4. November 2024
Von Christian Triet
Gerade in Phasen der Überlastung ist die Effizienz einer Strafverfolgungsbehörde von entscheidender Bedeutung. Ist es unmöglich, mit den vorhandenen Mitteln die hohen Erwartungen der Bevölkerung zu erfüllen, ist es umso wichtiger, dass die vorhandenen Ressourcen optimal und für das Richtige eingesetzt werden.
Christian Triet arbeitet seit 16 Jahren als Staatsanwalt bei der Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt und ist dabei mit Themen wie Überlastung, Effizienz und (Re-)Organisation konfrontiert. Was sind seine Erfahrungen und Gedanken dazu? Nachfolgend sein Bericht:
Der Wirkungsgrad kann verbessert werden
Wie die Aufsichtskommission in ihrem letzten Bericht festgestellt hat, ist die Wirtschaftsabteilung der Staatsanwaltschaft Basel-Stadt «offiziell» überlastet. Ich bin deshalb vermehrt mit Parteien konfrontiert, die sich über die teilweise sehr lange Verfahrensdauer wundern oder beklagen. Diese haben mein volles Verständnis. Dennoch bin ich überzeugt, dass wir die uns zur Verfügung stehenden Ressourcen im Rahmen des uns Möglichen bereits heute effizient einsetzen. Bei der Politik und bei den Gerichten sehe ich aber noch erhebliches Potential, unseren Wirkungsgrad bei der Verfolgung von Wirtschaftsdelikten zu verbessern.
Eine einheitliche Leitung sorgt für Effizienz
Neben der Ausbildung und Motivation der Mitarbeitenden ist der entscheidende Faktor für unsere Effizienz in erster Linie die in der Schweiz einmalige Organisation unserer Wirtschaftsabteilung. Sie verfügt seit jeher über eigene, im Bereich der Ermittlung von Wirtschaftsdelikten spezialisierte Polizistinnen und Polizisten. Das gesamte polizeiliche und juristische Personal ist zudem demselben leitenden Staatsanwalt unterstellt. Dies sorgt für eine enge und reibungslose Zusammenarbeit zwischen der Verfahrensleitung und der Ermittlung. Man arbeitet Hand in Hand und alle ziehen am gleichen Strick. Die ermittelnden Fachspezialistinnen und -spezialisten werden zudem (mit Ausnahme des polizeilichen Bereitschaftsdienstes) nicht für Arbeiten ausserhalb ihrer Kernkompetenz «missbraucht». Alle machen also das, was sie am besten können. Kurze Wege (alle arbeiten in demselben Gebäude) ermöglichen ein rasches und flexibles Handeln bei Dringlichkeit. Der enge Kontakt zwischen Verfahrensleitung und Ermittlung stellt zudem sicher, dass die Ermittlungshandlungen von Anfang an auf des Wesentliche fokussiert und unnötige Abklärungen vermieden werden. Schliesslich garantiert die einheitliche Leitung auch eine optimale Zuteilung der vorhandenen Ressourcen und eine rasche Lösung allfälliger Konflikte bezüglich der Priorität der Verfahren untereinander.
Die Ausgliederung ist vom Tisch
Im Rahmen der laufenden Reorganisation der Strafverfolgungsbehörden des Kantons Basel-Stadt stand auch dieses Erfolgsmodell anfänglich zur Debatte. Das Hauptanliegen dieser Reorganisation besteht nämlich darin, die gesamte Kriminalpolizei aus der Staatsanwaltschaft aus- und in die Kantonspolizei Basel-Stadt einzugliedern. Inzwischen wurde aufgrund der vorgängigen politischen Debatte aber im Projekt entschieden, dass die Kriminalistinnen und Kriminalisten in der Abteilung Wirtschaftsdelikte verbleiben werden. Auch wenn die Reorganisation noch in vollem Gang ist, besteht damit alle Hoffnung auf den Erhalt dieser aus meiner Sicht optimalen Lösung. Natürlich ist angesichts der aktuellen Arbeitslast eine Aufstockung der personellen Ressourcen sinnvoll und richtig. Zusätzlich ist es aber nach meiner Auffassung auf längere Sicht unerlässlich, dass auch der Gesetzgeber und die Rechtsprechung einen Beitrag zu einer effizienteren Strafverfolgung leisten.
Im Spannungsfeld zwischen Untersuchungszwang und Prioritäten
Nach der geltenden Strafprozessordnung besteht heute ein Untersuchungs- und Verfolgungszwang für (fast) alle Straftaten. Gerade im Bereich der Wirtschaftsdelikte ist aufgrund der fehlenden Ressourcen aber eine klare Strategie bezüglich der Schwerpunkte und Prioritäten der Strafverfolgung notwendig. Diese sollte von der Leitung nicht nur festgelegt, sondern auch gegen innen und gegen aussen kommuniziert werden. Heute fehlt es dafür (mit Ausnahme der prioritären Behandlung von Haftfällen) allerdings an einer gesetzlichen Grundlage. Ein Fall bei dem nur Individualinteressen auf dem Spiel stehen und die Anzeige in erster Linie eingereicht wurde, um sich im Zivilverfahren ein Druckmittel oder Beweise zu verschaffen, ist von Gesetzes wegen genau so dringlich und wichtig wie ein Fall mit enormem volkswirtschaftlichem Schaden oder ein Fall, bei dem Kriminelle unsere Sozialwerke gezielt ausbeuten. Wegen der fehlenden Ressourcen und des geltenden Beschleunigungsgebots kommt es deshalb auch bei uns vermehrt zu einer Rechtsverzögerung. Dies ist nicht nur unangenehm, sondern verursacht zusätzlich unnötigen Aufwand. Ein mehr oder weniger gemässigtes Opportunitätsprinzip, also ein grösserer Spielraum der Staatsanwaltschaft, welche Delikte verfolgt oder nicht verfolgt werden, könnte hier Abhilfe schaffen
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