12. April 2021
Von Susanne Grau und Michael Dietrich
Betrug am Arbeitsplatz ist ein weltweites Phänomen. Regional bestehen jedoch Unterschiede. Welche Unternehmen sind in Westeuropa davon betroffen? Wie werden diese Betrügereien aufgedeckt? Wer sind die Täter und wie gehen die Opferunternehmen mit ihnen um?
Seit 1996 veröffentlicht die Association of Certified Fraud Examiners (ACFE) alle zwei Jahre den «Report to the Nations», einen international ausgerichteten Lagebericht zum «Betrug am Arbeitsplatz». Die kürzlich in Ergänzung dazu erschienene «Western Europe Edition» liefert zusätzliche Einblicke in die Lage in Westeuropa. Die Erkenntnisse stammen aus 128 konkreten Fraud-Fällen aus 14 Ländern, 17 davon entfallen auf die Schweiz. Dem Verband angeschlossene Betrugsermittler, sogenannte Certified Fraud Examiners, lieferten im Rahmen der Umfrage eine Beschreibung ihres grössten berufsbedingten Betrugsfalls, den sie im Zeitraum Januar 2018 bis September 2019 untersucht hatten.
«Opferunternehmen»
Von betrügerischen Verhaltensweisen ihrer Mitarbeitenden am meisten betroffen waren private Gesellschaften, ihr Anteil betrug 51%. Gefolgt von Publikumsgesellschaften (30%) und Verwaltung (9%). 5% entfielen auf Non-Profit-Organisationen. 20% der Fälle betrafen kleinere- und mittlere Unternehmen, sogenannte KMU, mit weniger als 100 Angestellten. Bei 80% der Fälle lag die Zahl der Angestellten über 100. Wenn wir die hauptsächlich begangenen betrügerischen Handlungen betrachten, fällt ein Unterschied zwischen KMU und Grossunternehmen ins Auge. Bei den KMU machten die falschen Spesenabrechnungen (expense reimbursement) 21% der Fälle aus. Diese tauchten bei den Grossunternehmen nicht auf, demgegenüber erschien die Bilanzfälschung (financial statement fraud) in 11% der Fälle. Wenn wir zudem einen Blick auf die betroffenen Industriezweige werfen, ragt der Bereich «Banking and Financial Services» mit 31% markant heraus.
Entdeckung
Am weitaus häufigsten führte Whistleblowing zur Entdeckung betrügerischer Verhaltensweisen am Arbeitsplatz. Die drei wichtigsten Urheber der Hinweise waren Mitarbeitende (50%), Kunden (35%) und Lieferanten (6%). Aufgrund der Bedeutung des Whistleblowing-Hinweises für die Entdeckung betrügerischer Handlungen stellt sich die Frage, wie die betroffenen Unternehmen organisiert sind. 65% der Opferunternehmen betreiben eine Hotline und 44% der entdeckten Fraud-Fälle kamen über eine solche herein. Gemäss Studie nahm die Zahl der gemeldeten Fälle zu, sobald Mitarbeitende im Umgang mit Meldestellen geschult waren.
Interne Täterschaft
Beim Betrug am Arbeitsplatz stellt sich wiederholt die Frage nach der Stellung der internen Täterschaft. Die Studie für Westeuropa zeigt, dass sich diese aus Mitarbeitenden (45%), dem Management (33%) sowie den Inhabern und Organen bzw. den «Executives» (17%) zusammensetzt. Von Interesse sind zudem die Geschlechter- und Altersfrage sowie der Schaden, den die Täter verursachen. 73% der Fälle wurden von Männern begangen. Sie schädigten das Unternehmen im Schnitt mit USD 200’000 (Median), mehr als doppelt so hoch als die Frauen. Zudem ist interessant, dass die über 45-jährigen das Unternehmen weitaus höher schädigten, als diejenigen in den Altersklassen darunter.
Interne Bestrafung der Täter
Die Umfrageteilnehmer machten Angaben zu den Erkenntnissen der Betrugsuntersuchung einschliesslich interner Strafen, zu den Ergebnissen aus Rechtsstreitigkeiten und zur Wiedererlangung von betrügerisch abgeflossenen Vermögenswerten. In 80% der Fälle kam es zu einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses oder zur Entfernung der deliktisch agierenden Person aus der Organisation. Dies erstaunt nicht, wenn man bedenkt, dass das gegenseitige Vertrauensverhältnis durch die strafbaren Handlungen nachhaltig gestört wurde. Die betroffenen Unternehmen wählten aber auch andere Problemlösungsansätze, wie beispielsweise die Bewährung (probation), eine Vergleichsvereinbarung (settlement agreement) oder in einzelnen Fällen wurde sogar ganz von Strafmassnahmen abgesehen (no punishment). In etwas mehr als der Hälfte der Fälle (53%) reichten die betroffenen Unternehmen eine Strafanzeige ein und in 39% der Fälle eine Zivilklage. Nicht jede Beendigung des Arbeitsverhältnisses endete demnach in einer Klage.
Fazit
Aus den Erkenntnissen zu Opferunternehmen, zur Entdeckung der betrügerischen Handlungen am Arbeitsplatz, zur internen Stellung der Täterschaft sowie zur Bestrafung der Täterschaft bzw. zur Art und Weise der Erledigung interner Fälle, können Unternehmen wichtige Schlussfolgerungen ziehen, wie mit Betrug am Arbeitsplatz umzugehen ist. Die Erfahrungen aus den bisherigen Studien von ACFE zeigen, dass die Unternehmen in den letzten Jahren zunehmend sensibilisierter und organisierter mit dem Thema Fraud umgehen. Es bleibt jedoch eine Herausforderung, weil jeder Betrugsfall unterschiedlich ist und seine eigenen Besonderheiten aufweist.
Der nächste Beitrag auf dem Blog Economic Crime erscheint am 3. Mai 2020.
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