Weiterbildung als arbeitsrechtlicher Dauerbrenner

Weiterbildung als arbeitsrechtlicher Dauerbrenner

Autor: Isabelle Oehri

Hochschule Luzern - W Dozentin & Projektleiterin
isabelle.oehri@hslu.ch

Bereits zwei Artikel hier auf dem Management & Law-Blog widmen sich dem arbeitsrechtlichen Dauerbrenner Weiterbildung. Nach den Grundlagen rund um Weiterbildungskosten und Weiterbildungszeit, die dort behandelt wurden, geht es im vorliegenden Beitrag um eine spezifische weiterführende Frage, welche finanzielle und zeitliche Aspekte kombiniert: Inwiefern kann bei Weiterbildungen, die auf Arbeitszeit absolviert werden, im Rahmen einer Rückzahlungsvereinbarung auch der ausbezahlte Lohn zurückverlangt werden?

Zu keinem anderen meiner Artikel werde ich häufiger mit Rückfragen kontaktiert als zu den Blog-Beiträgen rund um das Thema Weiterbildung und Arbeitsrecht. Sowohl bei Arbeitnehmern als auch bei Arbeitgeberinnen scheinen sich in diesem Bereich häufig Fragen und Unsicherheiten zu ergeben.

Im Zusammenhang mit Weiterbildungen bestehen im Wesentlichen zwei grosse juristische Dauerbrenner: Fragen rund um die Weiterbildungskosten und um das Thema Weiterbildung und Arbeitszeit. Die wichtigsten Fragen zu diesen beiden Themenfeldern werden in zwei separaten Blog-Beiträgen erläutert:
Im Artikel «Weiterbildungskosten – Was sagt das Arbeitsrecht?» werden die Fragen beantwortet, wann die Arbeitgeberin und wann der Arbeitnehmer die Kosten für eine Weiterbildung tragen muss, und unter welchen Voraussetzungen Rückzahlungsvereinbarungen für von der Arbeitgeberin übernommene Kosten zulässig sind.
Der Artikel «Weiterbildung und Arbeitszeit» befasst sich mit der Frage, wann Weiterbildungszeit bezahlte Arbeitszeit ist und wann sie als Freizeit gilt und daher kein Lohnanspruch besteht.

Kürzlich wurde mir nun von einem Blog-Leser, der beide Artikel studiert hatte, eine weiterführende Frage gestellt, die sowohl die Kosten- als auch die zeitliche Ebene beschlägt: Inwiefern ist es zulässig, dass bei Weiterbildungen, die von der Arbeitgeberin finanziert werden und die auf Arbeitszeit absolviert werden, im Rahmen einer Rückzahlungsvereinbarung auch der ausbezahlte Lohn zurückverlangt werden darf?

Unterschiede je nach Initiative zur Weiterbildung – Die Grundregeln

Um diese Frage zu beantworten, sind vorab nochmals die geltenden Grundregeln betreffend Weiterbildungskosten und Weiterbildungszeit zusammenzufassen:
Sowohl mit Blick auf die Kosten als auch mit Blick auf die für eine Weiterbildung aufgewendete Zeit ist zwischen arbeitgeberseitig angeordneten (oder gesetzlich vorgeschriebenen), betriebsbedingten Fortbildungen auf der einen Seite und ausserbetrieblichen Weiterbildungen auf der anderen Seite zu differenzieren, die für die Ausübung der Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht zwingend erforderlich sind und die auf eigene Initiative besucht werden.
Weiterbildungen, die gesetzlich vorgeschrieben oder von der Arbeitgeberin angeordnet sind, sind von dieser zu finanzieren. Die dafür aufgewendete Zeit ist als Arbeitszeit zu klassifizieren und entsprechend zu entlöhnen.
Andere Weiterbildungen, die der Arbeitnehmer auf eigene Initiative freiwillig besucht, sind grundsätzlich vom Arbeitnehmer selbst zu bezahlen. Die dafür aufgewendete Zeit ist Freizeit, für die kein Lohnanspruch besteht.

