Klimatalk am IBR – Wie erreichen wir «netto null» bis 2050?

Klimatalk am IBR – Wie erreichen wir «netto null» bis 2050?
Von Isabelle Oehri

Bis zum Jahr 2050 will die Schweiz klimaneutral sein. Unter dem Strich dürfen wir also keine Treibhausgase mehr ausstossen – «netto null» eben. Wie das gelingen kann, diskutierten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Klimatalks am 18. Oktober mit Reto Knutti, Professor für Klimaphysik der ETH Zürich. Dabei wurde deutlich: Die Schweiz verfügt über die technischen und finanziellen Möglichkeiten, um die Klimaziele zu erreichen – aber wir müssen jetzt handeln.

Mit welchen Regeln sollen wir dem Klimawandel begegnen? Mit dieser Frage lud das Institut für Betriebs- und Regionalökonomie IBR seine Projektpartner, Studierende sowie Expertinnen und Experten aus Wirtschaft und Politik zum Klimatalk ein. Das Kompetenzzentrum Management & Law organisierte den Talk anlässlich des 40-Jahr-Jubliäums des Instituts und regte zum Mitdenken an.

Wissenschaft entscheidet nicht über richtig oder falsch

Mit seinem Einstiegsreferat führte Klimaforscher Reto Knutti den Gästen eindrücklich vor Augen: Der Klimawandel ist Tatsache – und wir Menschen sind Hauptverursacher. Im Raum steht nur die Frage, wie wir damit umgehen. Ignorieren wir ihn? Passen wir uns an? Oder versuchen wir, ihn zu verhindern? Die Wissenschaft entscheide nicht über richtig oder falsch, stellte der Professor für Klimaphysik dabei klar: «Sie macht nur eine Auslegeordnung der Fakten und zeigt Szenarien, wie die Zukunft aussehen könnte – entscheiden muss die Gesellschaft», so Knutti am Klimatalk.

Der Vortrag des Klimaforschers verdeutlichte allerdings: Wir sind nicht auf Kurs. Hitzesommer, die zu Milliardenschäden in der Landwirtschaft führen und Starkniederschläge, die Überschwemmungen verursachen, sind nur zwei der negativen Folgen, die laut dem Klimaforscher vermehrt auf uns zukommen, wenn wir so weitermachen wie bisher. «Nichts tun kostet langfristig mehr», so der Appell von Knutti. Der Schweiz kommt diesbezüglich eine Vorreiterrolle zu. Wir können die Zukunft gestalten – und es lohnt sich», ist der Klimaforscher überzeugt.

Politik, Wirtschaft und Gesellschaft sind gefragt

An der anschliessenden Podiumsdiskussion diskutierten Manuela Jost, Stadträtin und Baudirektorin Stadt Luzern, und Guido Unternährer von der Dätwyler AG zusammen mit Reto Knutti, mit welchen Massnahmen wir dem Klimawandel begegnen sollen. Manuela Jost erklärte, welchen Beitrag die Stadt Luzern leistet, um die CO2-Emissionen zu verringern, beispielsweise mit Projekten im Bereich Energieeffizienz und Gebäudetechnik sowie der Umstellung auf erneuerbare Energien. Die Stadträtin unterstrich die Vorbildfunktion der Städte, aber auch die Eigenverantwortung jedes Einzelnen. Auch für die Dätwyler AG ist Nachhaltigkeit ein zentrales Thema. Der Industriezulieferer ist seit 2009 Mitglied des UN Global Compact und investiert in neue Technologien, um Ressourcenverbrauch und CO2-Emissionen zu reduzieren. Den Fortschritt seiner Aktivitäten hält das Unternehmen jährlich mit einem Nachhaltigkeitsbericht fest.

Neben der unvermeidbaren Abkehr von fossilen Brenn- und Treibstoffen und dem Einsatz erneuerbarer Energien wurden im Podium weitere Massnahmen wie beispielsweise CO2-Kompensationen im Ausland diskutiert. Reto Knutti erklärte, dass es kurzfristig durchaus sinnvoll sein könne, Emissionen im Ausland zu reduzieren, weil dies im Moment noch sehr günstig sei. «Langfristig wird dies jedoch nicht mehr möglich sein, da alle Länder ihre Emissionen auf netto null reduzieren müssen», so der Klimaforscher. Es braucht also eine echte Reduktion der CO2-Emission im eignen Land.

Auch Lenkungsabgaben können wirkungsvoll sein, war sich das Podium einig – aber diese existieren bis anhin nur auf Brenn- und nicht auf Treibstoffen. Ausserdem sei die Höhe der Abgaben entscheidend für ihre Effizienz, bemerkte Knutti. Solange CO2 keinen Preis habe, werde es weiter in die Luft gepufft.

«Zum heutigen Zeitpunkt haben wir noch keine 100-Prozent-Lösung», erklärte Knutti weiter im Podiumsgespräch. Gemäss dem Klimaforscher können wir mit den heutigen Technologien aber bis zu 90 Prozent der CO2-Emissionen einsparen. Die letzten 10 Prozent liessen sich laut Knutti beispielsweise durch Sequestrieren, also durch Einlagern der Restemissionen im Boden, reduzieren. Diese Technik funktioniert bis jetzt jedoch nur mit kleinen Mengen und ist noch sehr teuer.

Aber bedeutet das nun, dass wir den Klimawandel in den Griff kriegen? Auf Nachfrage von Stadträtin Manuela Jost zeigte sich Reto Knutti verhalten optimistisch: «Die Schweiz verfügt über die technischen und finanziellen Möglichkeiten, um das Problem zu lösen – es ist aber eine Frage des politischen und gesellschaftlichen Willens, ob wir die Klimaziele erreichen. Jeder kann und muss beitragen, wir hatten noch nie so viele Möglichkeiten wie jetzt – aber ohne Rahmenbedingungen wird es nicht gehen,» so Knutti.

Bachelorarbeit zum Klimawandel

Die geladenen Gäste haben am Klimatalk nicht nur aktiv diskutiert, sondern ihre Gedanken und Ideen auch auf Post-its festgehalten. Eine Studentin wird diese im Rahmen ihrer Bachelorarbeit zusammenfassen und so die «Schwarmintelligenz» der Veranstaltung nutzen, um mögliche Massnamen und Regeln im Umgang mit dem Klimawandel aufzuzeigen.

Bei einem Apéro mit Kanapees und Backwaren der «Ässbar: frisch von gestern» fand der Klimatalk einen gemütlichen Ausklang. Die angeregten Diskussionen wurden jedoch weitergeführt, was nochmals den Grundtenor der Veranstaltung verdeutlichte: Der Klimawandel betrifft uns alle – es braucht das Engagement der Politik, der Wirtschaft und der Gesellschaft, um ihn zu stoppen.

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