9. März 2020

Commercial Crime,

Financial Crime

Investmentbetrug mit gefälschten Internetseiten – Wenn die Investition in Bitcoins zum Totalverlust führt

Investmentbetrug mit gefälschten Internetseiten – Wenn die Investition in Bitcoins zum Totalverlust führt

Von Patrick Steiner

Die heutige Zeit ist von Negativzinsen und Kryptowährungen geprägt. Gross ist damit die Verlockung, einfach gutes Geld zu verdienen. Dabei ist aber Vorsicht geboten.

Die Kryptowährung Bitcoin sorgte in letzter Zeit für Schlagzeilen: «Bitcoin klettert aus dem Stand um 23 Prozent in die Höhe», «Bitcoin mit stärkstem Rally seit eineinhalb Jahren». Es ist klar, dass bei solchen Schlagzeilen alle gerne ein Stück des Kuchens hätten. Doch wo das schnelle Geld lockt, tummeln sich auch Betrüger, die die Leichtgläubigkeit der Opfer ausnutzen wollen.

Starten wir mit einer fiktiven Geschichte

Hans Baumgartner sitzt am PC und surft auf Facebook, als ihm eine Werbung ins Auge sticht. Das Gesicht von DJ Bobo mit dem Text: «Dieses finanzielle Schlupfloch existiert seit Jahren, doch nur wenige wissen davon. Jetzt sollen es alle erfahren!» Der Text ist fett geschrieben, teilweise rot markiert und unterstrichen. Er springt Hans direkt ins Auge. Seine Neugier ist gepackt und der Link wird angeklickt.

Hans landet auf einer Internetseite mit dem Titel «Schweizer Musiklegende entgeht knapp seiner Insolvenz und macht jetzt ein Vermögen». Das Gesicht von DJ Bobo lächelt ihm entgegen. Daneben steht: «Jeder sollte von dieser Möglichkeit erfahren – DJ BoBo». Auf der Seite erzählt DJ Bobo, wie er dank einem Investment in Bitcoin den Schulden entkam und ein Vermögen machte. Das Ganze wird untermauert durch ein Interview zwischen ihm und Roger Schawinski. Die Seite macht für Hans einen vertrauenswürdigen Eindruck. Er eröffnet ein Account und überweist einen Betrag von 250 Schweizer Franken. Von nun an kann Hans zuschauen, wie sich das Geld vermehrt. Er lässt sich 200 Schweizer Franken des Gewinns auszahlen und wartet gespannt, was passiert. Problemlos erhält er die 200 Schweizer Franken vom zwischenzeitlich erwirtschafteten Gewinn von 500 Schweizer Franken. Hans ist glücklich.

Nun wird Hans von Herrn Smith kontaktiert, dem Anlageberater der Trading Plattform. Er ermuntert Hans, weiteres Geld zu überweisen und gewinnbringend zu investieren. Am Anfang 10’000 Schweizer Franken, dann 50’000 Schweizer Franken und dann immer mehr. Inzwischen hat Hans 250’000 Schweizer Franken investiert. Auch Familienangehörige und Kollegen haben vom Erfolg gehört und Hans Geld geliehen. Die Plattform zeigt ein Vermögen von über 1,25 Millionen Schweizer Franken. Nun wird es Zeit, sich den Gewinn auszahlen zu lassen. Doch es gibt ein Problem: «Technische Störung». Hans versucht es erneut am nächsten Tag. Doch leider funktioniert es wieder nicht. Er wird nervös. Doch dann meldet sich Herr Smith am Telefon. Er entschuldigt sich für die Störung. Es gäbe aktuell bei der Überweisung ein Problem und Hans müsse sich gedulden. Hans wartet einige Tage, doch passiert ist nichts. Nach ein paar Tagen funktioniert der Zugriff auf das Konto nicht mehr. Er ruft Herrn Smith an. Auf der anderen Seite meldet sich eine Frau White. Sie teilt Hans mit, dass Herr Smith zurzeit nicht erreichbar sei. Er hätte einen schweren Autounfall gehabt. Betreffend Konto und Geld könne sie ihm leider nicht weiterhelfen. Hans glaubt die Geschichte. Herr  Smith war schliesslich immer zuverlässig, kompetent und höflich. Er wartet ein paar Tage und versucht nochmals, sich auf der Plattform anzumelden. Nun ist diese nicht mehr auffindbar. Hans ruft nochmals Herrn Smith an, doch nun ist auch diese Leitung «tot». Die Trading Plattform, Herr Smith, Frau White und das ganze Geld sind weg. Was ist passiert?

