30. November 2020

Wirtschaftskriminalistik

Coronafraud.ch – Erfassung von Betrug in Corona-Zeiten

Coronafraud.ch – Erfassung von Betrug in Corona-Zeiten

Von Monica Fahmy

Wie nützen Kriminelle die Covid-19 Pandemie aus? Um Betrugshandlungen in Corona-Zeiten wissenschaftlich zu erfassen hat die Hochschule Neuchâtel die Website coronafraud.ch ins Leben gerufen.

Am 13. November 2020 hätte die Schweizerische Expertenvereinigung «Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität» SEBWK ihre jährliche Tagung durchführen wollen. Das Thema war spannend gewählt: «Datenmanagement im Spannungsfeld zwischen Informationszugang und Datenschutz». Aber im Coronajahr 2020 kam alles ganz anders. Anstelle der jährlichen Tagung organisierte der Vorstand der SEBWK nun eine Miniserie von Interviews.

Im ersten Interview erzählt Olivier Beaudet-Labrecque, Vize-Dekan des Instituts zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität ILCE und Kriminologe in Neuchâtel über das Projekt «coronafraud.ch», welches das Institut im Zusammenhang mit Corona ins Leben gerufen hat. Es geht dabei um die wissenschaftliche Untersuchung zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie.

Sowohl Opfer wie Zeugen von Betrugshandlungen im Zusammenhang mit der Covid-19 Pandemie können sich in den drei Landessprachen Deutsch, Französisch und Italienisch über die Website anonym melden.

«Bisher gingen an die 350 Meldungen ein»,

sagt Olivier Beaudet-Labrecque.

Gut 85 Prozent der Meldungen handeln von Betrug mit Hygieneartikeln wie Masken und Desinfektionsmitteln. Vor allem während der ersten Welle im Frühjahr 2020, als Masken und Desinfektionsmittel knapp waren, wurden etliche Menschen Opfer von Internetbetrügern. Bestellte Hygieneartikel waren mangelhaft oder defekt, die Ware kam gar nicht erst bei den Bestellern an, oder Betrüger nützten die Angst der Menschen schamlos aus und verlangten Wucherpreise für Masken und andere Schutzartikel. Opfer waren vor allem Individuen, die sich und ihre Familie schützen wollten, aber auch Unternehmen, die grosse Mengen an Schutzartikeln für ihre Belegschaft bestellt hatten.

«Wir waren vom Ausmass überrascht, dass Menschen betrogen werden, die lediglich anderen helfen oder sich selbst vor einer gefährlichen Krankheit schützen wollten»,

sagt Beaudet-Labrecque weiter. Oft setzt Betrug ja voraus, dass das Opfer sich von Gewinnaussichten blenden lässt. Bei den Betrugshandlungen, die über die Website gemeldet wurden, war dies jedoch nicht der Fall.

In der zweiten Welle der Pandemie verzeichnet man dann deutlich mehr Meldungen im Zusammenhang mit Corona-Krediten oder Kurzarbeitsentschädigungen. Da war vor allem der Staat das Opfer. Dazu mehr zu sagen, sei allerdings derzeit schwierig, so Beaudet-Labrecque. Das Projekt sei langfristig angelegt, es müssen noch mehr Daten erhoben werden.

Die Website wurde im Frühling 2020 innert weniger Tage ins Leben gerufen. Eine Meldung ersetze keine Strafanzeige, betont Beaudet-Labrecque. Man sammelt lediglich die Informationen zu wissenschaftlichen Zwecken, hat aber nicht die Möglichkeiten, die Fälle zu verfolgen. Man stehe natürlich in Kontakt mit den Behörden.

Das Projekt coronafraud.ch ist auf längere Zeit angelegt und hat zum Ziel, wissenschaftlich zu erheben, wie Krisen die Wirtschaftskriminalität, insbesondere Cybercrime beeinflussen. Hier geht’s zum ganzen Interview auf Französisch.

Autorin: Monica Fahmy

Monica Fahmy ist Ökonomin (MA UZH) und Absolventin des MAS Economic Crime Investigation. Sie ist COO bei der auf Investigations und Business Intelligence spezialisierten Firma AC Assets Control AG und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Expertenvereinigung zur Bekämpfung von Wirtschaftskriminalität SEBWK.

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