29. Januar 2024
Von Dr. Michael Faske und Désirée Schreyer
In den vergangenen Jahren sind in der EU wegweisende ESG-Regulierungen für Finanzinstitute in Kraft getreten und die Schweiz will nachziehen. Ziel ist es, mehr Transparenz für die Akteure im Finanzsystem herzustellen und Greenwashing zu unterbinden. Wer sich nicht daran hält, wird hart bestraft. Welche Massnahmen müssen Unternehmen ergreifen, um sich zu schützen?
Im Sommer 2022 kam es in Deutschland zu einer Razzia in den Räumlichkeiten einer international tätigen Fondsgesellschaft. Grund dafür war der Verdacht auf Betrug durch sogenanntes «Greenwashing». Greenwashing ist dem «E» im englischen Akronym «ESG», also Environmental, Social and Governance, zuzuweisen und kann sich in Finanzinstituten auf verschiedene Bereiche beziehen:
1. Finanzprodukte
Finanzinstitute vermarkten ihre Fonds oder Anlagen als nachhaltig, auch wenn die Finanzprodukte dies nicht sind, respektive keinen positiven Einfluss auf die Umwelt haben. Es fehlt am sogenannten «Real Impact», also dem effektiven Einfluss auf das Produkt.
2. Investitionen und Kreditvergabe
Finanzinstitute tätigen Investitionen oder gewähren Kredite an Unternehmen, die sich als nachhaltig oder ökologisch bezeichnen, obwohl diese nicht nachhaltig sind.
3. Belastung und Kommunikation:
Finanzinstitute präsentieren sich selbst beispielsweise im Jahresendbericht als nachhaltig.
Der deuschen Fondsgesellschaft wird Greenwashing bezüglich Finanzprodukten vorgeworfen. Die ersten Ermittlungen der Staatsanwaltschaft erhärteten den zuvor von einer ehemaligen Mitarbeiterin geäusserten Verdacht, dass gewisse als «nachhaltig» und «grün» ausgewiesene Aktienfonds diese Bezeichnung nicht verdient haben. Es gebe «zureichende tatsächliche Anhaltspunkte», dass die in den Verkaufsprospekten als nachhaltig angepriesenen Fonds ESG-Faktoren nur zu einem kleinen Teil effektiv berücksichtigen würden. Bei der Mehrheit der Investments hätten diese gemäss Staatsanwaltschaft «keinerlei Beachtung gefunden». In der Folge ermittelten sowohl die deutsche Finanzaufsicht BaFin als auch das US-Justizministerium DOJ, die US-Börsenaufsicht SEC und das Federal Bureau of Investigation FBI. Medien verbreiteten die Nachricht, dass sich die Fondsgesellschaft ihre «grünen» Fonds im vergangenen Jahr mit Aktien fossiler Unternehmen «vollgepumpt» habe. Mittlerweile hat das Unternehmen eingewilligt, als Strafe USD 25 Millionen zu zahlen.
Neben den Untersuchungen bei dieser Fondsgesellschaft gab es kürzlich eine Reihe ähnlicher Fälle, die zeigen, dass die Aufsichts- und Strafbehörden ihre Aufmerksamkeit zunehmend ESG-Falschaussagen zuwenden.
Schwammige Begriffe erfordern klare Regeln
Dass das Akronym ESG in jüngster Zeit oft im Zusammenhang mit Wirtschaftsstrafdelikten genannt wird, hat mit der zunehmenden Nachfrage nach ESG-Finanzprodukten und der dadurch ausgelösten, nachgelagerten Regulierung zu tun. Der Klimawandel beschäftigt die Gemüter. Seit 2023 müssen Schweizer Unternehmen gemäss Art. 964a–c OR in ihrem Jahresbericht über ESG-Belange Rechenschaft ablegen. Ungenügende Transparenz und falsche Angaben werden sanktioniert. Auf solchen Jahresberichten aufbauend wurden in den letzten Jahren zunehmend Finanzprodukte mit Worten wie «grün» und «nachhaltig» beworben und damit viel Umsatz erwirtschaftet. Dass diese Bezeichnungen nicht immer der Realität entsprechen, zeigt der Fall der oben erwähnten Fondsgesellschaft. Doch wo verläuft die Linie zwischen forschem Marketing und strafbarem Handeln?