Betrugsmasche mit Bitcoins

Hans wurde Opfer einer Betrugsmasche. Mit gefälschten Internetseiten und Interviews werden die Opfer verleitet, ihr Geld in Bitcoins zu investieren. Sobald die Betrüger damit genügend Geld erwirtschaftet haben, sind sie wieder verschwunden. Beinahe täglich fallen Personen auf diese Masche herein und verlieren teilweise ihr ganzes Vermögen. Der Schaden in der Region Deutschland, Österreich und Schweiz wird inzwischen auf einen hohen zweistelligen Millionenbetrag geschätzt. Täglich kommen neue Fälle hinzu. Doch die Dunkelziffer dürfte noch viel höher sein. Viele Opfer sprechen aus Scham nicht über das ihnen Geschehene und verzichten daher auch auf eine Strafanzeige.

Welche Phasen durchleben die Opfer bei einem solchen Investmentbetrug?

Phase 1: Anködern

Durch Suchergebnisse im Internet, Spam-E-Mails, Anzeigen für lukrative Geldanlagen, namhafte Online-Magazine, Zeitschriften und Anzeigeneinblendungen auf Social Media Plattformen landen die Betrugsopfer auf besonders vorbereitete Webseiten. Dort können sie sich registrieren. Dabei haben es die Täter vor allem auf die Telefonnummern abgesehen.

Phase 2: Der erste Kontakt

Das Opfer erhält in der Folge einen Anruf eines Maklers, der meist mit ausländischer Telefonnummer anruft. Die Vorwahl stammt aus Grossbritannien, Österreich oder aus der Schweiz. Am Telefon wird eine kleine Anlagesumme von 250 Schweizer Franken oder Euro ausgehandelt. Es werden Investitionen in Kryptowährung empfohlen. Nach der Überweisung erhält der Kunde Zugang zum Online Banking der betrügerischen Webseite, auf der er seine eingezahlten Geldanlagen sieht. Mit jeder Anmeldung steigen die Erträge. Dem Opfer stellt sich die eigene Anlageentscheidung als richtig dar. Das Geld ist aber längst verloren.

Phase 3: Vertrauensbildung

Das Betrugsopfer wird nun regelmässig vom vermeintlichen Makler kontaktiert. Dieser beherrscht die Techniken des Social Engineering. Er spiegelt sein Interesse vor, bestätigt die Wut des Opfers auf die Banken, schürt die Erwartungen an lukrative Gewinne und entlockt diesem beispielsweise Informationen zur Gesamtliquidität. Weiter gibt er Tipps für beschwichtigende Erklärungen an Familienangehörige oder die Hausbank, damit ungestört weiter investiert werden kann. Gleichzeitig wird der Druck gesteigert, indem Angebote gemacht werden, die vermeintlich nur befristet verfügbar sind. Die Zahlungen gehen an Händler von Kryptowährungen, die die dortigen Konten oft bereits im Namen des Opfers eröffnet haben. Die Legitimation/Identifizierung kommt dabei vom Opfer selbst, weil der Täter diese in einer Weiterleitung von ihm verlangt hat. Das zugehörige Bitcoin-Wallet liegt aber nicht im Einflussbereich des Opfers. Es gehört physisch dem Täter. Eine Rückabwicklung ist unmöglich.

