19. August 2024

Financial Crime

Beschwerde oder Siegelung bei Bankeditionen?

Beschwerde oder Siegelung bei Bankeditionen?

Dieser Beitrag entstand während des Weiterbildungslehrgangs MAS Economic Crime Investigation und wurde von der Programmleitung als überdurchschnittlich bewertet.

Von Thomas Hunkeler

Welche Geldflüsse sind deliktisch? Wer hat die verdächtigen Transaktionen ausgelöst und wohin wurden die Vermögenswerte transferiert? Diese und weitere Fragen stellen sich den Untersuchungsbehörden im Rahmen der Bekämpfung von Wirtschaftsdelikten regelmässig. Um die notwendigen Beweise zu erheben, verpflichten sie die Banken zur Herausgabe von Bankunterlagen mittels Editionsverfügungen. Mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen sich Banken gegen solche Verfügungen wehren können, setzte sich das Bundesgericht Anfangs Jahr in zwei Fällen auseinander.

Die Verpflichtung zur Herausgabe von Bankdaten an die Strafbehörden mittels Editionsverfügung kann im Einzelfall in einem Spannungsverhältnis zum Rechtschutzinteresse der betroffenen Bank stehen, welches sie geltend machen kann. Dabei ist zwischen dem Beschwerderecht gegen die erlassene Verfügung und einem Siegelungsrecht im Falle von zu durchsuchenden und grundsätzlich dem Geheimnisschutz zugänglichen Unterlagen und Daten zu unterscheiden. Das Bundesgericht befasste sich im Dezember 2023 gleich zwei Mal mit dem Rechtsschutzinteresse von Banken im Zusammenhang mit Editionsverfügungen. In beiden Entscheiden ging es um das Verhältnis zwischen Entsiegelungsverfahren und Beschwerde sowie um die Beschwerdefähigkeit von Herausgabeverfügungen an Finanzintermediäre.

Beschwerderecht gegen Editionsverfügungen

Im Urteil 7B_90/2022 vom 29.12.2023 hatte sich das Bundesgericht mit einer Beschwerde einer Bank im Zusammenhang mit einer Editionsverfügung von Bankunterlagen auseinanderzusetzen. Es ging um die Zulässigkeit der Editionsverfügung per se und die Frage, ob die Bank ein Beschwerderecht gegen diese Verfügung hatte. Die Bank begründete ihre Beschwerde gegen die Editionsverfügung unter anderem damit, dass die Verfügung zu unpräzise sei und eine zu umfangreiche Herausgabe von Akten das Bankgeheimnis verletzen würde. Nach dem das Obergericht des Kantons Zürich nicht auf die Beschwerde eintrat, da es eine implizite Geltendmachung von Geheimhaltungsinteressen der Bank annahm und auf die Siegelung verwies, erhob die Bank Beschwerde in Strafsachen beim Bundesgericht. Dieses hiess die Beschwerde gut, hob den Beschluss des Obergerichts auf und wies die Sache zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurück. Soweit keine Einwände erhoben werden, die rechtlich geschützte Interessen betreffen, kann der Rechtsschutz nicht über die Siegelung erreicht werden – in diesem Fall steht der Weg über die kantonale Beschwerde offen.

Siegelung der von Bankunterlagen

In einer weiteren Strafuntersuchung gegen Unbekannt standen mehrere Mitarbeitende der Bank im Verdacht, einen bereits angeklagten Mittäter, dem unter anderem gewerbsmässiger Betrug und Geldwäscherei vorgeworfen wurde, unterstützt zu haben. Die Staatsanwaltschaft verlangte bei der Bank mittels Editionsverfügung Kundendossiers und weitere Unterlagen ganzer Abteilungen der Bank. Die Bank stellte der Staatsanwaltschaft diese Unterlagen zu und verlangte gleichzeitig die Siegelung mit der Begründung, die Bankunterlagen würden eigene Geschäftsgeheimnisse beinhalten. Das Zwangsmassnahmengericht gab auf Antrag der Staatsanwaltschaft die versiegelten Unterlagen frei, wogegen die Bank mittels Beschwerde in Strafsachen ans Bundesgericht gelangte. Das Bundesgericht hiess diese Beschwerde mit Urteil 7B_128/2023 vom 14.12.2023 gut und wies das Entsiegelungsgesuch der Staatsanwaltschaft in einem reformatorischen Entscheid ab. Es stellte fest, dass im konkreten Fall kein genügender Tatverdacht bestand – es sei nicht klar, was den Mitarbeitenden vorgeworfen werde. Die Staatsanwaltschaft stelle reine Vermutungen auf. Der Herausgabebefehl erweise sich deshalb als unzulässig.

