23. November 2020
Von Margrit Keller
«Eine Million fürs Dietiker Gewerbe: Stadtrat vergibt Corona-Kredite» so lautete die Schlagzeile der Limmattalerzeitung am 1. April 2020. Eine Aufforderung für die mittlerweile landesweit «berühmt» gewordenen «Corona-Kreditbetrüger», sich auch hier noch zu bedienen?
Im März 2020 hat der Bundesrat zur Bewältigung der wirtschaftlichen Folgen der Pandemie ein umfassendes Massnahmenpaket beschlossen. Zu grosser, medialer Bekanntheit haben es die Liquiditätshilfen für KMU, die «Corona-Kredite» gebracht: 40 Milliarden Schweizer Franken für die Absicherung von zinsfreien Krediten. Diese Kredite konnten mit dem Standard Kreditantragsformular des Bundes per Mail oder Brief bei der Bank beantragt werden. Die Auszahlung erfolgte sofort und ohne nähere Prüfung. Insgesamt haben die Banken 136’596 Kredite von 16’908,2 Millionen Schweizer Franken ausbezahlt (Stand 18. November 2020). Aktuell sind gemäss dem eidg. Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung und dem eidg. Finanzdepartement 4’465 Missbrauchsfälle in Abklärung und bei 242 Fällen mit einer Deliktsumme von 37’494’486 Schweizer Franken wurde ein Verfahren eingeleitet (Stand 18. November 2020). Die Statistik der Meldestelle für Geldwäscherei MROS weist 633 an die Strafverfolgungsbehörden erstatte Anzeigen gemäss Artikel 23 Absatz 4 Geldwäschereigesetz aus (Stand 29. Oktober 2020).
Kreditvergaben der Stadt Dietikon
Ergänzend dazu hat der Stadtrat von Dietikon Ende März 2020 einen Kredit von 1 Million Schweizer Franken als Soforthilfe für Kleinstunternehmen und Selbständigerwerbende beschlossen. Diese Massnahme war ein Teil des Corona-Paketes des Kantons Zürich, das den Gemeinden zur Umsetzung übertragen wurde. Mit der Vergabe von zinsfreien, kurzfristigen und rückzahlbaren Darlehen sollte vermieden werden, dass zeitliche Verzögerungen bis zur Auszahlung der vom Bund und Kanton zugesagten Finanzhilfen, wie zum Beispiel die Kurzarbeits- und Erwerbsausfallentschädigung, zu existenzbedrohenden Situationen führen und die Betroffenen dadurch in die Sozialhilfe abgleiten. Der Kantonsbeitrag pro Einwohnerin und Einwohner betrug 10 Franken. Die Stadt Dietikon hat rund 277’000 Schweizer Franken erhalten, der «Rest» sollte aus eigenen Mitteln finanziert werden.
Die Grundlagen und Instrumente zur Umsetzung, wie zum Beispiel das Gesuchsformular oder der Darlehensvertrag, wurden gemeindeübergreifend über den Gemeindepräsidentenverband des Kantons Zürich koordiniert. Die konkrete Ausgestaltung der Prozesse und der Auszahlungsmodalitäten erfolgte jedoch individuell durch die einzelnen Gemeinden. In der Stadt Dietikon hat die Sozialabteilung die Darlehensanträge geprüft und der Sozialvorstand hat diese zur Auszahlung durch die Finanzabteilung freigegeben. Über eine Laufzeit von drei Monaten hinweg wurden 19 Darlehen gewährt und rund 80’000 Schweizer Franken ausbezahlt.
Bereicherung durch «Corona-Kreditbetrüger»?
Angesichts der sich fast überschlagenden Meldungen über «Corona-Kreditbetrüger» in den Print- und Onlinemedien, wie zum Beispiel in der NZZ vom 16. Juli 2020, auf finews.ch am 25. Juni 2020 und 2. Juli 2020, habe ich mich gefragt, ob allenfalls auch in Dietikon «Corona-Kreditbetrüger» unterwegs waren und zumindest versucht haben, sich ungerechtfertigt «zu bedienen». Allerdings dürfte die Wahrscheinlichkeit eher tief sein, wenn man die Anzahl und die Schadenssumme bei den Corona-Krediten des Bundes in Prozentwerten und nicht in absoluten Zahlen betrachtet.
Rückblickend gab es auch in Dietikon einzelne Gesuchsteller, die kurz vorher grössere Summen für Kinderwunschkliniken, Autos, Ferien, Hochzeiten und weiteres ausgegeben hatten und auch Gesuche, die sich bei kritischer Prüfung als falsch herausstellten. Weiter war es in Einzelfällen, wie zum Beispiel bei Taxifahrern sehr schwierig, die Einkünfte richtig zu berechnen, da auf eine Plausibilisierung der Fahrtenschreiber verzichtet wurde. Die Dossiers wurden relativ kritisch geprüft und die Gesuchsteller mussten auch sehr detaillierte Unterlagen einreichen. Grundsätzlich kann eine gewisse Dunkelziffer nicht mit absoluter Sicherheit ausgeschlossen werden. Allerdings wäre eine allfällige Schadenssumme marginal, da die jeweils ausbezahlten Beträge eher tief waren.
Überraschend war für mich, dass nach der Berichterstattung in der Limmattalerzeitung vom 1. April 2020 ein Ansturm auf die Kredite ausgeblieben ist und offensichtlich auch keine Personen mit unlauteren Absichten angelockt wurden.
Die genauen Gründe werden sich wohl nie herausfinden lassen. Meine Vermutung ist allerdings, dass die Ansiedelung der Darlehensprüfung und -vergabe bei der Sozialabteilung in der Wohngemeinde vor allem in psychologischer Hinsicht eine gewisse Hemmschwelle dargestellt hat, überhaupt persönlich hinzugehen und Ansprüche geltend zu machen. Im Vergleich dazu ist es wesentlich einfacher – und damit auch für potentielle Betrüger erfolgsversprechender – einen COVID-19-Kredit gemäss dem Schema des eidg. Finanzdepartements weitestgehend anonym bei der Bank zu beantragen und diesen ohne Vorabprüfung ausbezahlt zu erhalten. Hinzu kommt, dass die Wohngemeinde die in den Kreditanträgen gemachten Angaben dank der darin integrierten Datenschutz-Entbindungserklärung innerhalb kürzester Zeit überprüfen kann.
Fazit
In der präventiven Abwehr von «Corona-Kreditbetrügern» waren die Gemeinden gegenüber dem Bund dank der Nähe zu den Antragstellern und den effizienten und effektiven Kontrollinstrumenten ganz klar im Vorteil, ohne dabei unnötige bürokratische Hindernisse aufzubauen.
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