Der korrekte Umgang mit Greenwashing stellt für Unternehmen eine Herausforderung dar, da es keine rechtlich geschützten Begriffe, wie «nachhaltig» oder «grün», gibt. Die EU hat Massnahmen ergriffen, um Greenwashing zu bekämpfen und Investitionen in nachhaltige Produkte zu erleichtern. Beispielsweise legt die Taxonomieverordnung der EU fest, dass nur Aktivitäten als «grün» bezeichnet werden können, die wesentlich zum Umweltschutz beitragen und keine anderen Umweltziele beeinträchtigen. Finanzinstitute müssen die Konformität ihrer Investitionen darlegen. Und die Gesetzgeber stehen nicht still: Am 13. Juni 2023 präsentierte die Europäische Kommission ein neues Massnahmenpaket, das auf dem EU-Rahmen für ein nachhaltiges Finanzwesen aufbaut und das übergeordnete Ziel unterstützt, bis 2050 einen EU-weiten Übergang zu einer klimaneutralen und nachhaltigen Wirtschaft zu erreichen. In den Vereinigten Staaten hat die Securities and Exchange Commission SEC am 20. September 2023 Änderungen an der «Namen-Regel» für Investmentfonds vorgenommen. Diese umfassen eine strengere Anwendung der 80-Prozent-Investitionspolitik, wodurch Fonds, deren Namen auf bestimmte Investitionsschwerpunkte hinweisen, mindestens 80 Prozent ihrer Vermögenswerte in diesen Schwerpunktbereichen halten müssen.
In der Schweiz ist Greenwashing nicht explizit geregelt, aber Betrug und irreführendes Verhalten werden durch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb, das Straf- und das Obligationenrecht sanktioniert. Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht FINMA kann gegen Täuschung vorgehen und hat Anforderungen für die Offenlegung von klimabezogenen Finanzrisiken eingeführt. Des Weiteren hat der Bundesrat das Eidgenössische Finanzdepartement EFD beauftragt, in einer Arbeitsgruppe den Bedarf an entsprechenden Greenwashing-Regulierungen abzuklären. Ende November 2023 wurde angekündigt, dass das EFD den Banken noch ein halbes Jahr Zeit gibt, sich selbst zu regulieren. Dies bezieht sich vermutlich auf die viel zu schwammigen Regeln der Bankiervereinigung. Das EFD soll entsprechend parallel bis spätestens Ende August 2024 einen Entwurf für eine «prinzipienbasierte staatliche Regulierung auf Verordnungsstufe» ausarbeiten. Auf den Erlass derartiger regulatorischer Massnahmen dürfte das EFD jedoch verzichten, sofern die Finanzbranche eine Selbstregulierung vorlegt, die «den Standpunkt effektiv umsetzt». Am 23. November 2022 verabschiedete der Bundesrat in seiner Sitzung zudem die Vollzugsverordnung zur Klimaberichterstattung für grosse Schweizer Unternehmen, welche am 1. Januar 2024 in Kraft getreten ist.
Schutz vor Greenwashing
Die neuen Regulierungen bringen neue Herausforderungen im Compliance-Bereich, die bei Verstössen nebst dem Reputationsschaden auch beträchtliche finanzielle Konsequenzen haben können. Damit Unternehmen ESG-Risiken geringhalten können, sind klare interne Richtlinien, eine saubere Messung, genaue Dokumentation und eine gute Strategie hinsichtlich nichtfinanzieller Unternehmensinformationen und Nachhaltigkeitsdaten sowie eine effiziente Governance-Struktur von zentraler Bedeutung. Technologische Lösungen sind hierfür unerlässlich, da sie eine strukturierte Sammlung und effiziente Analyse grosser Datenmengen ermöglichen. Plattformen, welche die Medien auf ESG-relevante Berichte hin durchsuchen, helfen dabei, Unternehmen hinsichtlich ihrer ESG-Qualitäten einzuschätzen und zu überwachen. Interne Untersuchungen sind das wirksamste Mittel, die interne Governance betreffend Verhinderung von Greenwashing zu überprüfen.
Der nächste Beitrag auf dem Blog Economic Crime erscheint am 26. Februar 2024.
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