Phase 4: Nachschuss-Phase

Wenn das Opfer sein eingesetztes Kapital zurück will, realisiert es, dass es einem Betrug aufgesessen ist. Es treten die Phasen der „Trauer“ ein:

  • Nicht-Wahrhaben-Wollen: Der Täter erklärt dem Opfer, dass es dem Charakter der Anlage entspreche, dass er noch mehr überweisen müsse, um das Geld zurückzuerhalten. Da das Opfer ansonsten mehr an das Geld kommt, sitzt es am kürzeren Hebel.
  • Zorn/Ärger: Das Opfer wird mit einem Vorgesetzten verbunden oder von diesem angerufen. Dies geht bis zum Chef der Anlagefirma. Dieser beruhigt den Kunden und stellt ihm eine bessere Zukunft in Aussicht, wenn er Anlagebeträge nachschiesst.
  • Verhandeln: Kommen die Täter mit den soeben genannten Schritten nicht zum Erfolg, wird nachträglich eine Versicherung angeboten, die das Opfer bereits zu Beginn der Anlage hätte abschliessen können. Um seine Verluste abzusichern, würde man diese rückwirkend ermöglichen. Auch dieses Geld ist verloren.
  • Depression/Trauer: Das Opfer ist hilflos und sieht sich in einer Abhängigkeit gefangen. Der Täter ist sich dieser Gewinner-Dominanz und Distanz bewusst. Weitere Anrufe sowie die Hilflosigkeit des Opfers lässt bei diesem die surreale Wahrnehmung entstehen, an der Situation noch etwas ändern zu können. Und plötzlich kann vom Täter doch noch Geld zurücküberwiesen werden – sofern das Opfer die Bank-, Rechts- oder Notarkosten vorab bezahlt.
  • Akzeptanz: Hat das Opfer akzeptiert, dass es betrogen wurde, beginnt die Trauerkurve erneut. Sie richtet sich nun aber gegen das gesamte persönliche Umfeld, welches aus der Perspektive des Opfers hätte helfen, warnen oder beschützen müssen.

Phase 5: Verlust-Realisierung

Mit seinem Verlust geht der Kunde zur Bank und zur Polizei. Anwälte werden kontaktiert. Das Problem ist international. Die vermeintlichen Anlagekonten können sich in der Schweiz, Deutschland oder Österreich befinden. Die Geldeingänge werden in diesem Fall in andere Länder weitergeleitet.

Merkmale von Investmentbetrug mit Bitcoins

Welche Hinweise hätten geholfen rechtzeitig zu erkennen, dass es sich hier möglicherweise um Betrug handelt? Auf der Internetseite, welche den Kunden anwirbt, gibt es zahlreiche Hinweise.

(Screenshot einer solchen gefälschten Webseite)

Die Internetseiten gleichen im Aufbau, dem Layout und der Farbwahl einer bekannten Newsseite. Es gibt Rubriken, Werbungen und Kommentare. Die Seite befindet sich aber nicht auf einer bekannten Newsseite, sondern unter einer unbekannten URL. Ähnlich einer Phishingseite. Auch besteht der ganze Internetauftritt aus lediglich einer Seite. Weitere Seiten, wie zum Beispiel mit News, Details zur Plattform oder dem Impressum fehlen. Bitcoin-Handelsplattformen hingegen verwenden aussagekräftige URL. Ebenfalls lassen sich auf seriösen Handelsplattformen weitere Informationen zu Kryptowährung finden.

Die Seite wirbt mit fiktiven Interviews mit Prominenten. Sie ist technisch so konzipiert, dass abhängig vom Land des Opfers eine prominente Persönlichkeit angezeigt wird. Das eingangs erwähnte Fernsehinterview zwischen Roger Schawinski und DJ Bobo fand zwar statt, jedoch wurde in dieser Sendung nie über Bitcoinanlagen gesprochen. Die Facebook-Kommentare auf dem letzten Teil der Seite sind schlecht gemachte Kopien. Klickt man diese an, landet man nicht bei Facebook und den dahinter stehenden Personen.

Die Lehren daraus

Eine Investition in Bitcoin ist hochriskant. Bei hohen Renditen und komplexen Themen wie Kryptowährungen sind die Betrüger nicht weit. Will man dennoch in Bitcoin investieren, muss man sich vorgängig umfassend informieren und darauf achten, dies über eine seriöse Plattform zu tun. Zu diesem Zweck gibt es viele Anleitungen und Rezensionen zu Plattformen im Internet.

Autor: Patrick Steiner

Patrick Steiner, Absolvent und Dozent des MAS Economic Crime Investigation, arbeitet für die Credit Suisse im Bereich eFraud Research & Investigation.

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