28. November 2022
Von Katja Böttcher und Laura Rufer
Die Herausgabe von Daten an Behörden fremder Staaten wird in der Schweiz strafrechtlich verfolgt. Trotz Kooperationsbereitschaft sind Unternehmen in internationalen Strafverfahren häufig die Hände gebunden.
Das als «Swiss Blocking Statute» bezeichnete Verbot, auf schweizerischem Territorium ohne Bewilligung Handlungen für einen fremden Staat vorzunehmen, stammt aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg, als in der Schweiz noch Mitarbeitende von ausländischen Geheimdiensten, sogenannte «Schlapphüte», für fremde Staaten ermittelten. Die «Swiss Blocking Statute» diente dazu, die Schweiz vor Spionage durch fremde Staaten zu schützen. Bei Verstoss droht eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren; in schweren Fällen darf die Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ausfallen. Diese Regelung ist seit ihrer Einführung weitestgehend unverändert geblieben. Geändert hat sich jedoch die Täterschaft. Während die Regelung einst auf fremde Militär- und Polizeikräfte abzielte, sind jüngst die Mitarbeitenden von Banken und Vermögensverwaltungen, sowie Rechtsanwaltskanzleien in das Visier der Strafverfolgungsbehörden geraten. Die aktuellen Fälle behandeln meist nicht mehr Spionage im engeren Sinne, sondern Datenerhebungen und -übermittlungen durch Unternehmen und ihre Mitarbeitenden im Rahmen einer Kooperationsbereitschaft mit ausländischen Behörden mit dem Ziel, langwierige Straf- und Zivilverfahren zu vermeiden.
Kooperation mit ausländischen Behörden
Die vorgenannte Entwicklung ist auch im Kontext des Steuerstreites mit den USA zu sehen. Also einer Zeit, als die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (FINMA) unter Anrufung von Notrecht und Aushebelung des Amtshilfewegs Daten von Kunden und Bankmitarbeitenden im grossen Stil an die USA übermittelt hat, bevor das US-Bankenprogramm die Rechtsstaatlichkeit wieder herstellte. Schweizer Unternehmen und deren Mitarbeitende sahen sich dazumal amerikanischen Verfahren ausgesetzt, in welchen sie wählen konnten, ob sie mit den amerikanischen Behörden unter Verletzung von Schweizer Recht kooperieren oder eine hohe amerikanische Strafe bezahlen wollten. Der Bedarf – nicht nur im Rahmen des US-Steuerstreits – mit ausländischen Behörden kooperieren zu können, ist exponentiell gestiegen. Langwierige Verfahren sollen vermieden werden. Meist winken zudem bei einer Kooperation Straffreiheit oder zumindest eine geringere Strafe. Im Sinne einer sorgfältigen und verantwortungsvollen Geschäftsausübung ist daher eine Kooperation sogar oft geboten. Die errichtete Mauer – die «Swiss Blocking Statute» – ist zunehmend zu einer Hypothek geworden und entspricht nicht mehr dem heutigen Zeitgeist, rasche und einvernehmliche Lösungen, auch mit ausländischen Behörden, zu treffen. So wurde beispielsweise der Verwaltungsrat eines Vermögensverwalters zu einer hohen Geldstrafe verurteilt, weil er dem US-Justizdepartement einen USB-Stick mit Kundendaten von mutmasslich steuerhinterziehenden US-Personen übergeben hatte, um das Unternehmen und sich selber vor einer Strafverfolgung in den USA zu schützen.
Interne Untersuchungen (meist) zulässig
Hinsichtlich der Frage, was als strafbare Handlung gilt, hat der vorerwähnte Entscheid zumindest Teilfragen geklärt. So hat das Bundesstrafgericht unter anderem festgehalten, dass das Zusammentragen von Daten für eine interne Untersuchung nicht als strafbare Handlung zu werten ist, sofern die Untersuchung nicht allein dem Zweck dient, diese dem ausländischen Staat zur Verfügung zu stellen. Auch die Verwendung von im Internet frei abrufbaren Informationen von Schweizer Servern ist erlaubt. Sobald die im Rahmen der internen Untersuchung erhobenen Daten jedoch an ausländische Behörden übermittelt werden, kann das Verhalten als strafbar angesehen werden.
Daten- und Geheimnisschutz trotz Bewilligung
Aktuell steht einem Unternehmen oder Individuum die Möglichkeit offen, eine Bewilligung beim Bundesrat oder den zuständigen Departementen und Ämtern, also beim Eidgenössischen Finanzdepartement (EFD) oder beim Bundesamt für Justiz (BJ), einzuholen, um zumindest eigene Daten straffrei mit ausländischen Behörden zu teilen. Trotz Bewilligung sind die Unternehmen nicht frei, Daten von Dritten, wie beispielsweise von Kunden und Mitarbeitenden, einem ausländischen Staat zu übergeben. So haben sie die Bestimmung über die grenzüberschreitende Bekanntgabe von Daten sowie den Geheimnisschutz zu beachten. Das verschärfte schweizerische Datenschutzgesetz, das am 1. September 2023 in Kraft tritt, nimmt Unternehmen stärker in die Pflicht, sorgfältig mit Daten von Kunden und Mitarbeitenden umzugehen. Neu können die verantwortlichen Personen mit einer Busse von bis zu 250’000 Franken bestraft werden. Ist diese höchstens 50’000 Franken, kann sie auch dem fehlbaren Unternehmen überbunden werden. Für Banken und Bankangestellte gilt es weiterhin das Bankkundengeheimnis zu wahren – auch wenn dieses mit dem automatischen Informationsaustausch in Steuersachen (AIA) weitgehendst ausgehebelt wurde. Bei gewissen Berufen ist zudem das Berufsgeheimnis zu beachten. Es ist somit unzulässig, Daten an ausländische Behörden zu übermitteln, welche rechtlich geschützte Informationen über Drittpersonen oder besonders geschützte Geheimnisse enthalten.
Rückkehr zum Ursprungsgedanken?
Anpassungsbedarf besteht insbesondere im Bereich der Übertragung von eigenen Daten ins Ausland. Ein Lösungsansatz wäre, wieder auf den Ursprungsgedanken zurückzukommen und nur diejenigen zu bestrafen, die von einer ausländischen Behörde mit der Informationsbeschaffung beauftragt wurden. Zudem sollte das strafbare Verhalten enger gefasst und konkreter umschrieben werden, um die bestehende Rechtsunsicherheit zu beseitigen. Der ursprünglichen Absicht, Spionage zu verhindern, könnte damit Rechnung getragen werden.
«Swiss Blocking Statute» – Quo Vadis?
In einem globalen Umfeld mit häufig internationalen Sachverhalten erschwert ein fast 90 Jahre alter Gesetzesartikel die Kooperation mit den ausländischen Behörden und verunmöglicht damit den Unternehmen, die heute notwendige Transparenz zu schaffen. Die bestehenden Konfliktsituationen zwischen den Rechtssystemen können nur bedingt ausgeräumt werden. Eine Revision der «Swiss Blocking Statute» ist deshalb dringend angezeigt, um die bereits löcherige Mauer zumindest mit klar umrissenen Toren zu versehen und die aktuell bestehende, grosse Rechtsunsicherheit teilweise zu beseitigen.
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