Am 1. Januar 2021 ist die Regelung zum Vaterschaftsurlaub in Kraft getreten. Damit erhalten alle erwerbstätigen Väter das Recht auf zwei Wochen Vaterschaftsurlaub für die ersten sechs Monate nach der Geburt des Kindes. Alle Einzelheiten zur Ausgestaltung der neuen Regelungen erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
Bereits vor längerer Zeit berichteten wir hier auf dem Blog über die rechtliche Situation junger Eltern am Arbeitsplatz: Während erwerbstätigen Müttern nach der Geburt gestützt auf das Obligationenrecht (OR) und das Erwerbsersatzgesetz (EOG) ein gesetzlicher Anspruch auf einen bezahlten Mutterschaftsurlaub von mindestens 14 Wochen zusteht (Art. 329f OR; Art. 16b EOG), sah das schweizerische Bundesrecht bisher keine Bestimmung vor, welche explizit freie Tage im Zusammenhang mit dem Vaterwerden eingeräumt hätte. Ein Anspruch des Vaters auf «Urlaub» wurde bisher aus Art. 329 Abs. 3 OR hergeleitet. Diese Bestimmung sieht vor, dass «dem Arbeitnehmer im Übrigen die üblichen freien Stunden und Tage» zu gewähren sind. Je nach Branche oder Unternehmung betrug danach der Urlaub für die Vaterschaft 1 bis 2 Diensttage.
In der Volksabstimmung vom 27. September 2020 wurde die Vorlage für einen bezahlten Vaterschaftsurlaub angenommen. Die Vorlage trat am 1. Januar 2021 in Kraft (vgl. bereits den Kurzüberblick in diesem Blogbeitrag). Geregelt ist der Vaterschaftsurlaub neu in Art. 329g OR und die Vaterschaftsentschädigung in den Art. 16i ff. EOG.
Anspruch auf einen Vaterschaftsurlaub haben Männer, die zum Zeitpunkt der Geburt rechtlicher Vater des Kindes sind (Entstehung des Kindesverhältnisses kraft Ehe mit der Mutter oder durch Anerkennung, nicht aber bei Adoption) oder dies innerhalb der folgenden sechs Monate werden (Entstehung des Kindesverhältnisses durch Anerkennung oder durch einen gerichtlichen Entscheid, rückwirkend auf den Zeitpunkt der Geburt; Art. 329g OR und Art. 16i Abs. 1 lit. a EOG).
Wie beim Mutterschaftsurlaub bedingt der Anspruch auf Erwerbsersatz während des Vaterschaftsurlaubs zusätzlich, dass der Vater während neun Monaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes im Sinne des AHVG obligatorisch versichert war, in dieser Zeit mindestens fünf Monate lang eine Erwerbstätigkeit ausgeübt hat und im Zeitpunkt der Geburt des Kindes Arbeitnehmer oder selbstständigerwerbend ist oder im Betrieb der Ehefrau mitarbeitet und einen Barlohn bezieht (Art. 16i Abs. 1 lit. b-d EOG). Auch ein Vater, der zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes arbeitslos ist oder deshalb die Mindesterwerbsdauer nicht erfüllt hat, hat Anspruch auf Vaterschaftsentschädigung, wenn er bis zur Geburt Taggelder der Arbeitslosenversicherung erhalten hat oder am Tag der Geburt die zum Bezug der Arbeitslosenentschädigung erforderliche Beitragsdauer erfüllt hat (Art. 16i Abs. 3 lit. a EOG).
Für Arbeitnehmer, die weder die Voraussetzungen nach EOG erfüllen noch einen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub gestützt auf den Einzelarbeitsvertrag haben, gilt gemäss schweizweiter Übung weiterhin die Regelung der «die üblichen freien Tage und Stunden» nach Art. 329 Abs. 3 OR.
Der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub beginnt nach der Geburt des Kindes (Art. 329g Abs. 2 OR), wenn dieses ab dem 1. Januar 2021 zur Welt gekommen ist. Ab diesem Zeitpunkt kann der Arbeitnehmer innerhalb einer Rahmenfrist von sechs Monaten seinen zweiwöchigen Vaterschaftsurlaub beziehen (Art. 329g Abs. 2 OR) und zwar einmal am Stück oder wochen- oder tageweise (Art. 329g Abs. 3 OR).
Den Zeitpunkt des Vaterschaftsurlaubs bestimmt grundsätzlich wie bei den Ferien der Arbeitgeber, wobei er aber auf die Wünsche des Arbeitnehmers so weit Rücksicht nehmen muss, als dies mit den Interessen des Betriebs vereinbar ist. Aufgrund der familiären Situation und aufgrund der befristeten Bezugszeit von sechs Monaten sind die Interessen des Arbeitnehmers bezüglich des Vaterschaftsurlaubs sicher stark zu gewichten.
