Fast geschafft – diese Änderungen erwarten uns im Aktienrecht. Ein Überblick.

Fast geschafft – diese Änderungen erwarten uns im Aktienrecht. Ein Überblick.

Autor: Michelle Murri

Hochschule Luzern - W Wissenschaftliche Mitarbeiterin
michelle.murri@hslu.ch
Von Michelle Murri

Die jahrelange Revision des Aktienrechts steht dem Ende bevor. Am 19. Juni hat der Ständerat nach dem Nationalrat in der zweiten Lesung der Aktienrechtsreform mit nur noch marginalen Anpassungen zugestimmt. Politisch sind grosse Kehrtwenden jetzt unwahrscheinlich. Dies rückt das Ende der jahrelangen Verhandlungen, die 13 Jahre zuvor ihren Anfang genommen haben, in die Nähe. Es stehen diverse Neuerungen an, die eine Flexibilisierung und Modernisierung des Aktienrechts mit sich bringen. Insbesondere gelten für grosse, börsenkotierte Gesellschaften vermehrt Sonderregeln. Die Revision soll 2022 in Kraft treten. Ein Referendum ist gemäss Insidern nicht zu erwarten.

Die wichtigsten Neuerungen kurz erläutert:

Vergütung der Geschäftsleitung

Das Ergebnis der Minder-Initiative (auch Abzocker-Initiative genannt), die Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften (SR 221.331) wird mit der Revision in das formelle Recht überführt, wobei inhaltliche Anpassungen im National- und Ständerat weitgehend abgelehnt wurden. Diese Verschiebungen von Rechten des Verwaltungsrats an die Generalversammlung bleiben bestehen.

Geschlechterquote im Verwaltungsrat und der Geschäftsleitung

Mit entsprechenden 5- bzw. 10-jähriger Übergangsfrist wird für grosse, börsenkotierte Unternehmen künftig eine Geschlechterquote gelten. Im Verwaltungsrat soll diese Quote 30 % betragen, in der Geschäftsleitung 20 %. Bei Nichteinhalten dieser Bestimmungen, hat das Unternehmen sich zu erklären (comply or explain). Allfällige Mängel müssen mit Massnahmen beseitigt werden, die offenzulegen sind.

Stärkung der Rechte der Aktionäre

Mit der Revision werden deren Minderheitenrechte gestärkt, insbesondere mittels Herabsetzung von Schwellenwerten bei deren Geltendmachung.

  • Bei börsenkotierten Unternehmen genügt nunmehr eine 5%-Mehrheit zur Einberufung einer Generalversammlung.
  • Den Aktionären wird von Gesetzes wegen bereits bei einem geringeren Schwellenwert (0.5 % des Aktienkapitals oder der Stimmrechte bei kotierten Gesellschaften mit einem Wert von und über 1 Million CHF und 5% bei nicht kotierten Gesellschaften) ein Antrags- und Traktandierungsrecht eingeräumt.
  • Die Informationsrechte der Aktionäre werden gestärkt, indem Traktanden der Geschäftsleitung bei der Einladung kurz zu erklären ist.
  • Im Zuge der Digitalisierung wird es künftig möglich sein, dass die Aktionärsrechte auf virtuellem Weg ausgeübt werden. Die Beschränkung auf einen Tagungsort fällt weg.

Mehr Klagemöglichkeiten für Gläubiger und Aktionäre

Nach dem heutigen Stand werden die Klagemöglichkeiten für Aktionäre und Gläubiger ausgeweitet werden. Zudem wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Schiedsgerichtsklauseln zulässig sind.

Kapitalerhöhungen und -herabsetzungen: Kapitalband bietet neue Möglichkeiten

  • Entscheidungen zu Kapitalerhöhungen konnten bereits bisher an den Verwaltungsrat delegiert werden, in der Zukunft steht es der Generalversammlung offen auch Kapitalherabsetzungen an diesen zu delegieren Dies kann im Umfang von 50 % des bestehenden Aktienkapitals geschehen und gilt für maximal 5 Jahre.
  • Finden ordentliche Kapitalerhöhungen (an der Generalversammlung) statt, muss diese Entscheidung erneuert werden.
  • Bei einzelnen Kapitalherabsetzungen verlangen die Bundesparlamentarier weiterhin einen Schuldneraufruf, welcher im bundesrätlichen Vorentwurf von 2016 noch nicht enthalten war. Dies gilt auch für ordentliche Kapitalerhöhungen.  Der Schuldneraufruf hat jedoch nur noch einmal und nicht wie bisher dreimal zu erfolgen.

