Verträge schreiben mit KI?

Verträge schreiben mit KI?
Ueli Grüter ist regelmässig Interviewpartner zu Themen an der Schnittstelle zwischen Recht und Digitalisierung – im Bild für 10vor10 von SRF

Themen recherchieren, Social Media-Posts schreiben oder Marketing-Konzepte entwickeln – Derzeit gewinnt man den Eindruck, dass KI-Tools wie ChatGPT & Co. so ziemlich alles können. Können Sie auch Verträge entwerfen? Ueli Grüter, Rechtsanwalt und Dozent im CAS Vertragsmanagement der Hochschule Luzern, hat es ausprobiert und teilt seine Erfahrungen in einem Interview.


Management & Law-Blog: Wer schreibt die besseren Verträge, ChatGPT oder der erfahrene Rechtsanwalt Ueli Grüter?

Ueli Grüter: (lacht) – Ich natürlich! Nein, Spass beiseite. Auch im juristischen Arbeitsfeld gilt meines Erachtens, was vielerorts gilt: Der gezielte und gekonnte Einsatz von KI-Tools kann einem den Arbeitsalltag enorm erleichtern. Schon vor dem Aufkommen von ChatGPT & Co. hat sich kaum jemand – ob mit oder ohne juristischen Background – hingesetzt und einen Vertrag auf dem weissen Blatt Papier erstellt. Früher arbeitete man mit Musterverträgen, heute mit KI-Tools. KI-Tools übernehmen also (noch) nicht die Arbeit von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, sondern unterstützen diese bei ihrer Arbeit.

Management & Law-Blog: Wieso ist gerade das Verfassen von Verträgen ein Paradebeispiel einer juristischen Tätigkeit, bei der KI-Tools helfen können?

Ueli Grüter: Aus meiner Sicht hat dies verschiedene Gründe, unter anderem und ganz grundlegend jenen, dass es schlicht sehr viele Verträge zu schreiben gibt: Jedes Unternehmen, vom KMU bis zum Grosskonzern, schliesst täglich Verträge ab. In vielen Unternehmen sind es dabei nicht primär Juristinnen oder Juristen, welche die Verträge verhandeln, entwerfen und verwalten, sondern beispielsweise Fachpersonen mit betriebswirtschaftlichem oder technischem Hintergrund. Sie bringen das für den Kern des Vertrags essenzielle Business-Knowhow mit und wissen ganz genau, welche Punkte vertraglich wie geregelt werden soll. Diesen klaren Inhalt dann in ein ebenso klares und verständliches Vertragsdokument zu giessen, kann für diese Fachleute aber bisweilen eine Herausforderung sein. Und hier können KI-Tools helfen.

Management & Law-Blog: Wie können ChatGPT & Co. konkret bei der Vertragsredaktion unterstützen?

Ueli Grüter: Bei der Redaktion von Verträgen können Chatbots beispielsweise Checklisten für die Vertragserstellung und Musterverträge generieren. Anders als generische Vertragsvorlagen, mit denen man früher gearbeitet hat, sind die Tools in der Lage, diese bereits mit den entsprechenden Fakten anzureichern und auf einen konkreten Fall masszuschneidern.

Management & Law-Blog: Worauf muss man dabei achten?

Ueli Grüter: Bei der Unterstützung der Vertragsredaktion sind die Prompts besonders wichtig: Man muss dem Tool möglichst genau sagen, was man will und nach Möglichkeit auch die dem gewünschten Vertrag zugrundeliegenden Fakten eingeben. Bei einem Mustervertrag sollte man auch definieren, wie umfangreich das Muster sein soll. Man kann aber auch später verlangen, dass das Tool zu einer bestimmten Vertragsklausel eine umfangreichere, evtl. auch stärker auf den Fall bezogene Version liefert. So kann der Chatbot, step by step, bei der Redaktion eines Vertrages behilflich sein.

Management & Law-Blog: Wo ist Vorsicht geboten?

