Das Business der Inkassounternehmen

Das Business der Inkassounternehmen

Autorin: Lia Lüdi

Hochschule Luzern - W Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Das Wort «Inkasso» dürfte wohl bei einigen unangenehme Erinnerungen wecken. Zahlungsaufforderungen von Inkassounternehmen enthalten oft intrasparente Kosten, deren Legitimität nicht immer nachvollziehbar ist. Eine parlamentarische Motion, die im April 2024 auf der Tagesordnung des Nationalrats stand, nimmt Lia Lüdi, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Kompetenzzentrum Management & Law, zum Anlass, dieses häufig-diskutierte Thema aufzugreifen.

Die Mitte-Nationalrat Vincent Maitre reichte am 4. Mai 2023 eine Motion ein, welche den Bundesrat beauftragte, die Deckelung von Inkassogebühren gesetzlich zu prüfen. Die Gebühren haben sich gemäss der Motion nach der Höhe der Forderungen zu richten und sollten gesetzlich ausformuliert werden.

Die Rolle der Inkassounternehmen

Die von Inkassounternehmen angebotenen Dienstleistungen sind für Unternehmen sehr attraktiv. Zahlreiche Kundinnen und Kunden bezahlen ihre Rechnungen auch nach mehreren Mahnungen nicht und als Firma möchte man keine wertvollen Ressourcen verschwenden, um die Schuldnerinnen und Schuldner zur Kasse zu bitten. Was nun? Hier setzen die Dienstleistungen von Inkassounternehmen an: diese kaufen offene Forderungen von anderen Unternehmen und nehmen dann die bürokratische Jagd auf die ausstehenden Zahlungen auf. Die Forderungsabtretung hat dabei für das abtretende Unternehmen neben der Minimierung des administrativen Aufwands auch finanzielle Vorteile, indem Engpässe in der Liquidität und Gewinneinbussen durch grosse Forderungsausfälle vermieden werden.

Fragwürdige Inkassogebühren

Der Einbezug eines Inkassounternehmen bedeutet für säumige Schuldnerinnen und Schuldner meist nebst den zum Teil saftigen Mahngebühren zusätzlich anfallende Gebühren der Inkassofirma.

Nur gibt es dabei aus juristischer Sicht einen Haken:

Im Obligationenrecht ist aufgeführt, dass Gläubiger Anrecht auf Verzugszinsen haben (Art. 104, OR) sowie auf Ersatz für grössere, nicht von den Verzugszinsen gedeckte Schäden (Art. 106, OR), sofern ihrerseits beweisbar. Die von den Inkassounternehmen oft mit «Verzugsschaden nach Art. 106 OR» oder «Bonitätsprüfung» betitelten Kostenpunkte, die den Kundinnen und Kunden zusätzlich zum geschuldeten Betrag und den Zinsen in Rechnung gestellt werden, fallen jedoch häufig nicht unter Art. 106 OR und haben damit keine gesetzliche Grundlage.

Das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs hält zudem fest, dass die «Kosten der Vertretung im Verfahren vor den Betreibungs- und Konkursämtern […] nicht der Gegenpartei überbunden werden» dürfen (Art. 27 SchKG). Entsprechend dürfte ein Unternehmen, das im Betreibungsverfahren ein Inkassobüro beizieht, die Kosten für dessen Dienstleistungen nicht auf seinen säumigen Schuldner überwälzen. Inwiefern dies auch bereits für die dem offiziellen behördlichen Verfahren vorgelagerten Inkassoschritte gilt, ist nicht ganz klar.

Die allgemeine Rechtslage

Vor diesem Hintergrund erläutert der Bundesrat in seiner Antwort auf Maitres Motion, dass bereits rechtliche Grundlagen vorhanden sind, um Inkassounternehmen bei fragwürdigen Praktiken zur Rechenschaft zu ziehen. So sind Inkassounternehmen wie andere Unternehmen diversen Gesetzen unterstellt. Nebst den erwähnten Art. 106 OR und Art. 27 SchKG kommen beispielsweise auch das Lauterkeits- und das Strafrecht zum Zug. Gegen das Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) kann zum Beispiel die Einforderung von Gebühren verstossen, wenn die Forderung auf einem Vertrag basiert, welcher unter unlauteren Umständen zustande gekommen ist (Art. 2 UWG). Gemäss Art. 181 StGB macht sich ein Unternehmen strafbar, wenn es eine Schuldnerin oder einen Schuldner dazu nötigt, die offenen Schulden zu begleichen. Je nach Wortlaut und Absicht kann eine Drohung eines Inkassounternehmens auch als Erpressung angesehen werden (Art. 156 StGB).

Wie weiter?

In Bezug auf die versteckten Gebühren der Inkassounternehmen präzisiert der Bundesrat in seiner Antwort auf Maitres Motion die Bedeutung eines «Schadens» wie in Art. 106 OR aufgeführt. Er erläutert, dass es nur in Ausnahmefällen zulässig sei, ein Inkassounternehmen zuzuziehen und dann die damit verbundenen Kosten den Schuldnerinnen und Schuldnern in Rechnung zu stellen. Vor diesem Hintergrund wäre die Einführung einer Deckelung für solche Gebühren aus Sicht des Bundesrats eher kontraproduktiv, da die in den meisten Fällen nicht rechtmässig erhobenen Gebühren dann indirekt legitimiert würden. Mit anderen Worten würde die Weiterverfolgung der Motion, die das Ziel verfolgt, illegitimen Praktiken von Inkassobüros einen Riegel vorzuschieben, gemäss Ansicht des Bundesrats also genau das Gegenteil bewirken.

Die Schuldenberatung Schweiz rät Konsumentinnen und Konsumenten hinsichtlich der Entwicklungen im Bundeshaus vermehrt rechtlich gegen solche nicht gerechtfertigten Kosten vorzugehen.

Fraglich bleibt, ob in der Praxis zukünftig tatsächlich mehr solche unrechtmässigen Kosten angefochten werden, sind doch die Hürden gross, das Wissen der breiten Öffentlichkeit oft nicht umfassend und die Rechtslage noch immer eher eine Grauzone.

Der Gesetzestext wurde bisher zwar nicht geändert, doch man darf annehmen, dass die Stellungnahme des Bundesrats in einem Gerichtsverfahren als Argument zugunsten des Schuldners wirken würde, der sich gegen unrechtmässige Inkassogebühren zur Wehr setzte.

Ausstehend bleibt der Entscheid des Parlaments, ob nun trotz der warnenden Stellungnahme des Bundesrats doch eine Deckelung für Inkassogebühren eingeführt werden soll oder nicht. Das Geschäft war in der Sondersession des Parlaments vom 15. bis 17. April 2024 schon zum zweiten Mal traktandiert und wurde wiederum aus zeitlichen Gründen noch nicht behandelt. Es ist entsprechend nach wie vor offen, wann mit einem Entscheid zu rechnen ist.

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