17. August 2020

Financial Crime,

Forensics & Investigation

Wirtschaftskriminalität – Finanz- und Rechnungswesen im Fokus

Wirtschaftskriminalität – Finanz- und Rechnungswesen im Fokus

Von Susanne Grau

Tragische Momente spielen sich nicht nur auf der Bühne ab, wie der Fall des Wiener Burgtheaters zeigt. Ein über sechsjähriger Gerichtsprozess endete im Januar 2020 mit der Verurteilung der ehemaligen Geschäftsführerin wegen Untreue und Veruntreuung. Vom Vorwurf der Bilanzfälschung wurde sie mangels «subjektiver Tatseite» freigesprochen.

Die ehemalige Geschäftsführerin des Wiener Burgtheaters stand allem Anschein nach unter grossem psychischen Druck, weil sie die von den Vorgesetzten geforderte «schwarze Null» im Jahresabschluss erreichen musste. Sie schönte die Bilanz, indem sie Bühnenbilder bereits abgespielter Stücke werthaltig in der Bilanz stehen liess und nicht abschrieb. Im Weiteren verwendete sie Honorare, die den Künstlern zustanden, missbräuchlich, um einerseits Löcher im Budget des Burgtheaters zu stopfen, andererseits aber auch um ihren privaten, luxuriösen Lebensstil zu finanzieren. Diese Praxis ging über Jahre und wurde von den Wirtschaftsprüfern genehmigt. Da der Staat Österreich nicht geschädigt wurde, sondern «nur» Vermögenswerte zu hoch dargestellt wurden, geschah hier strafrechtlich nichts. Nicht immer läuft es so glimpflich ab, aber immer spielt das Finanz- und Rechnungswesen eine zentrale Rolle.

Wirtschaftskriminelle Verhaltensweisen

Unternehmen sind auf verschiedene Art und Weise von Wirtschaftskriminalität bedroht. Wenn der «Feind» aus den eigenen Reihen stammt, spricht man von Occupational Fraud. Die typischen Vorgehensweisen sind die Vermögensveruntreuung, die passive Bestechung sowie die interne Bilanzfälschung. Persönliche Spesen werden beispielsweise mit fiktiven Belegen abgerechnet und verbucht. Richtet sich die Schädigung aus dem Unternehmen heraus gegen Dritte, spricht man von Corporate Fraud. Ein typisches Delikt ist die externe Bilanzfälschung, indem beispielsweise der Bank eine gefälschte Bilanz zur betrügerischen Krediterlangung vorgelegt wird. Schliesslich kann das Unternehmen auch von aussen durch in der Regel unbekannte Personen gefährdet werden. Die nachfolgende Grafik zeigt dies im Überblick.

Wirtschaftskriminelle Verhaltensweisen

Vermögensveruntreuung

Im eingangs erwähnten Beispiel des Burgtheaters hat die Geschäftsführerin Honorare, welche den Künstlern zustehen, für das Burgtheater und für sich persönlich verwendet. Hätte man dies erkennen können? Wirtschaftsermittler beurteilen solche Fälle unter den Aspekten Motiv, Gelegenheit und Rechtfertigung. Als Motive kommen der Druck des Unternehmens sowie die persönliche Luxussucht in Frage. Die Gelegenheit dürfte sich aus den weitreichenden Kompetenzen als Geschäftsführerin ergeben und das Wohl des Burgtheaters dürfte diese Handlungen aus persönlicher Sicht gerechtfertigt haben. Die eigene Bereicherung könnte die Geschäftsführerin als Lohn für ihre Anstrengungen betrachtet haben. Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass die Honorare, wie in der Künstlerwelt traditionell nicht unüblich, bar bezahlt wurden.

Bilanzfälschung

Der Bilanz  kommt im Geschäftsverkehr eine wichtige Informationsfunktion zu. Teilhaber, Investoren, Kunden sowie Kredit gewährende Gläubiger, aber auch das Unternehmen selbst, verlassen sich darauf. Strafbar macht sich, wer die Bilanz – und alle zugehörigen Bestandteile  – inhaltlich falsch darstellt, mit Vorsatz sowie Täuschungs- oder Vorteilsabsicht. Für die Beurteilung der bei der Falschbeurkundung relevanten inhaltlichen Falschdarstellung sind die Rechnungslegungsvorschriften massgebend, wobei der Übergang von erlaubter Bilanzkosmetik zu strafbarer Bilanzfälschung fliessend ist und in der praktischen Beurteilung vieles unklar ist.

Das Finanz- und Rechnungswesen kann sowohl selbst Angriffsobjekt für Fälschungshandlungen sein als auch «nur» Ort der Beweise für andere Delikte. Lassen sich solche Handlungen erkennen? Wirtschaftsermittler unterteilen bilanzbetrügerische Aktivitäten wie folgt:

  • fiktive Erträge
  • unerlaubte zeitliche Abgrenzungen
  • unerlaubte Bewertungen von Aktiven
  • verheimlichte Schulden und Aufwendungen
  • unvorschriftsmässige Offenlegungen

Im vorliegenden Fall muss man sich die Frage stellen, wie es möglich war, dass Bühnenbilder bereits abgespielter Stücke von den Wirtschaftsprüfern unbemerkt werthaltig in der Bilanz verbleiben konnten.

Wirtschaftskriminalität im Finanz- und Rechnungswesen

Wirtschaftskriminalität ist facettenreich. Jeder Fall hat seine Eigenheiten. Immer nimmt das Finanz- und Rechnungswesen eine zentrale Rolle ein. Prävention, Entdeckung und Untersuchung laufen hier zusammen. Unternehmen sollten die Risiken für wirtschaftskriminelle Verhaltensweisen und die Folgen daraus im Auge behalten. Das gleiche gilt für die Kompetenzenregelungen und internen Kontrollen. Sollte es zu einem Strafverfahren kommen, ist es plötzlich von grösster Wichtigkeit, wer beispielsweise eine Zahlung gefordert, kontrolliert, genehmigt und ausgeführt hat.

Der Vorhang ist gefallen: Das Theaterstück am Burgtheater mit der Geschäftsführerin in der Hauptrolle hat vorläufig sein Ende genommen.

Die vollständige Version des Beitrags ist im WEKA Finanz- und Rechnungswesen Newsletter 04 im April 2020 erschienen sowie online abrufbar.

Autorin: Susanne Grau

Susanne Grau ist verantwortlich für den Themenbereich Wirtschaftskriminalistik, Dozentin und Projektleiterin am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern sowie Inhaberin und Geschäftsführerin der SUSANNEGRAU Consulting GmbH. Sie amtet als Vizepräsidentin von SwissAccounting und Verwaltungsrätin der Controller Akademie AG. Zudem ist sie Vorstandsmitglied der Schweizerischen Expertenvereinigung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität SEBWK und des ACFE Switzerland Chapters.

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