Ueli Grüter: Auch im juristischen Bereich muss man sich der Funktionsweise der KI-Tools und ihren damit einhergehenden Grenzen bewusst sein. Die Tools sind nicht fehlerfrei und können sogar «halluzinieren», wie man in diesem Kontext sagt, d.h. Antworten schlicht erfinden. Manchmal scheinen die Resultate plausibel, sind aber trotzdem nicht richtig, was das Ganze gefährlich macht. Mit Blick auf das Schreiben von Verträgen heisst das, dass man die Resultate, die ein Tool ausspuckt, nie unbesehen übernehmen kann und immer überprüfen und gegebenenfalls adaptieren muss. Genauso, wie es nicht zielführend, weil ineffizient, ist, für die Vertragserstellung keine KI zu benutzen, wäre es nicht zielführend, weil fahrlässig, sie unüberlegt und ohne Hintergrundwissen einzusetzen.

Management & Law-Blog: Sie unterrichten unter anderem im CAS Vertragsmanagement der Hochschule Luzern und geben den Weiterbildungsteilnehmenden dort einen Einblick in Legal Tech, d.h. die Digitalisierung der Rechtsbranche und entsprechende Anwendungen, wie Smart Contracts und Tools basierend auf künstlicher Intelligenz wie eben Chatbots. Wenn Sie die aktuellen Entwicklungen im KI-Bereich verfolgen – was braucht die Vertragsmanagerin bzw. der Vertragsmanager der Zukunft noch für Kompetenzen?

Ueli Grüter: KI-Tools unterstützen Vertragsmanagerinnen und Vertragsmanager zukünftig wohl immer mehr bei ihren Aufgaben über den gesamten Vertragslebenszyklus hinweg: vom Verfassen und das Analysieren von Verträgen über das Überwachen bis hin zum Verwalten und Archivieren. Gerade wenn es um das Verfassen geht, ist aber nach wie vor grundsätzliches Knowhow im Recht, über das Wesen und die Funktionsweise von Verträgen, sowie im Handwerk der Vertragssprache und deren Verwendung nötig. Denn der Vertragsmanager oder die Vertragsmanagerin von morgen wird vielleicht in weniger ausgeprägtem Masse in das Aufsetzen des ersten Vertragsentwurfs in der aktiv-schreibenden Rolle involviert sein, aber er bzw. sie wird ihn kritisch prüfen und adaptieren müssen. Und hierfür braucht es Vertragsmanagement-Kompetenzen. Mit dem Einsatz von KI werden Verträge und ihr Management je länger desto weniger ein rein juristischer Task sein, sondern interdisziplinäre Skills verlangen. Das CAS Vertragsmanagement, bei dem ich als Dozent dabei sein darf, deckt neben den rechtlichen Grundlagen zu Verträgen, denen ein Modul gewidmet ist, auch die taktisch-kommunikative Seite von Vertragsstrategie und -verhandeln und die operativ-prozessorientierte Seite von Verträgen ab (Informationen zum CAS Vertragsmanagement in der Box). 


Ueli Grüter
Rechtsanwalt, LL.M.

Ueli Grüter ist als Rechtsanwalt und Dozent an der Hochschule Luzern spezialisiert auf Themen an der Schnittstelle zwischen Digitalisierung und Recht.

Ab Januar 2024 unterrichtet Ueli Grüter in der nächsten Durchführung des CAS Vertragsmanagement der Hochschule Luzern – Wirtschaft.

CAS Vertragsmanagement

In drei praxisorientierten Modulen vermittelt das CAS Vertragsmanagement fundierte Kenntnisse in den Bereichen Recht und Vertragsgestaltung, Strategie und Verhandeln sowie Tools und Prozesse.
Die nächste Durchführung der Weiterbildung startet im Januar 2024 und dauert bis Juni 2024.

Infoveranstaltung (online): 27. November 2023, 18.00 Uhr
Anmeldeschluss: 4. Dezember 2023

Kommentare

0 Kommentare

Kommentar verfassen

Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.