision ändert sich damit nichts:
Die Revisionsvorlage gelangt nun wiederum an das Parlament. Wann mit einem Inkrafttreten der neuen Bestimmungen gerechnet werden kann, ist derzeit noch nicht absehbar.
Das Dossier des Bundesamts für Justiz zum Thema Whistleblowing mit allen zugehörigen Dokumenten (insbesondere Entwurf, Botschaft und Medienmitteilungen) finden Sie hier.
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