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Wohnkosten in der Sozialhilfe: Eine Herausforderung in der aktuellen Wohnungsknappheit

Wohnkosten in der Sozialhilfe: Eine Herausforderung in der aktuellen Wohnungsknappheit

Wohnen ist nicht nur ein Grundbedürfnis, sondern essenziell für das menschliche Wohlbefinden. Entsprechend gehören Wohnkosten in der Schweiz zur materiellen Grundsicherung in der Sozialhilfe. In der Sozialhilfepraxis führen Wohnkosten jedoch zu zahlreichen komplexen Fragen. Barbara Schenker und Nadja Burri thematisierten an der Luzerner Sozialhilferechtstagung aktuelle Herausforderungen und gaben Tipps für Sozialdienste.

Angemessener Wohnraum: Was ist das?

Ein zentrales Thema im Sozialhilferecht ist die Frage nach «angemessenem» Wohnraum. Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) empfiehlt Kantonen und Gemeinden in ihren Richtlinien, die anrechenbaren Wohnkosten an ortsübliche Mietpreise anzupassen und präzisiert wie diese zu bemessen sind, z. B. für Eltern mit Besuchsrechten, Wohngemeinschaften oder junge Erwachsene.

Verbindlich sind die Richtlinien jedoch erst, wenn Kantone und Gemeinden sie in ihren Rechtsgrundlagen verankert haben. Entsprechend sind die Unterschiede zwischen Kantonen und Gemeinden auf reglementarischer Ebene gross und wie die Studie HarmSoz oder die Investigativrecherche «Wohnen am Limit» aufzeigen auch in der konkreten Umsetzung in der Praxis. Problematisch ist unter anderem, dass gewisse Gemeinden trotz steigender Mieten, die Mietzinslimiten für Sozialhilfebeziehende seit Jahren nicht angepasst haben und es darum für viele Sozialhilfebeziehende unmöglich wird, eine Wohnung innerhalb der Mietzinslimiten zu finden.

Luzerner Tagung zum Sozialhilferecht – Wohnen und Wohnkosten

Die Tagung am 31. Oktober 2024 bot aktuelles Wissen zum Thema Wohnen. Sie richtete sich besonders an Fachkräfte in Sozialdiensten und gab praktische Tipps für den Arbeitsalltag.

Alle Tagungsunterlagen: Webseite Tagung Sozialhilferecht

Save the Date: Die nächsten Durchführungen sind am 10. April 2025 und 30. Oktober 2025

Wie sollen Mietzinslimiten zustandekommen?

Um Mietzinslimiten festzulegen, müssen die Gemeinden den Immobilienmarkt kennen, erläutert Barbara Schenker, Juristin im Rechtsdienst der Sozialen Dienste der Stadt Luzern. Sie sollten die Limiten jeweils regelmässig anhand von aktuellen Daten zum lokalen Wohnungsangebot prüfen, die sie beispielsweise von Immobilienunternehmen beziehen.

Die Obergrenzen sollten nach fachlich fundierten Methoden für unterschiedliche Haushaltsgrössen berechnet werden und dürfen nicht dazu dienen, wirtschaftlich schwächere Personen aus der Gemeinde zu drängen. Empfohlen wird, die Obergrenzen als Nettomiete festzulegen, also ohne Nebenkosten. Das erlaubt es, flexibel auf Schwankungen bei den Nebenkosten zu reagieren. Nicht zuletzt wird das regional koordinierte Vorgehen empfohlen.

Barbara Schenker zu rechtliche Fragen rund um das Wohnen
Barbara Schenker zu rechtliche Fragen rund um das Wohnen
Vortrag zu rechtliche Fragen rund um das Wohnen
Vortrag zu rechtliche Fragen rund um das Wohnen
Nadja Burri zu Best Practices im Mietrecht
Nadja Burri zu Best Practices im Mietrecht
Vortrag Best Practice im Mietrecht von Nadja Burri
Vortrag Best Practice im Mietrecht von Nadja Burri
Barbara Schenker zu rechtliche Fragen rund um das Wohnen
Barbara Schenker zu rechtliche Fragen rund um das Wohnen
Vortrag zu rechtliche Fragen rund um das Wohnen
Vortrag zu rechtliche Fragen rund um das Wohnen
Nadja Burri zu Best Practices im Mietrecht
Nadja Burri zu Best Practices im Mietrecht
Vortrag Best Practice im Mietrecht von Nadja Burri
Vortrag Best Practice im Mietrecht von Nadja Burri

Was passiert, wenn die Miete über den Richtlinien liegt?