Zudem bleiben ordentlich genehmigte Kapitalerhöhungen neu bis zu 6 Monaten gültig.

Aktien im Besonderen

Während Aktiensplits derzeit  nur bei Einstimmigkeit der Aktionäre zulässig sind, wird bei börsenkotierten Gesellschaften nach der Revision bereits eine zweidrittel Mehrheit der Stimmrechte und die Hälfte des Aktienkapitals genügen.

Keine nennwertlosen Aktien, aber…
Weil das Institut der nennwertlosen Aktien im Schweizer Recht schwer zu bewerkstelligen wäre, hat man sich dafür entschieden, denn bisherigen Mindestwert von Aktien (1 Rappen) aufzuheben. Der Wert muss künftig nur noch höher als 0 sein. Dies bietet einen Vorteil für das Aktiensplitting.

Stimmrechtlose Aktien – diese Anpassungen erwarten uns
Diese Art von Aktien werden bei nicht börsenkotierten Unternehmen auf 200% des Aktienkapitals limitiert, während es bei kotierten Gesellschaften möglich sein wird, diese bis auf das 10-fache des Aktienkapitals zu erhöhen.

Insolvenz und Überschuldung

Die (zum Teil kritisierten) Vorschläge des Bundesrat wurden in der parlamentarischen Beratung verworfen. Für den Verwaltungsrat und die Geschäftsleitung bestehen folgende neue Pflichten, um die Zahlungsunfähigkeit der Aktiengesellschaft zu verhindern.

  • Dem Verwaltungsrat wird die Pflicht auferlegt, die Fähigkeit des Unternehmens seine Schulden zu begleichen zu überwachen. Eine Handlungspflicht besteht, wenn das Nettovermögen nicht genügend gedeckt ist. Die Einberufung der Generalversammlung ist nicht zwingend notwendig.
  • Die Geschäftsleitung hat Massnahmen zu ergreifen, um eine Insolvenz zu begleichen oder muss andernfalls der Generalversammlung Vorschläge unterbreiten und einen Zahlungsaufschub beantragen. Wobei das Parlament von der Pflicht einen formellen Liquiditätsplan zu erstellen abgesehen hat.

Für den Verwaltungsrat besteht keine Pflicht den Konkurs zu beantragen, wenn die Gläubiger die Nachrangigkeit ihrer Forderungen akzeptiert haben. Sofern die begründete Annahme besteht, dass die Überschuldung rechtzeitig überwunden werden kann, ist der Verwaltungsrat davon befreit den Konkurs anzumelden. Da diese Frist auf 90 Tage beschränkt ist, ist anzunehmen, dass die Klausel in der Praxis kaum Anwendung finden wird.

Transparenzvorschriften für rohstofffördernde Unternehmen

Als Zeichen der Korruptionsbekämpfung sind rohstofffördernde Unternehmen verpflichtet, Leistungen, welche an staatliche oder staatsnahe Personen und Stellen geleistet werden, offenzulegen. Diese Bestimmungen würden zusätzlich zu den möglichen Pflichten die sich aus der Konzenverantwortungsinitiative resp. deren Gegenvorschlag ergeben gelten.

Weitere Revisionspunkte

  • Eine weitere Erleichterung bietet die künftig vorgesehene Möglichkeit das Aktienkapital auch in Fremdwährungen zu halten. Vereinfacht werden insbesondere Kapitalerhöhungen als auch die Auszahlung von Dividenden und Kapital in Fremdwährungen.
  • Der Erwerb von Vermögenswerten nahestehender Personen soll mit der Revision erleichtert werden. Was bisher rechtlich unklar und umständlich war, wird insbesondere mit der Abschaffung der Sachübernahme vereinfacht.
  • Die bisherigen Nutzungsbeschränkungen für bedingtes Kapital bei Aktionärsoptionen werden aufgehoben.
  • Fremd- und Eigenkapitalverschiebungen: Die Zahlung des Ausgabepreises durch Verrechnung einer bestehenden Schuld für den vollen Nennwert der Schuld lässt die Revision ausdrücklich zu.
  • Das Rechnungslegungsrecht (SR 221.432) wird mit der Revision an die aktuelle Rechtsprechung angepasst. Betroffen ist die Ausschüttung von Kapital- und Gewinnreserven.

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Quellen und weiterführende Informationen:

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit Teilaspekten der umfangreichen Revision des Aktienrechts.  Weitere Informationen entnehmen Sie auf der Webseite des Bundes zur Revision des Aktienrecht.
Zudem stützt sich der Artikel auf den Beitrag der Kanzlei Bär & Karrer zur Aktienrechtsreform.

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