Kindes- und Erwachsenenschutz

Ein Interview zum Berner Kommentar mit Christoph Häfeli und Daniel Rosch

Ein Interview zum Berner Kommentar mit Christoph Häfeli und Daniel Rosch

Christoph Häfeli und Daniel Rosch, beide Juristen und Sozialarbeiter, diskutieren die Entstehung des Berner Kommentars zum Erwachsenenschutz und wichtige Entwicklungen im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes. Sie betonen die Notwendigkeit weiterer Professionalisierung und diskutieren zukünftige Schritte. Ihre Zusammenarbeit spiegelt die Hoffnung wider, grundlegende Werte und Instrumente dieses Rechtsgebiets zu bewahren und weiterzuentwickeln.

Das Interview führte Daniel Rosch mit Christoph Häfeli am 25. März 2024

1. Lieber Christoph, wir haben gemeinsam ein juristisches Standardwerk, den Berner Kommentar zu den behördlichen Massnahmen verfasst. Wie ist dieses Werk in Deinem jahrzehntelangen Engagement für den Kindes- und Erwachsenenschutz zu verorten?

Dank unserer Doppelausbildung als Sozialarbeiter und Juristen konnten wir mit dem Berner Kommentar zu einem Kernstück des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts die für dieses Rechtsgebiet typische Verschränkung von Recht und Sozialarbeit in einem Grosskommentar darstellen.

2. Wenn du zu den Anfängen zurückschaust, welche Veränderungen waren für Dich im Berufsfeld besonders bedeutsam?

Die markantesten Veränderungen in den mehr als 50 Jahren meiner Tätigkeit im Kindes- und Erwachsenenschutz sind zwei Professionalisierungsschübe: der erste erfolgte mit dem ersten Nachdiplomstudium für Amtsvormundinnen und Amtsvormunde im September 1994 an der HFS Zentralschweiz (der heutigen HSLU Soziale Arbeit), ein Jahr nach dem Start der Totalrevision des Vormundschaftsrechts[1]. Der zweite trat mit der Professionalisierung und multidisziplinären Zusammensetzung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden mit dem Inkrafttreten des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts am 1. Januar 2013 ein.

3. Was wären die nächsten Schritte, die unbedingt folgen müssten?

Im ersten Jahrzehnt des neuen Rechts erfolgte trotz medial orchestrierter massiver Behinderung durch rückwärtsgewandte politische Kräfte eine bemerkenswert gesetztestreue Umsetzung. Dennoch ist im zweiten Jahrzehnt die weitere Professionalisierung der beiden Hauptakteure voranzutreiben durch die flächendeckende Organisation der Berufsbeistandschaften im Sinne der Empfehlungen der KOKES vom 21. Juni 2021 und die Weiterentwicklung der noch unterschiedlich weit gediehenen interdisziplinären Praxis der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden.

4. Der Berner Kommentar ist mit über 1200 Seiten sehr umfangreich geworden. Was war beim Entstehen des Berner Kommentars für Dich besonders wichtig?

Nachdem in den hundert Jahren des Vormundschaftsrechts Paternalismus und Fremdbestimmung in der Praxis vorherrschten, stärkt das neue Recht nicht nur die eigene Vorsorge, sondern verankert die Subsidiarität und Verhältnismässigkeit der behördlichen Massnahmen und fördert die Selbstbestimmung durch massgeschneiderte Massnahmen und eine entsprechende Mandatsführung. Unser Kommentar sollte diesen Leitgedanken verpflichtet sein. Mein Hauptanliegen war es zudem, die Entwicklung vom Miliz- und Laiensystem der beiden Hauptakteure zu einem professionellen System nachvollziehbar und überzeugend darzustellen. Deshalb wird auch dem Revisionsprozess als Ganzes sowie der Entstehungsgeschichte der einzelnen Artikel entsprechend Raum gegeben.

5. Du, lieber Daniel, bist einer der «Treuhänder» des Kindes- und Erwachsenenschutzrechts. In euch setze ich als einer der Väter und Mitgestalter meine Hoffnung auf die Bewahrung und Weiterentwicklung der grundlegenden Werte und Instrumente dieses Rechtsgebiets. Was war für Dich besonders wichtig?

Neben der sehr anregenden Zusammenarbeit mit Dir, Christoph, war es mir ein Anliegen, die Ideen, die zusammen mit der Behindertenrechtskonvention auf uns zukommen, zu diskutieren und einzuordnen. Besonders wichtig war dabei die Auseinandersetzung mit der Legitimation des Erwachsenenschutzes, insbesondere inwiefern der Trend zur Selbstbestimmung Erwachsenenschutz überhaupt zu begründen vermag. Das alles und mehr findet sich in unserem gemeinsamen Buch, über das mich ausserordentlich freue.

Von: Daniel Rosch und Christoph Häfeli
Veröffentlicht: 9. April 2024

Buch: Berner Kommentar – Der Erwachsenenschutz: Die behördlichen Massnahmen

Das Buch behandelt die beiden ersten Abschnitte der behördlichen Massnahmen des Erwachsenenschutzrechts. Daniel Rosch kommentiert die allgemeinen Grundsätze und die allgemeinen Bestimmungen zu den Beistandschaften, das System der massgeschneiderten Massnahmen mit den einzelnen Beistandschaften sowie die Bestimmungen über das Amtsende eines Beistandes oder einer Beiständin.

Christoph Häfeli bearbeitet das Ende der Beistandschaft, die Bestimmungen über den Beistand oder die Beiständin und die besonderen Bestimmungen für Angehörige, die Führung der Beistandschaft sowie die Mitwirkung und das Einschreiten der Erwachsenenschutzbehörde.

Das Buch ist hier erhältlich: Stämpfli Verlag

CAS Abklärung und Anordnung im Kindes- und Erwachsenenschut

Das CAS bietet eine umfassende Qualifikation für Abklärerinnen und Abklärer sowie Behördenmitglieder. Das Programm legt seinen Schwerpunkt sowohl auf das materielle Recht als auch auf das Verfahrensrecht. Es verfolgt einen interdisziplinären Ansatz, der über rechtliche Rahmenbedingungen hinausgeht, indem auch relevantes methodisches Wissen aus den Bereichen Soziale Arbeit, Psychologie, Psychiatrie und Pädagogik vermittelt wird.

Programmstart: 16. September 2024

Mehr Informationen: Auf unserer Webseite


[1] Siehe dazu Christoph Häfeli, Ausbildung von Amts- und Privatvormunden – Organisation der Amtsvormundschaft, ZVW 1/1995, S. 4 ff.

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