Sozialmanagement und Sozialpolitik,
Der Fachkräftemangel macht auch vor der Sozialen Arbeit nicht Halt. Die Abschlussarbeit von Denise Bürkler im MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich zeigt auf, dass ältere Mitarbeitende durchaus länger arbeiten würden. Sie geht der Frage nach, aus welchem Grund dieses Potenzial dennoch nicht genutzt wird.
In den nächsten zehn Jahren erreichen mehr als eine Million gut ausgebildete «Babyboomer» das Pensionsalter. Die seit Jahren tiefe Geburtenrate verschärft das Problem: Mehr ältere Personen verlassen den Arbeitsmarkt als junge Menschen nachrücken. Von dieser Entwicklung ist der Sozial- und Gesundheitsbereich ganz besonders betroffen. Dort herrscht bereits jetzt ein akuter Fachkräftemangel. Sozial- und Gesundheitsorganisationen müssen deshalb um ein immer kleiner werdendes Angebot von Fachkräften buhlen. Doch nicht genug der düsteren Prognosen: Durch den deutlichen Zuwachs von Pensionierten wird der Bedarf nach Gesundheits- und Sozialleistungen weiter steigen. Was wiederum mehr Personal notwendig macht.
Lösungsansätze wie die Erhöhung des Rentenalters stehen der Tatsache gegenüber, dass viele Fachpersonen bereits deutlich vor der Pensionierung freiwillig aus dem Arbeitsmarkt austreten. Mehr als 25 Prozent der über 50-Jährigen treten zwei Jahre und 35 Prozent ein Jahr vor dem Rentenalter in den Ruhestand.[1] Die Statistiken bestätigen, dass Unternehmen bei Neuanstellungen jüngere Personen bevorzugen. Ältere sind zwar im Vergleich zu Jüngeren weniger vor einem Stellenverlust betroffen. Aber einmal in der Arbeitslosigkeit haben sie es schwerer, wieder Arbeit zu finden. Die Gründe sind schnell gefunden: zu teuer, zu unflexibel, weniger lernbereit und ein Bildungsstand von anno dazumal. Doch sind diese Vorbehalte gegenüber älteren Fachkräften gerechtfertigt?
Ältere Mitarbeitende sollen im Vergleich zur jüngeren Belegschaft über eine geringere Leistungsfähigkeit, eine tiefere Lernbereitschaft oder eine verminderte Anpassungsfähigkeit verfügen. Diverse Studien widerlegen einen direkten Zusammenhang zwischen Leistungsfähigkeit von Mitarbeitenden und Alter. Zwar wird die Erfahrung älterer Mitarbeitenden oftmals gelobt und alterslimitierende Jobanzeigen sind inzwischen verschwunden. Trotzdem nehmen in der Schweiz rund 60 Prozent der Mitarbeitenden negative Vorurteile gegenüber älteren Beschäftigten wahr.[2]
Die empirische Abschlussarbeit von Denise Bürkler zeigt, dass sich über 60 Prozent der Befragten über 50 in der Lage sähen, ihre Arbeit auch nach der Pensionierung kompetent weiterzuführen. Weshalb wird dieses riesige Potenzial nicht genutzt?
Eine negative Alterskultur verhindert, dass vorhandene Fähigkeiten von älteren Mitarbeitenden sowohl von ihnen selbst als auch von den Führungspersonen erkannt werden. Solche Vorurteile im Arbeitsumfeld wirken demotivierend: zu alt für einen Jobwechsel – zu jung für eine Frühpension. Motivation spielt eine wesentliche Rolle bei der Bereitschaft bis zum und über das Pensionsalter hinaus erwerbstätig zu bleiben. Eine negative Alterskultur in Unternehmen und Organisationen führt zu Fehleinschätzungen und ist dadurch höchst unwirtschaftlich. Solche Muster zu durchbrechen und eine alterssensitive Unternehmenskultur zu entwickeln, ist eine zunehmend bedeutsame Managementaufgabe.
Die Krux dabei ist, dass negative Einstellungen und Vorurteile über das Alter meistens unbewusst in der täglichen Zusammenarbeit und Kommunikation auftreten. Meinungen und Vorstellungen über ältere Menschen beeinflussen sowohl das Verhalten wie auch die Entscheidungen.
Denise Bürklers empirische Untersuchung zeigt eindrücklich die Bedeutung einer alterssensitiven Unternehmenskultur. Nur wenn die Führungskräfte gerade in der Sozialwirtschaft in der Lage sind, dieses Potenzial zu würdigen und zu fördern, kann es zum Tragen kommen.
Im Rahmen der empirischen Studie wurden folgende Erfolgsfaktoren zur Überwindung von Altersstereotypen identifiziert:
Die Sensibilisierung des Managements für diese Themen ist ein wichtiger Entwicklungsprozess. Impulse in diese Richtung sollten bereits in der Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte erfolgen. Es reicht nicht, ältere Arbeitnehmende mit Einzelmassnahmen und -entscheidungen zu fördern. Unternehmungen der Sozial- und Gesundheitswirtschaft müssen sich entsprechende Werte über eine Organisationsentwicklung erarbeiten, damit diese kulturell tragfähig und nachhaltig werden.
Von Marc Zimmermann und Denise Bürkler
Veröffentlicht: 9. November 2022
Marc Zimmermann ist als Dozent und Projektleiter der Hochschule Luzern – Soziale Arbeit in der Ausbildung, Weiterbildung und Forschung tätig. Er leitet unter anderem das MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich.
Denise Bürkler ist mit ihrem Unternehmen dB Dynamica als selbständige Beraterin für Fragen zu Alter, Arbeit, Gesundheit und Soziales tätig. Sie hat das MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich erfolgreich absolviert.
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Quellen
[1] Bundesamt für Statistik (BFS), Sektion Arbeit und Erwerbsleben (2018 – 2020). T 03.02.01.07.03.02 .
[2] Schweizer HR-Barometer 2020 der Universitäten Luzern und Zürich und der ETH Zürich .
Bürkler, Denise (2022): Alterssensitive Führung, Altersstereotypen in Unternehmen erkennen und vermeiden. Master-Arbeit aus dem MAS Management im Sozial- und Gesundheitsbereich, Hochschule Luzern – Soziale Arbeit
Kommentare
3 Kommentare
Patrick Ludwig
Ich kann dazu eigentlich nur sagen, dass ich der heutigen Arbeitswelt freiwillig keine fünf Minuten länger als nötig verbringen würde. Ewige Erwerbsarbeit ist die Strafe, welche "Gott" den ersten Menschen - Adam und Eva - für ihren Wissensdurst auferlegt hat. Als Rollenvorbild für alle zukünftigen Chefs!
Ich
Halleluja
Georgios Kosmidis
Wer Berufserfahrung hat, findet sehr leicht und sehr schnell einen Arbeitsplatz. Für einen Absolventen oder Ersteinsteiger ist solcher Einstieg sehr schwierig, vielleicht sogar unmöglich. Die Senioren sind eine ausgezeichnete Alternative, um den Fachkräftemangel wegen ungenügender Bewerbungsanzahl von Junioren in den Griff zu bekommen.
Danke für Ihren Kommentar, wir prüfen dies gerne.