Steigende Mietkosten treffen die finanziell Schwächsten am stärksten. Die Suche nach einer neuen bezahlbaren Wohnung und ein Umzug sind nicht nur aufwändig und mit zusätzlichen Kosten verbunden. Eine ausschliessliche Orientierung an günstigen Wohnungen könnte Sozialhilfebeziehende zu einem Ortswechsel zwingen und den Verlust eines unterstützenden Umfelds zur Folge haben. Diese sowie andere Kriterien wie Alter, Gesundheit oder die Zusammensetzung der Familie gilt es aus sozialhilferechtlicher Perspektive zu prüfen. In solchen Fällen kann es gerechtfertigt sein, dass die Sozialhilfe eine überhöhte – über den Richtlinien liegende – Miete übernimmt.

Schenker betont, wie wichtig die Berücksichtigung individueller Umstände ist, damit verhältnismässige Entscheide getroffen werden. Wenn eine Person in einer «zu teuren» Wohnung lebt und der Sozialdienst zum Schluss kommt, ein Wohnungswechsel wäre zumutbar, kann Betroffenen bspw. auferlegt werden Suchbemühungen nach einer günstigeren Wohnung nachzuweisen. Dabei ist es sinnvoll, die individuellen Vorgaben genau zu dokumentieren und deren Einhaltung zu prüfen, bevor ein rechtskräftiger Entscheid über die Wohnkosten getroffen wird. So lassen sich teure Einsprachen vermeiden. Falls die Gemeinde die Mietzinsrichtlinien in absehbarer Zeit anpasst, kann es zudem sinnvoll sein, die überhöhte Miete für eine begrenzte Zeit zu übernehmen, da die Kosten möglicherweise dann wieder unter der neuen Obergrenze liegen.

Wie kann die Sozialhilfe die Sozialhilfebeziehenden unterstützen?

Im Rahmen der persönlichen Sozialhilfe können Betroffene mit Tipps zur Wohnungssuche oder Hinweisen auf Inserate unterstützt werden. Mietrechtliches Know-how der Fachpersonen in der Sozialhilfe kann die Situation von Sozialhilfebeziehenden markant verbessern.

Nadja Burri, Co-Geschäftsleiterin des Mieterverbands Luzern, NW, OW, UR berichtete von missbräuchlichen Mietzinsen und Mietzinserhöhungen oder Kündigungen. So beobachtet sie, dass Mieten bei neuen Mietenden systematisch angehoben werden. Hilfreich ist deshalb die Verpflichtung einiger Kantone zur Offenlegung der Vormieten. Demzufolge müssen Mietzinserhöhung begründet werden. Fehlt eine klare Begründung, ist der Mietvertrag teilnichtig und der Mietzins kann mit einem Schlichtungsgesuch auch Jahre später angefochten werden.

Gegen hohe Nachzahlung der Nebenkosten lässt sich leider in den meisten Fällen nichts unternehmen – selbst wenn Zweifel bestehen, dass der Vermieter diese vorsätzlich zu niedrig ausgewiesen hat. Vorbeugend sollte man sich schriftlich zusichern lassen, dass der Akontobetrag deckenden ist; dann hat man allenfalls bessere Karten. Ausserdem müssen alle Nebenkostenpositionen im Mietvertrag einzeln und explizit aufgeführt sein, damit die Weiterverrechnung der jeweiligen Kosten erlaubt ist.

Bei Kündigung empfiehlt Burri diese vorsichtshalber vor der Schlichtungsbehörde anzufechten. Ein Schlichtungsgesuch kann auch mündlich am Schalter eingereicht werden. Weitere sozial- und mietrechtliche Kniffs sind den Tagungsunterlagen zu entnehmen.

Blick in die Zukunft

Bezahlbarer und ausreichender Wohnraum bleibt eine Herausforderung. Dennoch besteht nach aktueller Rechtslage Verbesserungspotential und Ermessensspielraum in der sozialhilferechtlichen Praxis, den es im Sinne der Sozialhilfebeziehenden auszuschöpfen gilt.

Von: Tanja Mitrovic
Bilder: Riccarda Achermann
Veröffentlicht: 18. November 2024

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