9. November 2020
Von Simone Nadelhofer und Tabea T. Segessenmann
Aktuell hat die Bezifferung und Begründung der in der Zivilklage im Strafverfahren geltend gemachten Forderung spätestens im Parteivortrag zu erfolgen. Mit der derzeit hängigen Revision der Strafprozessordnung soll dieser Zeitpunkt vorverschoben werden. Der Entwurf sieht vor, dass Bezifferung und Begründung innert der von der Verfahrensleitung angesetzten Frist zu erfolgen haben. Was haben die Rechtsvertreter in diesem Zusammenhang zu beachten?
Gemäss geltender gesetzlicher Regelung hat die Privatklägerschaft ihre Zivilansprüche im Strafverfahren spätestens im Parteivortrag an der erstinstanzlichen Hauptverhandlung zu beziffern und begründen. Dies führt in der Praxis dazu, dass sowohl das Gericht als auch die Verteidigung an der Hauptverhandlung mit teils zahlreichen neuen Beweismitteln konfrontiert werden. Dies ist in mehrfacher Hinsicht problematisch. Die Verteidigung hat faktisch kaum Zeit, die neuen Beweismittel zu prüfen und zu verarbeiten. Ihr ist es damit nur schwer möglich, sich im Parteivortrag fundiert zur Zivilklage zu äussern. Die gesetzliche Bestimmung ist aber auch für das Gericht und schliesslich auch für die Privatklägerschaft ungünstig. In Bezug auf die strafrechtlichen Vorwürfe sind die Verfahrensakten grundsätzlich komplett. Oftmals sind nur noch die Einvernahmen ausstehend. Unterlagen zu den Zivilklagen fehlen aber häufig gänzlich. Das Gericht kann sich entsprechend nicht vorbereiten und ihm wird es in der Regel an der nötigen Zeit dafür fehlen, um die Zivilklage genau zu prüfen.
Das Gericht hat über die anhängig gemachte Zivilklage zu entscheiden, wenn es die beschuldigte Person als schuldig befindet oder freispricht und der Sachverhalt spruchreif ist. Der Entscheid nur dem Grundsatz nach und der Verweis auf den Zivilweg sollten gemäss gesetzlicher Konzeption eigentlich die Ausnahme bleiben. Gerade bei komplexen wirtschaftsstrafrechtlichen Verfahren werden die Zivilklagen jedoch häufig auf den Zivilweg verwiesen, was insbesondere aus Sicht der Privatklägerschaft ungünstig ist.
Die Revision der Strafprozessordnung soll in diesem Punkt Besserung schaffen. Gemäss Vorentwurf sollte der Zeitpunkt der Begründung und Bezifferung der Zivilklage auf den Abschluss der Untersuchung vorverlegt werden. Diese Regelung haben die Kantone im Vernehmlassungsverfahren jedoch kritisiert, da sie für anwaltlich nicht vertretene Zivilkläger zu streng sei. Der Bundesrat schlägt deshalb nun vor, dass die Bezifferung und Begründung innerhalb der von der Verfahrensleitung nach Art. 331 Abs. 2 StPO gesetzten Frist zum Stellen und Begründen von Beweisanträgen zu erfolgen hat.
In der Botschaft zur Änderung der Strafprozessordnung wird zu Recht darauf hingewiesen, dass dieser Zeitpunkt nach wie vor relativ spät sei. Mit Abschluss der Untersuchung liegen in der Regel bereits alle nötigen Informationen vor, die es der Privatklägerschaft erlauben würden, ihren Anspruch zu begründen und zu beziffern. Der nun gewählte Zeitpunkt wird dem Anliegen, dem Gericht und der Verteidigung mehr Zeit zur Evaluierung der Zivilforderung zu gewähren, aber in jedem Fall gerecht.
Was hat die Privatklägerschaft bzw. ihre Rechtsvertretung nun zu beachten?
Es ist zu hoffen, dass die Revision in diesem Punkt dazu führt, dass Gerichte häufiger über die anhängig gemachten Zivilklagen entscheiden und diese nicht wie bisher regelmässig auf den Zivilweg verweisen.
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