Bestimmung des Rechtsbehelfs

Grundsätzlich ist die Inhaberin oder der Inhaber von Gegenständen oder Vermögenswerten nach Art. 265 StPO verpflichtet, diese herauszugeben, wenn diese beschlagnahmt werden sollen. Möchte der Adressat der Editionsverfügung dieser nicht nachkommen, so bestimmt sich die Art des Rechtsbehelfs, nach den Gründen, aus welchen die Herausgabe verweigert werden soll.[1] Ist durch eine Herausgabeverfügung die Geheimsphäre oder ein verfassungsmässiges Geheimhaltungsinteresse betroffen, so ist die Siegelung gemäss Art. 248 StPO zu verlangen.[2] Bei der Siegelung handelt es sich um einen Rechtsbehelf sui generis und bewirkt ein suspensiv bedingtes Verwendungs- oder Verwertungsverbot.[3] Mit anderen Worten handelt es sich bei der Siegelung um einen Rechtsbehelf eigener Art, der die Verwendung und Verwertung der Bankunterlagen durch die Strafverfolgungsbehörde im Strafverfahren bis zum Zeitpunkt des Entscheids über die Entsiegelung verhindert. Möchte die Adressatin der Edition hingegen geltend machen, dass gar keine Herausgabepflicht bestehe, so hat sie mittels Beschwerde gegen die entsprechende Verfügung vorzugehen.[4] Zur Frage, in welchem Verhältnis die beiden Rechtsbehelfe zueinander stehen, hat sich das Bundesgericht bereits in früheren Entscheiden geäussert. In den Entscheiden 1B_136/2012 vom 25.09.2012 E.4.4 und 1B_351/2016 vom 16.11.2016 E.1.3 erwog das Bundesgericht, dass bei der Geltendmachung von schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen immer der Entsiegelungsrichter zuständig sei. Wenn zusätzlich noch andere akzessorische Einwände geltend gemacht werden, sind diese ebenfalls durch den Siegelungsrichter zu prüfen. Folglich kann die StPO-Beschwerde nur dann zur Anwendung gelangen, wenn die geltend gemachten Einwände keine schützenswerten Geheimnisse betreffen, wenn also beispielsweise Unverhältnismässigkeit oder das Fehlen eines hinreichenden Tatverdachts geltend gemacht werden.[5]

Bereits in früheren Entscheiden legte das Bundesgericht allerdings auch fest, dass Banken nur dann siegelungsberechtigt sind, wenn sie unmittelbar in einem eigenen schutzwürdigen Geheimnisrecht betroffen sind und dass das Bankkundengeheimnis als allgemeines Geschäftsgeheimnis nicht als schützenswertes Geheimnisrecht der Banken ausreicht (vgl. etwa Urteil 1B_562/2011 vom 02.02.2012 E.2 oder Urteil 1B_243/2021 vom 20.12.2021 E.3.6). An dieser Praxis dürfte auch die durch Revision der StPO Anfangs Jahr in Kraft getretene Gesetzesänderung nichts ändern.

Bestätigung der bisherigen Praxis

Mit dem Urteil vom 29.12.2023 (7B_90/2022) wird die bisherige Praxis bestätigt, dass die Beschwerde zu ergreifen ist, wenn kein eigenes schutzwürdiges Geheimnisrecht geltend gemacht wird. In diesem Zusammenhang wird im Entscheid auch festgehalten, dass sich die Bank nicht auf das Bankgeheimnis beruft, wenn sie geltend macht, dass sie aufgrund der fehlenden Bestimmtheit der Verfügung der Herausgabeaufforderung nicht nachkommen könne. Im Entscheid 7B_128/2023 vom 14.12.2023 machte die betroffene Bank eigene Geschäftsgeheimnisse geltend, weshalb richtigerweise ein Siegelungsverfahren angestrebt worden sein dürfte. Bedauerlicherweise geht das Bundesgericht nicht weiter auf die Abgrenzung ein, zumal es letztlich die Frage des fehlenden Tatverdachts beurteilte.


[1] vgl. BSK StPO-Bommer/Goldschmid, Art. 265 StPO, Rz. 29a

[2] vgl. BSK StPO-Thormann/Brechbühl, Art. 248 StPO, Rz. 1

[3] vgl. BSK StPO-Thormann/Brechbühl, Art. 248 StPO, Rz. 1

[4] vgl. BSK StPO-Bommer/Goldschmid, Art. 265 StPO, Rz. 29a

[5] vgl. auch BSK StPO-Bommer/Goldschmid, Art. 265 StPO, Rz. 29a

Autor: Thomas Hunkeler

MLaw Thomas Hunkeler, Rechtsanwalt, ist Staatsanwalt in der Abteilung Wirtschaftsdelikte der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt. Zurzeit absolviert er den Weiterbildungslehrgang Master in Economic Crime Investigation an der Hochschule Luzern.

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