8. April 2019

Allgemein

Konkursreiterei – Die «gewerbsmässige Firmenbestattung»

Konkursreiterei – Die «gewerbsmässige Firmenbestattung»

Von Gion Cuonz

Die Konkursreiterei verursacht einen hohen volkswirtschaftlichen Schaden. Schätzungen zur Folge liegt dieser gesamtschweizerisch jährlich im Milliardenbereich. Allein im Kanton Zürich dürften es pro Jahr rund 200 Millionen Schweizer Franken sein. Welche Präventionsmöglichkeiten gibt es dabei für die Gläubiger?

Am frühen Montagabend des 16. November 2015 klickten die Handschellen beim Aargauer Christian B. und liessen damit seinen Traum vom grossen Geschäftsmann jäh platzen. Er ist weder ein erfolgreicher Unternehmer, noch ein Startup-Pionier. Christian B. ist ein Bestatter. Nicht etwa wie in der gleichnamigen TV-Serie vom Schweizer Fernsehen mit Mike Müller in der Hauptrolle. Nein Christian B. bestattet Unternehmen. Dies tat er – zumindest eine Zeit lang – recht erfolgreich. Er «beerdigte» in seiner Bestatter-Karriere insgesamt 127 Unternehmen und war dabei Teil eines kriminellen Netzwerkes, welches sich in den letzten Jahren insbesondere in der Deutschschweiz ausgebreitet hat.

Die Konkursreiterei

Bei der Konkursreiterei, wie die «gewerbsmässige Firmenbestattung» auch genannt wird, geht es im Wesentlichen um die Beseitigung einer maroden und überschuldeten Gesellschaft. Dies geschieht in der Regel durch Konkurs oder durch die Vermeidung eines solchen. Daraus hat sich ein Geschäftsmodell entwickelt, welches die Beseitigung der Gesellschaft quasi als Dienstleistung anbietet. Das Vorgehen zielt darauf ab, den bisherigen Firmeninhaber (das Vororgan) möglichst schadlos zu halten, indem eine zeitliche, inhaltliche und räumliche Distanz zur Firmenliquidation geschaffen wird.

Für die Entsorgung der eigenen Firma nimmt das Vororgan Kontakt mit einem sogenannten Vermittler auf. Hierbei handelt es sich meist um einen Treuhänder, welcher die Firmenbestattung abwickelt. Der Vermittler organisiert die Übernahme der wirtschaftlich angeschlagenen Gesellschaft durch einen Bestatter, welcher die Unternehmung anschliessend in die Zwangsliquidation führt. Dabei kommt es oftmals zu missbräuchlichen Waren- und Dienstleistungsbestellungen, deren Rechnungen mit der Gesellschaft beseitigt werden. Auf diese Weise werden nebst öffentlich-rechtlichen Institutionen (z.B. Steuern und Versicherungsbeiträge) auch private Gläubiger geschädigt.

Masterarbeit

In meiner Masterarbeit im Rahmen des MAS Economic Crime Investigation zeige ich auf, wie sich ein Gläubiger vor den Auswirkungen der Konkursreiterei schützen kann. Die Arbeit wurde dafür in zwei Teilabschnitte aufgeteilt. Im ersten Teilabschnitt erfolgte eine detaillierte Auswertung von insgesamt 124 Gesellschaften, welche aus Konkursreiterei-Fällen bestehen. Dazu habe ich zahlreiche Datenpunkte anhand von frei zugänglichen Handelsregister-Informationen erfasst und ausgewertet. Im zweiten Teilabschnitt habe ich anhand von Daten aus der Betrugsfalldatenbank einer geschädigten Unternehmung eine Soziale Netzwerkanalyse durchgeführt und daraus Erkenntnisse abgeleitet.

Wie die Detailauswertung der 124 Gesellschaften zeigte, gibt es durchaus Gemeinsamkeiten und falltypische Merkmale, welche sich als «Red Flags» in der Prävention nutzen lassen. Dazu zählen einerseits die Handelsregister-Mutationen, wie Organ-, Sitz- und Firmennamenwechsel. Andererseits die Hinweise aus den Meldungen des Schweizerischen Handelsamtsblattes zur Anwendung der folgenden Gesetzesartikel, die zu Gesellschaftsauflösung ohne Konkurseröffnungen führen können: Art. 731b OR (Organisationsmängel), Art. 155 HRegV (keine Geschäftstätigkeit und keine Aktiven mehr) und der Art. 153b HRegV (gelöschtes Rechtsdomizil).

Aus der sozialen Netzwerkanalyse geht hervor, dass sich das Konkursreiterei-Netzwerk aus den Betrugsfalldaten klar erkennen und identifizieren lässt. Mit Kennzahlen, welche Rückschlüsse auf die Prominenz und Zentralität eines Akteurs im Netzwerk zulassen, können die Schlüsselpersonen und -adressen der Konkursreiterei-Fälle extrahiert werden. Diese lassen sich anschliessend für präventive Massnahmen nutzen.

Abbildung 1: Durch die gemeinsame Nutzung von Ressourcen (z.B. Personen und Adressen) entsteht ein zusammenhängendes Netzwerk.
Abbildung 2: Das Soziogramm zeigt den gesamten Konkursreiterei-Cluster aus der Sozialen Netzwerkanalyse und bildet die organsierte Form der Konkursreiterei ab.

Aufgrund der Datenanalysen und der daraus gewonnenen Erkenntnisse ergeben sich folgende Empfehlungen, welche für präventive Massnahmen zur Verlustverminderung als Hilfestellung dienen. Als Grundvoraussetzung ist die systematische Falldatenerfassung zu erwähnen. Durch ein gutes Informationsmanagement kann die Aktualität und Verlässlichkeit der erhobenen Daten erhöht werden, damit diese als Basis für wirtschaftliche Entscheidungen dienen. Anhand der beiden Beispiele Bonitätsprüfung und Handelsregister-Monitoring zeige ich auf, wie sich die gewonnenen Informationen in die Prävention überführen lassen. Schulungs- und Sensibilisierungs-Massnahmen in Bezug auf die Konkursreiterei bei den involvierten Mitarbeitenden sind genauso wichtig, wie die Vernetzung unter Fachspezialisten. Durch letztere wird ein Wissens- und Erfahrungsaustausch gewährleistet, welcher zur Bekämpfung der Konkursreiterei einen wertvollen Beitrag liefert. Eine enge Zusammenarbeit zwischen der Strafverfolgung, öffentlich-rechtlichen Institutionen und privaten Unternehmen ist der Schlüssel zum Erfolg.

Weiterführende Informationen/Artikel

Vom Treuhänder zum Firmenbestatter, Beobachter, 31.01.2019
Im Kampf gegen die Konkurs-Mafia, Tages Anzeiger, 11.10.2018
Konkursmissbrauch: Schaden in Milliardenhöhe, SRF ECO, 22.01.
Firmenbestatter – Hunderte Millionen werden versenkt, Beobachter, 12.04.2016

Autor: Gion Cuonz

Gion Cuonz ist Ermittler bei der Swisscom (Schweiz) AG und verfügt über langjährige Erfahrung im Bereich der Betrugsbekämpfung. Er hat sich in den Bereichen Subscription Fraud und Ausweisfälschungen spezialisiert und ist vor allem bei der Ermittlung von bandenmässig organisierten Betrugsformen sowie der Bekämpfung von Betrugsphänomenen tätig. Er ist Absolvent des MAS Economic Crime Investigation und Mitglied der Schweizerischen Expertenvereinigung Bekämpfung Wirtschaftskriminalität SEBWK.

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