Was in den aktuell noch relevanten Übergangskonstellationen gilt, in denen ein Kind zwar noch vor dem 1. Januar 2021 geboren wurde, aber die die sechsmonatige Rahmenfrist ab dem Geburtstag beim Inkrafttreten der neuen Bestimmungen noch nicht abgelaufen ist, regeln die neuen Bestimmungen nicht. Es erscheint sachgerecht, dass in solchen Fällen ein anteilsmässiger Vaterschaftsurlaub ab dem 1. Januar 2021 bis zum Ablauf der sechs Monate nach der Geburt gewährt wird.
Bei Art. 329g OR handelt es sich um eine sogenannte relativ zwingende Bestimmung (vgl. Art. 362 OR). Relativ zwingend bedeutet, dass die gesetzlich vorgesehene Regel nicht zu Ungunsten des Arbeitnehmers abgeändert werden kann; Regelungen, die für den Arbeitnehmer günstiger sind, sind indessen zulässig.
Im Gegensatz zur Mutterschaftsentschädigung ist der Vater nicht verpflichtet. den Vaterschaftsurlaub zu beziehen. Beim Anspruch auf Vaterschaftsurlaub handelt es sich um ein Recht und keine Pflicht des Arbeitsnehmers.
Sehen Einzelarbeitsverträge oder GAV, die bereits vor dem 1. Januar 2021 vertraglich vereinbart wurden, neben den «freien Tagen» gemäss Art. 329 Abs. 3 OR bei Geburt einen zusätzlichen Vaterschaftsurlaub vor, wird dieser Anspruch durch die neuen gesetzlichen Bestimmungen nicht ersetzt.
Ohne Änderung des Einzelarbeitsvertrages oder des GAV haben Arbeitnehmer somit weiterhin Anspruch auf die bezahlten «übliche freien Tage und Stunden» bei Geburt und zusätzlich auch auf den Vaterschaftsurlaub nach Art. 329g OR. Die beiden Ansprüche tangieren sich auch deshalb nicht, weil der Anspruch auf Vaterschaftsurlaub gemäss Art. 329g OR nicht zum Zeitpunkt der Geburt bezogen werden muss.
Neben dem neuen Art. 329g OR wurde auch Art. 329b OR ergänzt, der die Möglichkeit der Kürzung des Ferienanspruchs des Arbeitnehmers bei Arbeitsverhinderung regelt. Gemäss Art. 329b Abs. 1 OR kann der Arbeitgeber die Ferien für jeden vollen Monat der Verhinderung um einen Zwölftel kürzen, wenn der Arbeitnehmer durch sein Verschulden währen eines Dienstjahres insgesamt um mehr als einen Monat an der Arbeit verhindert ist. Besteht eine Verhinderung des Arbeitnehmers aus Gründen, die in seiner Person liegen (z.B. bei Krankheit, Unfall etc.), die aber ohne sein Verschulden verursacht wurden, erfolgt gemäss Art. 329b Abs. 2 OR die Ferienkürzung ab dem vollendeten zweiten Monat. Neu statuiert nun das Gesetz in Art. 329b Abs. 3 OR zusätzlich, dass die Ferien vom Arbeitgeber nicht gekürzt werden dürfen, wenn ein Arbeitnehmer einen Vaterschaftsurlaub bezogen hat.
Ebenfalls neu ist Art. 335c Abs. 3 OR: Gemäss dieser Bestimmung wird die Kündigungsfrist um die noch nicht bezogenen Urlaubstage verlängert, wenn der Arbeitgeber (nicht aber der Arbeitnehmer) das Arbeitsverhältnis kündigt und der Arbeitnehmer vor Ende des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Vaterschaftsurlaub im Sinne von Art. 329g OR hat. Wird dem Arbeitnehmer nach der Geburt des Kindes gekündigt, so verlängert sich die Kündigungsfrist um die jeweils noch nicht bezogenen Tage des Vaterschaftsurlaubs. Ist gemäss Arbeitsvertrag eine Kündigung nur auf einen bestimmten Termin, z.B. auf das Ende eines Monats (vgl. Art. 335c Abs. 1 OR) möglich, verlängert sich das Arbeitsverhältnis um mehr als diese nicht bezogenen Tage. In allen anderen Fällen werden durch die Verlängerung um den im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht bezogenen Vaterschaftsurlaub in Zukunft jedoch auch vermehrt Arbeitsverhältnisse während eines Kalendermonats enden.
Ein Arbeitnehmer, der innerhalb der sechsmonatigen Rahmenfrist die Arbeitsstelle wechselt, verliert seinen Anspruch auf Vaterschaftsurlaub nicht. Die Ferientage, die der Arbeitnehmer beim ehemaligen Arbeitgeber noch nicht bezogen hat, gehen auf die neue Arbeitsstelle über.