Keine Rückforderung von Kurskosten und Lohn bei obligatorischen Weiterbildungen

Bei der ersten Kategorie der obligatorischen Weiterbildungen sind Rückzahlungsvereinbarungen für die Kurskosten gemäss Lehre und Rechtsprechung unzulässig. Dasselbe gilt selbstredend auch für den Lohn während der aufgewendeten Weiterbildungszeit, die als Arbeitszeit gilt. Auch wenn der Arbeitnehmer während oder kurz nach Abschluss einer solchen arbeitsplatzbezogenen Fortbildung den Betrieb verlässt, kann die Arbeitgeberin weder die bezahlten Kurskosten noch den ausbezahlten Lohn zurückfordern.

Möglichkeiten und Grenzen von Rückzahlungsvereinbarungen bei eigeninitiativen Weiterbildungen

Anders ist die Situation bei der zweiten Kategorie der eigeninitiativ besuchten Weiterbildungen. Beteiligt sich eine Arbeitgeberin freiwillig an den Kurskosten für solche Weiterbildungen, sind Rückzahlungsvereinbarungen für den Fall, dass der Arbeitnehmer innerhalb einer gewissen Zeit nach Abschluss den Betrieb der Arbeitgeberin verlässt, grundsätzlich erlaubt und in der Praxis häufig. Jedoch greifen solche Rückzahlungsvereinbarungen nur, wenn die Auflösung des Arbeitsverhältnisses dem Arbeitnehmer zuzuschreiben ist. Ausserdem sind sie in jedem Fall angemessen zu beschränken (auf maximal 3 Jahre) und im Allgemeinen degressiv auszugestalten (vgl. im Einzelnen «Weiterbildungskosten – Was sagt das Arbeitsrecht?»).

Dieselben Grundsätze sollten meines Erachtens auch in Fällen gelten, wo sich die Arbeitgeberin (zusätzlich zu oder statt einer Beteiligung an den Kurskosten) einverstanden erklärt, dass ein Arbeitnehmer eine auf eigenen Wunsch besuchte Weiterbildung auf Arbeitszeit absolviert. Denn wie gesehen steht es der Arbeitgeberin frei, ob sie eine solche Weiterbildung als Arbeitszeit anerkennt und dafür Lohn entrichtet, und sie könnte stattdessen auch darauf bestehen, dass der Arbeitnehmer diese Weiterbildung in seiner Freizeit absolviert. Vor diesem Hintergrund muss es auch möglich sein, dass sie sich im Falle einer freiwilligen Anrechnung als Arbeitszeit in einer Rückzahlungsvereinbarung vorbehält, hierauf zurückzukommen, wenn der Arbeitnehmer den Betrieb während oder kurz nach Absolvieren der Weiterbildung aus Gründen verlässt, die ihm selbst zuzuschreiben sind.

Sorgfältige Ausgestaltung in der Praxis

Allerdings ist in diesem Kontext aus praktischer Sicht auf zwei Punkte hinzuweisen:

Erstens ist die Unterscheidung zwischen angeordneten auf der einen und eigeninitiativ besuchten Weiterbildungen auf der anderen Seite in der Praxis häufig nicht ganz trennscharf. Es gilt, im Einzelfall abzuwägen, wer welchen Nutzen aus einer Bildungsmassnahme zieht, und dieser Interessenlage ist bei der Ausgestaltung der Zahlungs- und Rückzahlungsverpflichtungen von Kurskosten und Lohn Rechnung zu tragen.

Zweitens ist bei Rückzahlungsvereinbarungen, gerade wenn sie nicht nur die Kurskosten betreffen, genau zu umschreiben, welche Kosten bzw. Beträge konkret umfasst sind und welche nicht. Bei einer Rückerstattungspflicht bezüglich des auf die Weiterbildungszeit entfallenden Lohns ist insbesondere genau und klar zu spezifizieren, in welchem Umfang und zu welchem Betrag diese erfolgen soll. Gegebenenfalls empfiehlt es sich angesichts der Komplexität und des Konfliktpotentials einer solchen Vereinbarung, von der Berücksichtigung der Zeitkomponente gänzlich abzusehen, d.h. die Weiterbildungszeit von Vornherein nicht als Arbeitszeit zu klassifizieren und im Gegenzug auch keine Rückzahlungsverpflichtung vorsehen zu müssen. Je nach Fallkonstellation ist diese simplere Alternative im Interesse einer möglichst einfach handhabbaren, klaren und ausgeglichenen Weiterbildungsvereinbarung für beide Seiten vorzuziehen.

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