Roboter ersetzt Herbizid
Die Hochschule Luzern entwickelt einen Roboter, der bei Gleisen selbstständig Unkraut mäht. Die Hürden sind hoch.
Unkraut ist nicht nur in der Landwirtschaft und in Privatgärten unerwünscht, sondern auch bei Bahnunternehmen. Damit die Anlagen nicht überwuchern, müssen entlang der Gleise regelmässig Gräser und Büsche geschnitten und Unkraut mit Pestiziden bekämpft werden. Das ist aufwendig und teuer, das Schweizer Schienennetz ist über 5000 Kilometer lang. Oft kommt Glyphosat zum Einsatz, ein umstrittenes Herbizid. Die SBB sind deshalb auf der Suche nach Alternativen.
Eine davon wird an der Hochschule Luzern entwickelt, genauer am Departement für Technik und Architektur in Horw. Das Ziel: Ein autonom fahrender Roboter soll dereinst die Vegetation entlang der Gleise unter Kontrolle halten. Die Anforderungen an ein solches Gefährt sind hoch. Es muss aus Sicherheitsgründen klein, wendig und möglichst leicht sein. Der Roboter muss zudem mit unwegsamem Terrain entlang von Gleisen zurechtkommen.
Handelsübliche Rasenmäher ungeeignet
Anhand solcher Vorgaben hat ein interdisziplinäres achtköpfiges Team aus den Bereichen Maschinenbau, Elektrotechnik und Informatik in Zusammenarbeit mit den SBB einen Prototyp entwickelt. Herausgekommen ist ein vierrädriges Gefährt, das etwa so gross ist wie ein kleiner Koffer. Vorne ist ein rund 50 Zentimeter langer Mähbalken montiert. Nebst diversen Sensoren und einem GPS ist ein sogenanntes Lidar eingebaut. Dieser Laserscanner hilft dem Roboter, sich in seiner Umgebung zurechtzufinden.
Im heiklen Umfeld der Gleise muss sich das Gefährt nämlich zentimetergenau fortbewegen können. «Das GPS allein reicht dafür nicht aus. Es ist zu unpräzise, die Verbindung ist nicht immer gewährleistet», sagt Projektleiter Christoph Eck. Das Forschungsteam geht nun der Idee nach, dass sich der Roboter an Fixpunkten in der Umgebung orientiert, konkret an den Fahrleitungsmasten.
Während in der Landwirtschaft, der Industrie und anderen Bereichen bereits autonom fahrende Roboter eingesetzt werden, gibt es im Bahnbereich noch keine marktfähigen Lösungen. Ein handelsüblicher autonom fahrender Rasenmäher als Basis für den Prototyp stellte sich als ungeeignet heraus. «Solche Modelle können im Gleisschotter nicht fahren», sagt Annina Blaas, wissenschaftliche Mitarbeiterin. Viele Teile des Prototyps hat die Hochschule selber entwickelt und gebaut.
Wichtiger Beitrag einer Bachelor-Arbeit
Ein Vorteil sei das breite Knowhow, das an der Hochschule vorhanden sei. «Wir können verschiedene Teilaspekte auslagern, etwa in Diplomarbeiten von Studierenden», sagt Christoph Eck. So habe Samuel Huser in einer Bachelorarbeit einen wichtigen Beitrag geleistet: Der 32-jährige Zentralschweizer studiert Digital Engineer und hat eine webbasierte Benutzeroberfläche entwickelt, um den Roboter zu steuern und zu überwachen. «Mithilfe dieser Schnittstelle kann man nun eine Verbindung zu einer übergeordneten Organisation herstellen. Zum Beispiel zu einer Leitstelle, von wo aus der Roboter überwacht und gesteuert wird», sagt Eck.
Bis Ende nächstes Jahr wird ein neuer Prototyp gebaut
Dem Betreiber wird so aus der Ferne angezeigt, wie lange der Akku noch hält oder wo sich der Roboter genau befindet. Huser: «Auf der Grundlage meiner Arbeit kann man nun weitere Funktionen entwickeln. Zum Beispiel, ob das Gerät einen Warnton aussenden soll.» Wann der HSLU-Roboter zur Marktreife gelangt, lässt Christoph Eck offen. Bis spätestens Ende nächsten Jahres soll ein neuer, optimierter Prototyp gebaut werden. Noch sind einige Fragen ungelöst. Unter anderem, was mit dem abgemähten Pflanzenmaterial passiert. Allenfalls braucht es dafür noch einen Roboter, der Gras und Äste einsammelt.
Das wirtschaftliche Potenzial für den Roboter der HSLU sei sicherlich vorhanden, sagt Christoph Eck. «In der Schweiz könnten dereinst Hunderte solcher Gefährte im Einsatz stehen. Auch für andere Länder ist das Projekt interessant.» Es ist übrigens nicht das einzige Robotik-Vorhaben, das die SBB verfolgen. Laut Eck gibt es auch im Bereich der Reinigung und der Arealüberwachung Forschungsprojekte.
Autor: Reto Bieri
Bild: Dominik Wunderli (Horw, 24. 8. 2023)
Ersterscheinung: Luzerner Zeitung vom 7. September 2023. Verwendung mit freundlicher Genehmigung.