Art. 335c Abs. 3 OR gilt nicht bei einer Kündigung während der Probezeit. Der zeitliche Kündigungsschutz von Art. 336c OR kommt beim Vaterschaftsurlaub ebenfalls nicht zur Anwendung, d.h. im Gegensatz zu einer Kündigung einer schwangeren Arbeitnehmerin oder einer Mutter während des Mutterschaftsurlaubs – die nichtig ist – ist eine Kündigung durch den Arbeitgeber während des Vaterschaftsurlaubs gültig.
Der Erwerbsausfall im Vaterschaftsurlaub wird entschädigt. Dabei gelten die gleichen Grundsätze wie beim Mutterschaftsurlaub, die im Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende, bei Mutterschaft und bei Vaterschaft (Erwerbsersatzgesetz, EOG) geregelt sind.
Auch für den Bezug der Vaterschaftsentschädigung gilt eine Rahmenfrist von sechs Monaten, die mit der Geburt des Kindes beginnt. Die Vaterschaftsentschädigung endet grundsätzlich nach sechs Monaten oder nach dem Bezug der 14 Taggelder (Art. 16j EOG).
Die Entschädigung für den bezogenen Vaterschaftsurlaub wird als Taggeld ausbezahlt. Dabei hat der Vater Anspruch auf höchstens 14 Taggelder. Wie erwähnt kann der zweiwöchige Urlaub im Gegensatz zum Mutterschaftsurlaub auf einmal am Stück oder wochen-bzw. tageweise bezogen werden. Bezieht der Vater den Vaterschaftsurlaub wochenweise, werden pro Woche sieben Taggelder ausgerichtet. Bezieht er den Urlaub tageweise, werden pro fünf entschädigte Tage zusätzlich zwei Taggelder ausgerichtet. Der zweiwöchige Urlaub entspricht somit 10 Arbeitstagen (vgl. Art. 16k EOG).
Analog zur Mutterschaftsentschädigung beträgt die Entschädigung 80% des durchschnittlichen Erwerbseinkommens, das der Vater vor der Geburt des Kindes erzielt hat. Das maximale Taggeld wird mit einem Monatseinkommen von 7’350 CHF (7’350 CHF x 0.8: 30 Tage = 196 CHF/Tag) und bei Selbständigerwerbenden mit einem AHV-pflichtigen Jahreseinkommen von 88’200 CHF (88’200 CHF x 0.8: 360 Tage = 196 CHF/Tag) erreicht. Für zwei Wochen Urlaub werden 14 Taggelder ausbezahlt, was einen Höchstbetrag von 2’744 CHF ergibt.
Betragen die Vaterschaftsentschädigungen im Einzelarbeitsvertrag oder im GAV des Vaters 100% des Lohnes, muss der Arbeitgeber – analog zur Mutterschaftsentschädigung – aus eigener Tasche auf die 100% aufstocken.
Hat der Vater im Zeitpunkt der Geburt kein Erwerbseinkommen, bezieht jedoch ein Taggeld der Invalidenversicherung, der obligatorischen Krankenpflegeversicherung, der obligatorischen Unfallversicherung, der Militär- oder der Arbeitslosenversicherung, entspricht die Vaterschaftsentschädigung mindestens der Höhe dieses Taggeldes (Art. 16m Abs. 2 EOG).
Wie die Mutterschaftsentschädigung wird die Vaterschaftsentschädigung nicht automatisch ausbezahlt, sondern sie muss entweder vom Vater selbst, vom Arbeitgeber oder von Angehörigen des Vaters (Ehefrau, eigene Kinder) bei der zuständigen Ausgleichskasse ausdrücklich beantragt werden Das entsprechende Anmeldeformular 318.747 sowie weitere Informationen zum Prozess sind auf dieser Website des Bundes abrufbar.). Entrichtet der Arbeitgeber dem Vater für die Dauer des Anspruchs weiterhin Lohn, so zahlt die Ausgleichskasse die Entschädigung an den Arbeitgeber aus. In allen anderen Fällen geht sie direkt an den Vater.
Der Anspruch auf Vaterschaftsentschädigung kann bis fünf Jahre nach Ablauf der sechsmonatigen Rahmenfrist geltend gemacht werden; bezieht der Vater den Vaterschaftsurlaub in den sechs Monaten nicht, verfällt der Anspruch und die Arbeitgeberin muss dafür keine Entschädigung leisten.
Da die anstelle des Lohns direkt ausgerichtete Vaterschaftsentschädigung ebenfalls als Einkommen gilt, müssen darauf AHV/IV/EO- (und bei Arbeitnehmern AL-)Beiträge entrichtet werden.
Die Einführung bzw. gesetzliche Regelung des Vaterschaftsurlaubs ist ein erster Schritt in die richtige Richtung in Sachen Gleichstellung, weil sich dadurch in Zukunft Väter vermehrt bei der Kinderbetreuung engagieren und Mütter hoffentlich schneller und in grösserem Ausmass wieder ins Erwerbsleben zurückkehren werden.
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