Erziehung, Bildung und Betreuung,
Pflegefamilien tragen viel Verantwortung – häufig ohne die Unterstützung, die sie eigentlich brauchen. Eine Untersuchung der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit zeigt, wie sehr Pflegeeltern von kontinuierlicher Weiterbildung, Beratung und Austausch profitieren.
Olaf Stähli ist Co-Leiter der Schweizerischen Fachstelle Pflegefamilie. Zwischen 2019 und 2023 hat er das Projekt «Gemeinsam mit und für Pflegefamilien Graubünden» aufgebaut, bei dem Pflegeeltern kostenlose Weiterbildungen, Beratung und Austauschmöglichkeiten erhalten. Die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit hat dieses Projekt untersucht und seine Wirkung sichtbar gemacht. Zurzeit begleitet die Fachstelle ein ähnliches Angebot in der Zentralschweiz. Auch dieses Projekt läuft über mehrere Jahre und wird von der HSLU evaluiert. Im Gespräch erzählt Olaf Stähli, was Pflegefamilien besonders brauchen und welche Veränderungen er sich für die Zukunft wünscht.
Das Hauptziel war klar: Pflegekinder sollen die bestmöglichen Entwicklungschancen erhalten. Dafür brauchen Pflegeeltern Zugang zu fachlichem Wissen – und zwar nicht einmal im Jahr für ein paar Stunden, sondern regelmässig, praxisnah und gut organisiert.
Viele fremdplatzierte Kinder bringen schwere Belastungen und Traumatisierungen mit. Das erfordert eine spezifische pädagogische Haltung und viel Know-how; doch in den meisten Kantonen fehlen passende Angebote. Entweder werden sie nicht finanziert oder nicht in der nötigen Qualität angeboten. Genau hier setzte das Projekt an: Wir wollten sicherstellen, dass sich Pflegeeltern kostenlos weiterbilden, beraten lassen und vernetzen können.
Der Alltag in Pflegefamilien ist geprägt von spezifischen Herausforderungen – etwa von der Zusammenarbeit mit den Herkunftseltern. Auch die Geschwisterbeziehungen spielen eine grosse Rolle – dies besonders, wenn ein Kind Pflegekind ist und ein anderes das leibliche Kind der Familie. Bei der Verwandtenpflege, wenn etwa Grosseltern das Enkelkind aufnehmen, entstehen wieder andere Herausforderungen. Diese Themen, denen Pflegefamilien viel häufiger begegnen als andere Betreuende, beeinflussen oft den ganzen Familienalltag.
Viele Pflegekinder bringen wie gesagt belastende Erfahrungen mit, zum Beispiel Traumafolgestörungen oder das Fetale Alkoholsyndrom. Pflegeeltern brauchen deshalb drei Dinge: Erstens Wissen, um das Verhalten der Kinder besser zu verstehen. Zweitens konkrete Handlungskompetenz für den Alltag. Und drittens Selbstkompetenz – denn die Arbeit ist emotional herausfordernd. Alles theoretische Wissen nützt wenig, wenn man in Stresssituationen überfordert ist. Pflegeeltern können lernen, sich selbst gut zu regulieren, um die Kinder verlässlich unterstützen zu können.
«Weiterbildung, Beratung und Austausch geben Pflegeeltern mehr Sicherheit und helfen ihnen, mit schwierigen Situationen besser umzugehen.» Olaf Stähli
Er ist enorm wichtig. Viele merken erst in der Begegnung mit anderen, dass sie mit ihren Herausforderungen nicht allein sind. Sie hören, wie andere Familien mit ähnlichen Situationen umgehen, bekommen neue Ideen und erleben Bestärkung. Diese Gemeinschaft gibt Halt und entlastet besonders in emotional schwierigen Phasen.
Für uns war wichtig zu sehen, ob das, was wir fachlich für sinnvoll halten, im Alltag der Pflegefamilien tatsächlich etwas bewirkt. Die Evaluation hat bestätigt, dass unsere Angebote Wirkung erzielen. Weiterbildung, Beratung und Austausch geben Pflegeeltern mehr Sicherheit und helfen ihnen, mit schwierigen Situationen besser umzugehen. Das bestärkt uns sehr.
In Graubünden hat das Projekt konkret Folgendes bewirkt: Der Kanton finanziert heute einen Teil der Weiterbildungen für Pflegeeltern. Schweizweit gibt es jedoch noch Handlungsbedarf. Viele Kantone unterschätzen weiterhin, was Pflegekinder für ihre Entwicklung brauchen. Ohne verbindliche und gut finanzierte Weiterbildung und Beratung bleibt vieles dem Zufall überlassen. Damit sich langfristig etwas verbessert, braucht es klare gesetzliche Grundlagen – idealerweise auf Bundesebene.
Ich arbeite seit 30 Jahren in diesem System und kenne seine Unzulänglichkeiten gut. Ich sehe aber ebenso, wie viel möglich wird, wenn wir Pflegeeltern und Pflegekinder gezielt unterstützen. Mein Wunsch wäre, dass die Unterstützung nicht vom Wohnort abhängt. Alle Pflegekinder sollten die Unterstützung bekommen, die sie brauchen.

Olaf Stähli ist Psychologe MSc und hat des Weiteren ein MAS im Bereich Supervision und Coaching sowie eine Fortbildung zum Fachpädagogen für Psychotraumatologie SIPT absolviert. Er ist seit 2017 unter anderem für die Schweizerische Fachstelle Pflegefamilie tätig und verfügt über jahrzehntelange Erfahrung in der Begleitung und Beratung von Pflegefamilien.
Mehr über die SFP und ihre Projekte
Die Schweizerische Fachstelle Pflegefamilie SFP setzt sich dafür ein, dass Pflegefamilien und Pflegekinder optimale Bedingungen haben. Dabei ermöglicht sie Vernetzung, bietet Weiterbildungen und Beratungen für Pflegeeltern und Fachpersonen an und engagiert sich in Projekten für Pflegefamilien. Ihr Projekt «Gemeinsam mit und für Pflegefamilien Graubünden» stand Modell für eine verbesserte Unterstützung und Förderung der Betroffenen. Dadurch gelang es, die Aufmerksamkeit für das Thema zu erhöhen und den Familien in Graubünden niederschwelligen Zugang zu Begleit-, Bildungs- und Austauschangeboten zu ermöglichen. Auch das noch laufende Projekt «Gemeinsam mit und für Pflegefamilien Zentralschweiz» verfolgt dieses Ziel für die Region Zentralschweiz. Die Hochschule Luzern – Soziale Arbeit evaluierte beide Projekte auf die postulierten Wirkungen hin. Mehr zu den Projekten der SFP, zu denen unter anderem auch «Being Foster Parents» zählt, findet sich hier.
Text: Ismail Osman
Bild: Getty Images
Veröffentlicht am 18. Dezember 2025
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